Generation Greta und weiter
In unserem Interview spricht der Jugendforscher Klaus Hurrelmann über die neue, politische Generation der Klimaaktivistinnen und über die Konsequenzen der Coronakrise für die Generationenforschung. Hier die Kernaussagen knapp zusammengefasst.
Generation Greta. Klaus Hurrelmann schlägt in seinem aktuellen Buch (zusammen mit Co-Autor Erik Albrecht) vor, statt von einer Generation Z von der Generation Greta zu sprechen: "Wir geben der Generation Z - das ist sozusagen die Ordnungsbezeichnung - einen inhaltlichen, symbolhaften Namen, so wie es auch bei den meisten Generationen davor der Fall war. Nennen wir sie die Generation Greta. Eben weil die Klimafrage und das Engagement von Greta Thunberg einen sehr großen und sehr aktiven Teil dieser Generation in starkem Maße geprägt und viele junge Leute politisch gemacht hat."
Eine politische Generation mit starken Frauen. Kennzeichnend für diese Generation sind ihre Politisierung und die starke Rolle der Frauen: Fridays For Future ist von Mädchen und jungen Frauen dominiert, sagt Hurrelmann: "Zum ersten Mal wird eine politische Bewegung sehr stark von jungen, teilweise von sehr jungen Frauen gesteuert."
Ausweitung der Politisierung. Hurrelmanns These im Buch, es werde zu einer Ausweitung der Politisierung auf andere Themen kommen, ist in der Coranakrise mit einem Fragezeichen zu versehen. "Ob die starke Politisierung und die damit einhergehende Kompetenz, sich Gehör zu verschaffen, sich tatsächlich über Umweltthemen hinaus ausbreiten wird, ist jetzt in der Coronakrise natürlich eine offene Frage", gesteht er ein, will aber an der These festhalten. "Eine so politisch engagierte junge Generation wird sich nach kurzer Pause wieder zu Wort melden. Sie fängt ja bereits an."
Break in der Generationenfolge? Bedeutet die Coronakrise einen Break in der Generationenfolge?Hurrelmann sagt ja. "Diese tiefgreifende Krise spricht dafür, bei der Generationenforschung einen Schnitt zu machen. Und zu überlegen, was es bedeutet, wenn junge Leute in der formativen Phase ihrer Persönlichkeitsentwicklung eine so epochale Krise erleben." Wir müssten damit rechnen, dass sich durch die Krisensituation auch eine neue Generationsgestalt bilde. Möglicherweise zeichne sich in den aktuellen Bewegungen gegen Diskriminierung und Rassismus bereits ein neuer inhaltlicher Trend ab, so Hurrelmann. Und damit für die Ausweitung der Politisierung auf andere Themen.
Jugendforschung ist Zukunftsforschung. "Man kann bei den jungen Leuten erkennen, welches die wichtigsten Herausforderungen für die Zukunft sind." Jugendforschung sei damit "immer auch ein Stück weit Zukunftsforschung", betont Hurrelmann.
Generation als Konstrukt. Den Begriff der Generation müsse man mit Vorsicht verwenden. "Der Generationenbegriff ist ein reines Konstrukt. Man darf ihn nicht verdinglicht sehen. Er bildet keine Realität ab. Sondern versucht, die Realität zu typisieren und zu kategorisieren." (*)
Umgang mit Komplexität und Unsicherheit. Hierbei bedeutet die Generation Y einen Einschnitt. "Die Generation Y war die erste Generation, die erlebte, dass alles möglich, aber nichts sicher ist. Dass man sein Leben nicht planen kann, sondern tentativ tastend, sondierend gucken muss, welche Chancen sich situativ ergeben, und diese opportunistisch nutzen muss: Schauen, wie man durchkommt." Bei der Generation Y habe sich deshalb eine abwartende Haltung festgesetzt: "Bei der Vielfalt an Alternativen des Handelns, von denen ich nicht weiß, wohin sie mich führen, und nicht einschätzen kann, welches die richtige ist, kann ich mich nur vertun, wenn ich mich früh entscheide. Also entscheide ich mich spät, schiebe die Entscheidung weit auf; ich warte, taktiere, gucke noch ein zweites Mal. Und erst, wenn es nicht mehr anders geht, entscheide ich mich intuitiv." Der Modus des versuchsweisen, iterativen Vorgehens, der etwa für Design Thinking, Scrum und neuere Methoden der Organisationsentwicklung kennzeichnend ist, findet sich im Verhaltensmodus der Generation Y bereits angelegt. (**)
Anders die nachfolgende Generation: "Die Generation Greta hat sich aus der Komplexität gewissermaßen herausgenommen." Mit der Klimafrage hat sie "eine Entscheidung in den Vordergrund gestellt, die alle anderen Komplexitätsentscheidungen als nachgeordnet erscheinen lässt. Sie hat sozusagen ein Entscheidungskriterium gefunden, um die Komplexität von Handlungsmöglichkeiten und Lebensoptionen zu reduzieren."
(*) Mehr zur methodischen Vorgehensweise der Generationenforschung und zum Begriff der Generation als Kunstbegriff, als Idealtypus, findet sich in unserem vorangegangenen Interview aus dem Jahr 2014 (in der rechten Spalte verlinkt).
(**) Mehr zur Generation Y und den Themen Komplexität und Kontingenz findet sich ebenfalls im erwähnten Interview.
changeX 22.06.2020. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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