Marken als Hintergrund.
Marken wirken nicht nur im Hintergrund. Sondern als Hintergrund. Und dieser Hintergrund bestimmt das Produkt. So wie ein graues Quadrat vor dunklem Hintergrund heller erscheint als von hellem Hintergrund, so sei es auch bei Marken: "Starke Marken lassen ein Produkt subjektiv 'heller' erscheinen, statten es mit einer Anziehungskraft aus. Man spricht hier auch vom so genannten 'Framing-Effekt' - Marken wirken wie ein Rahmen (Frame) für das Produkt." Doch dieser Framing-Effekt wirkt im Hintergrund, ist nicht wahrnehmbar. So begründen Käufer ihre Kaufentscheidung meist mit Eigenschaften des erworbenen Produkts, nicht jedoch mit der Marke - was angesichts vergleichbarer Produkteigenschaften allerdings wenig stichhaltig erscheint. Aber wie entsteht diese indirekte Wirkung von Marken? Scheier und Held: "Es gibt zwei Systeme im Gehirn: einen Autopiloten, der implizit im Hintergrund wirkt, und einen Piloten, der reflektiert." Bestimmend für unser Verhalten im Alltag ist der Autopilot, der Abläufe automatisiert und damit den Piloten entlastet. Auch bei Einkäufen, bei denen der Autopilot 95 Prozent der Entscheidungen übernimmt. Er dekodiert sowohl die Bedeutung der Marke (Was ist es, wofür steht es?), wie auch die Belohnung, die sie verspricht (Ist es positiv oder negativ?). Beides zusammen ergibt die Anziehungskraft der Marke.
Häagen-Dazs ist kein Eis.
Entscheidend dabei ist der Frame. Er bestimmt, wie sich eine Marke zuordnen lässt, welche Bedeutung ihr zugemessen wird. So scheint Häagen-Dazs auf den ersten Blick einfach ein Eis zu sein. Vor dem Hintergrund der dekodierten Bedeutung ergibt sich jedoch ein anderes Bild: "Häagen-Dazs ist viel eher eine Praline." Sehr cremig, sehr süß und sehr teuer. Etwas Besonderes, das verwöhnt, tröstet - wie Schokolade etwa. "Eis dagegen esse ich, wenn ich Frische will. Häagen-Dazs eröffnete einen neuen Frame und sicherte damit seine Alleinstellung." Ähnlich verhält es sich bei Swatch oder Voss: Swatch ist keine Uhr, sondern ein Accessoire. So wie Voss kein Wasser ist, sondern Tischschmuck. Und da ein edler Tischschmuck wertvoller ist als Wasser, kann Voss bis zu acht Euro für eine Flasche verlangen. "Ohne Frame geht die Bedeutung eines Produkts nicht über den basalen Gebrauchswert hinaus. Durch Re-Framing, also wenn ein Produkt den Frame wechselt, entstehen Innovation und nachhaltige Differenzierung vom Wettbewerb", betonen die Autoren.
Pull statt push.
Was starke Marken von schwachen
unterscheidet, sind die Belohnungswerte: Fragt man
Beck's-Trinker, warum sie sich ausgerechnet für dieses Bier
entschieden haben, wird Geschmack als Grund angegeben. Was wenig
verwundert: "Denn wer würde schon ein Bier trinken, weil er
Abenteuer will. Das klingt absurd." Die Belohnungswerte jedoch
wirken implizit. Daher ist auch die Annahme, Marken in die Köpfe
der Kunden "pushen" zu können, falsch, meinen die Autoren:
"Türöffner sind Belohnungen, sie erzeugen Anziehungskraft, einen
Pull-Effekt." Da der Autopilot am Ruder ist, schlagen auch
explizite Angebote wie "wir stehen für Attraktivität, Innovation
und Kompetenz" fehl. Die versteckte Message macht die Musik. Aus
dem Hintergrund heraus agieren, um im Hintergrund wirken zu
können. Das gelte auch, wenn man Kundenaussagen auswertet:
"Wichtig ist, was sie implizit bedeuten. Die expliziten
Meinungsäußerungen führen in eine Sackgasse." Und erst wenn die
implizite Bedeutung und Belohnung feststehen, die transportiert
werden sollen, sind Unternehmen in der Lage, kompetent zu
entscheiden, wie die Umsetzung konkret aussehen kann. In einem
eigenen Kapitel erläutern die Autoren, wie die
neuropsychologischen Erkenntnisse für die Markenführung genutzt
werden können.
Scheier und Held spüren dem Geheimnis starker Marken
hartnäckig nach. Dabei bleiben sie nicht an der Oberfläche. Sie
schreiben klar strukturiert und gleichzeitig anschaulich. Durch
Heranziehung aktueller Erkenntnisse der Neuropsychologie geht das
Buch über das Spekulative hinaus. Nicht nur für Experten der
Markenführung ist die Darstellung interessant. Sondern für alle,
die schon immer wissen wollten, wie Marken im Gehirn wirken und
warum für Marken gerne auch mehr Geld ausgegeben wird.
Sascha Hellmann ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Christian Scheier / Dirk Held:
Was Marken erfolgreich macht.
Neuropsychologie in der Markenführung,
Rudolf Haufe Verlag, Planegg bei München 2007,
233 Seiten, 29.80 Euro,
ISBN 978-3-448-08610-2
www.haufe.de
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Zum Buch
Christian Scheier / Dirk Held: Was Marken erfolgreich macht. . Neuropsychologie in der Markenführung. . Rudolf Haufe Verlag, Planegg bei München 1900, 233 Seiten, ISBN 978-3-448-08610-2
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Autor
Sascha HellmannSascha Hellmann ist freier Journalist in Heidelberg. Er arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.