Zukunftsliteratur 2019
Die Top Ten der Zukunftsliteratur - die Bücher des Jahres
Hier sind sie, die Bücher des Jahres. Zum zweiten Mal in einer gemeinsamen Auswahl mit proZukunft, dem Magazin der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg. Vorgestellt als die Top Ten der Zukunftsliteratur: Sachbücher, die gesellschaftliche Entwicklungen kritisch reflektieren und neue Zukunftsperspektiven eröffnen. Hier die Bücher, alphabetisch nach Autor sortiert.
Elizabeth Anderson:
Private Regierung.
Wie Arbeitgeber über unser Leben herrschen (und warum wir nicht darüber reden); aus dem Amerikanischen von Karin Wördemann.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, 259 Seiten, 28 Euro (D), ISBN 9783518587270
Im Privatleben entscheiden die Menschen selbstverantwortlich, in Organisationen aber unterliegen sie mehr oder minder rigider Anweisung und Kontrolle. Auf diesen offensichtlichen Bruch im Freiheitsverständnis moderner Gesellschaften haben Kritiker der herrschenden Form der Unternehmensorganisation vielfach hingewiesen. Aber in der Öffentlichkeit, im politischen Diskurs vor allem, wird über diese Diskrepanz so gut wie nie geredet. Wird stillschweigend akzeptiert, dass Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen beim Eintritt in Organisationen enden. Das könnte sich nun ändern. Die amerikanische politische Philosophin Elizabeth Anderson widmet ihr neues Buch diesem Thema. Sie fordert ein radikales Überdenken des Verhältnisses zwischen privaten Unternehmen und der Freiheit und Würde von Arbeitnehmern. Anderson: "Die meisten modernen Betriebe sind private Regierungen." Mehr noch: Es sind "kommunistische Diktaturen in unserer Mitte". Es ist zu hoffen, dass die Inseln der Unfreiheit mitten in unseren Gesellschaften endlich zum Thema werden. Nicht nur im engeren Zirkel der Unternehmensdemokraten.
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Thomas Beschorner:
In schwindelerregender Gesellschaft.
Gleichgewichtsstörungen der modernen Welt.
Murmann Publishers, Hamburg 2019, 200 Seiten, 22 Euro (D), ISBN 978-3-86774-631-1
Unsere Gesellschaft ist unübersichtlich geworden. Scheint irgendwie aus den Fugen geraten. Sie ist schwindelerregend geworden. Das Wortspiel mit dem Begriff Schwindel bildet die verbindende Metapher der Zeitdiagnosen, die der Wirtschaftsethiker Thomas Beschorner in seinem neuen Buch anbietet - in einem doppelten Sinn: Nicht nur die Gesellschaft mit ihren systematischen Schieflagen ist schwindelerregend geworden, ihre Unübersichtlichkeit und Komplexität ruft auch Schwindler auf den Plan, die mit einfachen Antworten die Menschen hinters Licht führen. In der Tat hat der Schwindel als Gleichgewichts- wie als Wahrheitsstörung dieselbe Wortwurzel, wie der Autor in Grimms Wörterbuch nachschlagend zeigt. Schwindlig machen kann einen auch die Heterogenität der 24 Kapitel des Buchs, die sich wie eine Achterbahnfahrt durch die Gesellschaft lesen. Die Texte sind bereits als Zeitschriften- oder Blogbeiträge erschienen, wurden aber nicht nur aneinandergeklatscht, sondern redaktionell bearbeitet und miteinander verschränkt. Drei Diagnosen Beschorners stechen hervor: Erstens befinden wir uns in einer "liminalen Periode", einer Zeit des Übergangs, in der herrschende Ordnungs- und Regelungsprinzipien ihre Gültigkeit verlieren. "Die Welt verflüssigt sich." Zweitens bildet sich ein "neues Ich" heraus, das "seine Identität aktiv sucht, gestaltet und in den Lebensmittelpunkt stellt", gleichwohl aber keine stabile, sondern nur eine fluide Identität herauszubilden vermag. Drittens braucht es dringend neue Formen gesellschaftlicher Teilhabe, braucht es soziale Experimente, um dieses flatterhafte neue Ich in die Gesellschaft einzubinden. Und zugleich den Schwindlern Einhalt zu gebieten.
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Heinz Bude:
Solidarität.
Die Zukunft einer großen Idee.
Hanser Verlag, München 2019, 176 Seiten, 19 Euro (D), ISBN 978-3-446-26184-6
Nach Gesellschaft der Angst und Das Gefühl der Welt - Bücher, in denen es um die Macht von Stimmungen geht - widmet sich der langjährige Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung, Heinz Bude, nun dem Thema "Solidarität" beziehungsweise der "Zukunft einer großen Idee", wie der Untertitel des Bandes verspricht. In einer Zeit der "enttäuschten Ideologien und der überschätzten Wissenschaft" müsse man mit großen Worten vorsichtig sein, so Bude. Es gäbe weder einen moralischen Zwang zur Solidarität noch einen in der menschlichen Natur angelegten Hang zur Solidarität, "obwohl sich Solidarität für das Zusammenleben als förderlich erweisen kann". Und "obwohl der Mensch über einzigartige Fähigkeiten zur Empathie und zur Rollenübernahme verfügt". Anders als Gerechtigkeit, die herzustellen Aufgabe der Politik sei, ist Solidarität für Bude "eine Möglichkeit jedes Einzelnen". Man könne sich ihr verpflichten, "weil man dadurch sein eigenes Leben reicher und lebendiger macht". In zwölf lose aneinandergereihten Kapiteln - der Autor selbst nennt sie "Meditationen" - widmet sich Bude unterschiedlichen Aspekten von Solidarität. Er spricht von der "Unschuld des Trittbrettfahrers" im modernen Wohlfahrtsstaat, der Klassensolidarität ebenso erschwere wie eine zunehmend fluider werdende Arbeitswelt der "Teams und Projektgruppen". Mehrfach rekurriert Bude auf das Wechselverhältnis zwischen dem Sozialstaat "als institutionalisierter Solidarität" und einer "solidarischen Ökologie des alltäglichen Miteinanders", das nur aus der Zivilgesellschaft heraus entstehen könne. Mit der Biologin Donna J. Haraway verweist der Autor auf die Solidarität mit den Tieren, den "anders-als-menschlichen Wesen", mit dem Philosophen Emanuele Coccia auf das Eingebundensein in die Natur und dem "Werk der Pflanzen" als Urform der Solidarität. Bude hat mit Solidarität ein sehr feinsinniges und vielschichtiges Buch vorgelegt. Sein Anspruch, dass wir jenseits der Interessengegensätze innerhalb unserer Gesellschaften ein neues, drittes "Wir" finden müssen, ist hoch. Er verweist jedoch auf die zentralen Zukunftsherausforderungen, die in der Ökologie, der weltweiten Ungleichheit und den wohl weiter zunehmenden Migrationsbewegungen liegen. (hh)
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Jonathan Safran Foer:
Wir sind das Klima!.
Wie wir unseren Planeten schon beim Frühstück retten können.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019, 327 Seiten, 22 Euro (D), ISBN 978-3-462-05321-0
Die Menschen zum Handeln bringen
Jonathan Safran Foer hat ein Buch über die klimatischen Auswirkungen von Massentierhaltung geschrieben, welches mit allen Erwartungen bricht, die man an ein Buch über die Klimakrise hat: Anstelle einer Aufzählung von Fakten zum Klimawandel strebt Foer an, uns und sich selbst zum Handeln zu bringen. Dies mit einer Eindringlichkeit, dass man sich seinem Argument kaum entziehen kann. Denn tatsächlich: Wir, unser gesamtes Verhalten und hier besonders unser Essverhalten können das Klima jeden Tag weiter zerstören oder ein Stück weit retten. Warum wir Letzteres nicht tun? Weil wir in letzter Konsequenz nicht akzeptieren können, dass der Klimawandel uns selbst, unsere Kinder, unsere Zivilisation als Ganzes bedroht. Ziel des Buches ist, unseren Glauben an die Möglichkeit des Klimawandels zu wecken, und uns damit zum Handeln zu bringen. Foers wichtigstes Anliegen ist das Ende der industriellen Massentierhaltung. Dabei geht es nicht um Verzicht, sondern ums Maßhalten, etwa indem tierische Produkte nur einmal am Tag genossen werden. Das "In-die-Pflicht-Nehmen" des Individuums ist sowohl Stärke des Buches - Einschränkung tut not - als auch seine Schwäche. Während es ohne uns alle nicht gehen wird, ist die systemische Frage mehr als eine bloße Randnotiz, als die Foer sie darstellt. (bbk)
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Hannah Fry:
Hello World.
Was Algorithmen können und wie sie unser Leben verändern.
C.H.Beck Verlag, München 2019, 272 Seiten, 19.95 Euro (D), ISBN 978-3-406-73219-5
In diesem hervorragenden, wichtigen Buch geht es um Algorithmen oder vielmehr: um die Beziehung des Menschen zu ihnen. Hannah Fry erklärt kurz und verständlich die Funktionsweisen und Hauptkategorien von Algorithmen, bevor sie die Bandbreite ihrer gegenwärtigen Anwendungsgebiete verdeutlicht. Sie betont die Vorteile der neuen Technologie, weist aber eben auch dezidiert auf kritische Aspekte hin, mit denen wir uns ob ihrer immensen Tragweite dringend beschäftigen müssen. Es geht um die Übertragung von Verantwortung und die alles entscheidende Überlegung, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Unser Umgang mit Algorithmen ist gegenwärtig verbesserungswürdig und er hätte das Potenzial, den technologischen vom gesellschaftlichen Fortschritt gänzlich zu entkoppeln, das macht Fry deutlich. Am Ende ihrer kurzweiligen Ausführungen plädiert sie für eine "Zukunft, in der wir Maschinen nicht mehr als objektive Herren betrachten, sondern sie wie jede andere Machtquelle behandeln. Indem wir ihre Entscheidungen hinterfragen, ihre Motive untersuchen, unsere Emotionen anerkennen; Auskunft darüber verlangen, wer Nutznießer ist; sie für ihre Fehler zur Verantwortung ziehen und darauf achten, dass wir nicht nachlässig werden. Ich halte dies für den Schlüssel einer Zukunft, in der Algorithmen unter dem Strich eine positive Wirkung für die Gesellschaft haben. Und diese Aufgabe fällt zu Recht uns zu. Denn eines ist sicher: Noch nie waren Menschen so wichtig wie im Zeitalter der Algorithmen." (kk)
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Vincent-Immanuel Herr, Martin Speer :
#TunWirWas.
Wie unsere Generation die Politik erobert.
Droemer Knaur, München 2019, 255 Seiten, 10 Euro (D), ISBN 978-3-426-30178-4
Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer liefern eine wunderbare "Anleitung zum Weltretten". Das Aktivistenduo engagiert sich seit Jahren für Europa, Gerechtigkeit, Demokratie und die Beteiligung junger Menschen an der Gestaltung der Gesellschaft. Mit diesem Buch möchten sie Millennials ermutigen, den Status quo infrage zu stellen und Veränderungsprozesse anzustoßen. Dabei berichten sie von ihren Erfahrungen des aktiven Zukunftsgestaltens, erzählen von Erfolgen und Rückschlägen, liefern einen Fahrplan mit Beispielen aus der Praxis, der klar strukturiert ist, komplexe Sachverhalte auf einen einfachen Nenner bringt, der anleitet, aber nie belehrt. Warum man aktiv werden sollte, wird in folgenden Kapiteln erklärt: "Generationengerechtigkeit", "Fehlende Gleichstellung und -behandlung der Geschlechter", "Nicht-Handeln hat fatale Folgen", "Das Erstarken der neuen Rechten", "Europa in Gefahr", "Demokratie unter Druck", "Klimawandel". Eine optionale 47-Punkte-Liste mit konkreten Formulierungen und alltagsnahen Vorschlägen zeigt außerdem effektiv, wie sich ein aktives politisches Leben sofort umsetzen lässt. "Wir müssen die Politik erobern, um unsere Zukunft zurückzuerobern. Veränderung beginnt immer in einem bestimmten Moment. Warum also nicht jetzt?" Auch wenn das Buch an aktuell 20- bis 30-Jährige adressiert ist: Gestaltung von Zukunft funktioniert nur generationsübergreifend. Das Buch nimmt niemanden aus und sollte von Lesern gleich welchen Alters als Handlungsgrundlage verstanden werden. (kk)
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Lisa Herzog:
Die Rettung der Arbeit.
Ein politischer Aufruf.
Hanser Berlin, Berlin 2019, 224 Seiten, 22 Euro (D), ISBN 978-3-446-26206-5
Arbeit wird politisch. Sie muss politisch werden, weil sie anders nicht zu retten ist. Denn die Arbeitswelt spielt eine viel zu wichtige Rolle für unsere Gesellschaft, "als dass man sie in Zeiten des digitalen Umbruchs einfach ihrem Schicksal - oder dem ungesteuerten Wirken des freien Markts - überlassen dürfte". Das ist die These des neuen Buches von Lisa Herzog, das (ebenso wie das von Elisabeth Anderson) die fundamentale soziale Bedeutung von Arbeit in den Mittelpunkt rückt. Arbeit ist mehr als ein lästiges Übel, mehr als ein Mittel zum Geldverdienen, sie ist "eine zutiefst menschliche Angelegenheit". Sie gehört zu unserer Natur als Menschen. Ihr essentiell sozialer Charakter ist es, was Arbeit ausmacht - "weil Menschen soziale Wesen sind, arbeiten sie in der Regel gemeinsam mit anderen. Arbeit bringt uns mit der materiellen Welt in Kontakt, vor allem aber bringt sie uns miteinander in Kontakt." Weil Arbeit so essenziell ist, bedarf sie einer Rahmensetzung durch demokratische Politik. Und das bedeutet für Lisa Herzog vor allem: Die Wirtschaftswelt muss demokratisch werden. Ihr Buch ist ein entschiedenes und notwendiges Plädoyer für Demokratie in der Arbeitswelt. Und ein fulminanter, wuchtiger Essay.
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Armin Nassehi:
Muster.
Theorie der digitalen Gesellschaft.
C.H.Beck, München 2019, 352 Seiten, 26 Euro (D), ISBN 978-3-406-74024-4
Mit der Digitalisierung gibt es offenkundig ein Problem. Denn vieles, was zeitgeistig als "digital" beschrieben wird, wurzelt genau besehen in längerfristigen Entwicklungen, die in Zeiten zurückreichen, da Computer sich längst noch nicht flächendeckend durchgesetzt hatten oder gar erst als Prototyp oder Denkmodell existierten. Was war zuerst: die Digitalisierung oder der Wandel der Gesellschaft? Das ist das Thema von Armin Nassehis neuem Buch. Er fragt, "für welches Problem die Digitalisierung eine gesellschaftliche Lösung ist". Seine These lautet, "dass die Digitalisierung unmittelbar verwandt ist mit der gesellschaftlichen Struktur". In seinem Buch will Nassehi zeigen, "dass die moderne Gesellschaft bereits vor dem Einsatz digitaler Computertechnologien eine digitale Struktur hatte". Oder anders gesagt: "Das Bezugsproblem der Digitalisierung ist die Komplexität und vor allem die Regelmäßigkeit der Gesellschaft selbst." Während vormoderne Gesellschaften bei aller Vielfalt ihrer Ausdrucksformen doch recht einfach strukturiert waren und sich alles, so Nassehi, in ein Oben-unten-Schema fügte, wird Gesellschaft in der Moderne unübersichtlicher. Unterschiedliche Ordnungsformen existieren nebeneinander. An dieser Komplexität der Gesellschaft setzt die Digitalisierung an - indem sie in deren Unübersichtlichkeit Muster erkennt. Damit liegt, so Nassehis Schluss, "die Digitalität der Gesellschaft in ihrer eigenen Struktur und in ihrer Komplexität begründet".
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Friederike Otto:
Wütendes Wetter.
Auf der Suche nach den Schuldigen für Hitzewellen, Hochwasser und Stürme.
Ullstein Verlag, Berlin 2019, 240 Seiten, 18 Euro (D), ISBN 9783550050923
Nicht zu handeln ist keine Option mehr
Die Klimawissenschaftlerin Friederike Otto hat mit Wütendes Wetter ein beeindruckendes Buch vorgelegt. Es thematisiert, wie einzelne Wetterereignisse dem Klimawandel zugerechnet werden können. Diese sogenannte "Zuordnungswissenschaft" macht es zum ersten Mal möglich, den Klimawandel konkret sichtbar zu machen. Otto zeichnet die Etablierung der Zuordnungswissenschaft so spannend wie einen Krimi nach. Dabei erklärt sie auch Grundlagen des Klimawandels und thematisiert die Bemühungen von Politik und Wirtschaft, die Klimakrise kleinzureden oder gar zu leugnen.
Dennoch ist der Klimawandel nicht für jede Wetterkatastrophe verantwortlich, und die Auswirkungen von Extremereignissen haben oft mehr mit mangelnder politischer Planung, mit Umweltzerstörung oder Korruption zu tun, als mit dem Klimawandel. Um den Klimawandel einzubremsen, braucht es einen Systemwechsel, vor allem in den Industriestaaten. Eine große Verantwortung tragen auch globale Konzerne, die maßgeblich zum Klimawandel beitragen. Die Autorin betont, dass dank der Zuordnungswissenschaft klar wird, dass wir nicht alle gleich Schuld am Klimawandel haben - eine apologetische Strategie, die von Konzernen gerne verwendet wird. Fazit: "Nicht zu handeln ist keine Option mehr." (bbk)
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Jeremy Rifkin:
Der globale Green New Deal.
Warum die fossil befeuerte Zivilisation um 2028 kollabiert - und ein kühner ökonomischer Plan das Leben auf der Erde retten kann.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2019, 319 Seiten, 26.95 Euro (D), ISBN 978-3-593511351
Auf Jeremy Rifkin ist Verlass. Der Bestsellerautor hat ein sicheres Gespür für die Themen der Zeit - was Rifkin sagt, ist Trend oder wird es. Er ist der Mann für die großen Zukunftsbilder, die großen Entwürfe, die Wendepunkte in der Entwicklung der Zivilisation markieren: Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft, Die empathische Zivilisation, Die dritte industrielle Revolution, Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft , so seine Bestseller. Und nun der Green New Deal. Ursprünglich wurde die Idee von Thomas Friedman formuliert, 2007 war das, und hat seither einige Unterstützung erfahren. Aber Rifkin wäre nicht Rifkin, wenn er es dabei belassen würde, einen vorliegenden Gedanken auszuführen. Natürlich wird bei ihm der Green New Deal zum Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte, zum Aufbruch in eine (nun endlich) nicht-fossile Form des Wirtschaftens. Jedoch ist sein Green New Deal kein bewusst in Gang gesetztes politisches Programm (ganz anders übrigens als in Naomi Kleins kürzlich erschienenem Buch zum selben Thema). Rifkin denkt von der Ökonomie her. Bei dem kommenden Umbruch handele es sich "weitgehend um eine Äußerung des Marktes". Rifkins entscheidende Vorhersage lautet: "Während der nächsten acht Jahre werden Solar- und Windstrom ‚bei Weitem billiger‘ werden als Energie aus fossilen Trägern, was zwangsläufig zu einem Showdown mit dem fossilen Energiesektor führen wird." Die Folge: gestrandete Anlagewerte in Höhe von 100 Billionen US-Dollar. Kurzum: "Die Kohlenstoffblase verspricht die größte ökonomische Blase aller Zeiten zu werden." Das ist die kommende, die große Disruption. Laut Rifkin hat sie bereits begonnen. Mit der Energiewende in Europa. In China. Und weltweit mit dem Rückzug institutioneller Investoren aus den fossilen Energien unter Führung der Pensionskassen. Das Kapital der Arbeiterschaft wird damit zum wichtigsten Treiber der Energiewende.
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