Meetings mit Drehbuch
Der Meetinghorror muss nicht sein. Es geht auch anders: Meetings, die emotional berühren und gut strukturiert wichtige Themen behandeln. Fragt sich nur, ob es dazu nicht andere Organisationen braucht.
Es ist mal wieder das große Gähnen. Finanzvorstand Tim fordert seine Kollegen auf, Seite 42 des Budgethandbuches aufzuschlagen, einer nach dem anderen liest vor, dass seine Abteilung mal wieder 15 Prozent mehr Kohle verpulvert hat als im Vorjahr, schlimm, schlimm, da muss sich was ändern, schauen wir uns mal die Grafik an. Blicke wandern aus dem Fenster, ein Kinn fällt auf die Brust, Kollegen sacken zusammen. Der ganz normale Meetinghorror im Manageralltag.
Es geht auch anders.
Will zieht die Nase kraus und räuspert sich. „Die nächste Stunde kann verdammt langweilig werden, und jeder von uns hat sicher Hunderte von Ideen, wie er die Zeit besser nutzen könnte. Aber wir sollten ein paar Tatsachen nicht vergessen. Erstens. Unsere Wettbewerber hoffen, dass wir einen Fehler machen. ... Zweitens hoffen unsere Mitarbeiter inständig, dass wir keinen Fehler machen, weil sich jede unserer Entscheidungen auf ihren Job auswirkt. ... Drittens will ich nicht in neun Monaten an meinem Schreibtisch sitzen und mich fragen, warum zum Kuckuck ich bei der Budgetplanung nicht genauer hingeschaut habe. ... Also sollten wir uns zusammenreißen und dann für den Rest des Jahres mit einem guten Gefühl Ruhe haben.“ Stürmischer Applaus.
Meetings, die Spaß machen.
Meetings müssen keine Qual sein. Dass sie es oft sind, ja, dass viele Manager Meetings aus ihrem Arbeitsalltag sehnlich wegwünschen, obwohl doch hier die eigentliche Arbeit einer Führungskraft stattfindet, ist kein gutes Zeichen für den Zustand in Unternehmen, meint Patrick M. Lencioni, der als Berater in Dutzenden Firmen das Elend der Meetingkultur beobachtet hat. Langweilig, unstrukturiert, thematisch überfrachtet, ohne aufrüttelnde Emotionen, Ödnis pur. Das muss nicht so sein, sagte sich Lencioni und fragte sich: Wie sollten Meetings sein, damit sie Spaß machen und effizient sind?
Der Trick ist, Meetings wie ein Drehbuch aufzuziehen, emotional berührend, um (provokativ inszenierte) Entscheidungsfragen kreisend, wohl strukturiert und auf abwechslungsreiche Art in unterschiedlichen Formaten komponiert. Ein Mix von täglichem Check-in im Stehen und wöchentlicher Lagebesprechung, von monatlicher Strategiekonferenz und vierteljährlicher Manöverkritik. Nachvollziehbar schildert Lencioni die übelsten Irrtümer über Meetings, die zum Einfallstor einer fehlgeleiteten Besprechungskultur werden. Zum Beispiel: Erst mal langsam warm werden? Bloß nicht! In den ersten zehn Minuten entscheidet sich, ob es eine spannende Diskussion gibt oder nicht. Probleme gleich abschließend klären? Besser nicht. Man verliert sich schnell in Details. Lieber beizeiten einen Schlusspunkt setzen und das Problem auf die neue Tagesordnung setzen.
Fazit: Ein nützliches Buch voller konkreter Handlungsanweisungen, das Führungskräfte nicht im Regal liegen lassen sollten. Ob man lieber gleich zu den komprimierten Praxistipps in der Executive Summary am Ende des Buches blättert oder die 200-seitige Fabel aus dem Business-Leben einer fiktiven Firma liest, in der Menschen wie Tim und Will eine neue Meetingkultur entwickeln, muss jeder selbst entscheiden. Die allerdings liest sich über lange Strecken zäh wie Kaugummi – typisch Meeting eben.
changeX 23.09.2009. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Patrick M. Lencioni: Tod durch Meeting. Eine Leadership-Fabel zur Verbesserung Ihrer Besprechungskultur. Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2009, 231 Seiten, ISBN 978-3-527-50465-7
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Autorin
Anja DilkAnja Dilk ist Berliner Korrespondentin, Autorin und Redakteurin bei changeX.
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