Emotionen kaufen ein
Brain View. Warum Kunden kaufen - das neue Buch von Hans-Georg Häusel.
Von Florian Michl
Warum kaufen Menschen, was sie kaufen? Nicht unbedingt weswegen sie meinen, dies zu tun. Denn unbewusste emotionale Prozesse im Gehirn haben einen weit höheren Einfluss auf unser Konsum- und Kaufverhalten, als wir meinen. Der rationale und vernünftige Konsument ist ein Mythos. Sagt die Gehirnforschung. Sie beschreibt, was im Kopf des Kunden wirklich vorgeht. Einen Kauf-Knopf aber hat sie nicht gefunden. / 01.02.08
Häusel CoverNur in den seltensten Fällen trifft der Mensch bewusste Entscheidungen. Stattdessen steuern ihn unbewusste Emotionsprogramme - überlebenswichtig in der Frühzeit des Menschen ebenso wie heute. "Wer lange darüber nachdenken musste, was das Ding sein könnte, das nach Raubtier riecht und auf gelbem Fell schwarze Streifen hat, hatte schon in der Urzeit eine geringe Lebenserwartung", sagt Hans-Georg Häusel, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Gruppe Nymphenburg und diplomierter Psychologe. Der Grund: Wenn Informationen ohne Beteiligung des Bewusstseins direkt in Handlungen umgesetzt werden, laufen die Reaktionen wesentlich schneller ab. Insbesondere in Gefahrensituationen. Zudem ist Bewusstsein eine ziemlich teure Sache - es kostet Energie. "Zwar gehen nur zwei Prozent unseres Körpergewichts auf das Konto des Gehirns, aber sein Energieverbrauch ist viel höher, besonders wenn wir intensiv und bewusst nachdenken. In diesem Fall verbrauchen wir 20 Prozent der Energie, die unserem gesamten Körper zur Verfügung steht." Auf Sparflamme, im Automatikmodus sozusagen, sind es hingegen nur fünf Prozent. Das sind nur zwei Gründe, warum 70 bis 80 Prozent aller Entscheidungen unbewusst fallen. Auch Kaufentscheidungen.

Emotionen am Steuer.


Was treibt den Kunden und Konsumenten an? Warum kauft er? Wie entscheidet er? Was kann man tun, damit er mehr kauft? Und wie gelingt es, Einfluss auf den großen Bereich des Unbewussten auszuüben? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt von Brain View - des soeben in zweiter und überarbeiteter Auflage erschienenen Bestsellers des Münchner Autors. Häusel verknüpft die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung und Psychologie mit Ergebnissen aus der klassischen empirischen Konsumentenforschung. Und serviert das Ganze spannend erzählt: nicht als Aneinanderreihung bloßer Fakten, sondern untermalt mit anschaulichen Gedankenbildern, gemischt mit Tops und Flops der großen Konzerne, von Coca-Cola, Beck und Radeberger bis Nivea, Porsche und VW.
Das Ergebnis dieser Forschungen: Der rationale und vernünftige Konsument ist ein Mythos. "Die für uns und den Konsumenten weitgehend unbewussten biologischen Abläufe in unserem Gehirn haben einen weit höheren Einfluss auf das Konsum- und Kaufverhalten, als wir selber glauben oder in unserem Bewusstsein erleben", sagt Häusel. Eine tragende Rolle spielt dabei das limbische System im Gehirn: Es steuert unsere Emotionen und Motive - und hat schon entschieden, bevor wir es überhaupt merken. Wenn überhaupt.
Drei große Emotions-Systeme unterscheidet Häusel. Er nennt sie die "Big 3" unseres Gehirns: das Balance-, das Dominanz- und das Stimulanz-System. Sie entscheiden über Bedeutung und Wert eines Produktes - ohne sich freilich immer einig zu sein, denn sie streben nach ganz konträren Zielen: das Balance-System, die stärkste Kraft im Gehirn, nach Sicherheit, Ruhe und Harmonie. Versicherungen aller Art, Finanzprodukte zur Altersversorgung, Medikamente und Ratgeber in jeder Form stehen hier ganz oben auf der Wunschliste. Das Stimulanz-System hingegen verlangt nach neuen und unbekannten Reizen. Davon profitieren unter anderem die Freizeitindustrie, Funk und Fernsehen, Buchhandel und Erlebnisgastronomie. Zu mehr Macht, Status, Überlegenheit und Autonomie strebt hingegen das Dominanz-System: "Setze dich durch! Sei besser als andere! Verdränge deine Konkurrenten!", lauten beispielsweise die Befehle. Ziel dominanzgesteuerter Kaufwünsche sind Statusprodukte aller Art, wie zum Beispiel teure Uhren, Mitgliedschaften in elitären Klubs oder Produkte, die überlegene Kennerschaft signalisieren, wie erlesene Weine. Diese drei Emotions-Systeme bildeten die Grundsäulen unserer Persönlichkeit, so Häusel. "Aber sie sind individuell unterschiedlich stark ausgeprägt", ergänzt der Psychologe. Dementsprechend löst jedes Produkt andere Emotionen beim Käufer aus.

Kultmarken als Energiesparer.


Sieben unterschiedlich ausgeprägte Persönlichkeitstypen ortet Häusel im limbischen Gehirnareal: Traditionalisten, Harmonisierer, Genießer, Hedonisten, Abenteurer, Performer und Disziplinierte. Diese "Limbic Types" sollen dabei helfen, Vertriebs- und Marketingentscheidungen zu vereinfachen und auf eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zu stellen. Die Regel ist einfach: "Produkte und Marken sind dann erfolgreich, wenn ihr Motiv- und Emotionsprofil mit dem Motiv- und Emotionsprofil der angestrebten Zielgruppe übereinstimmt." Dies erreicht man zum einen durch starke Emotionen, zum anderen durch markentypische Gestaltungselemente wie Form, Schriftzug, Farbe oder Ton. Marken sind neuronale Netzwerke, sagt Häusel. Nivea beispielsweise spricht mit blauer Farbe, weißem Schriftzug das Fürsorge-Emotionsfeld an, Porsche mit der 911-Form und starken Motoren das Dominanz-Emotionsfeld. Der unbezahlbare Vorteil starker Marken liegt darin, dass sie Kaufentscheidungen vereinfachen: Durch ihre Bekanntheit reduzieren sie Komplexität und Entscheidungsunsicherheit - das Gehirn erspart sich das energetisch aufwendige Denken und schaltet auf unbewusste Automatik. Gekauft ist die Gesichtscreme.
Aber nur im Idealfall: Denn einen Buy-Button gibt es nicht, auch keinen gläsernen Kunden. Die Bilder des Kernspinresonanztomografen zeigen nämlich nur die Gehirnregionen, die an einem Denkvorgang beteiligt sind, aber nicht den Inhalt des Denkens selbst - wie oft fälschlich angenommen. "Die Bilder, die aus dem Hirnscanner kommen, sprechen nicht für sich - sie müssen interpretiert und gedeutet werden", sagt Häusel. Und genau das macht die Nymphenburger Gruppe sehr erfolgreich. Dem Marketingspezialisten erklären sich damit die Stärken und Schwächen der eigenen Marke, dem einfachen Leser sein Kaufverhalten - und ein Stück weit mehr das Wesen des Menschen.

Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Hans-Georg Häusel:
Brain View.
Warum Kunden kaufen.

Rudolf Haufe Verlag, München 2008,
264 Seiten, 29.80 Euro.
ISBN 978-3-448-08746-8
www.haufe.de

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: Brain View. . Warum Kunden kaufen. . Rudolf Haufe Verlag, München 1900, 264 Seiten, ISBN 978-3-448-08746-8

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Florian Michl
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Florian Michl schreibt als freier Autor für changeX.

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