Symbol der Moderne.
Dass ein Warenhaus wie Karstadt in der Stunde null für die Menschen in Deutschland so eine beflügelnde Kraft entfalten konnte, überrascht nicht. Denn seit ihrer Entstehung Ende des 19. Jahrhunderts gehören Warenhäuser zu den wichtigsten Symbolen der Moderne. Die Warenhäuser standen für Offenheit und Vielfalt, für Internationalisierung und Wohlstand, später für die Demokratisierung von Konsum. In ihnen inszenierten sich die prosperierenden Bürgergesellschaften Europas auf dem Gipfel der Industrialisierung. "Kulturell codierte Orte", nennt daher der Karlsruher Konsumforscher Wolfgang Ullrich die Warenhäuser, die sich, ausgehend von Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts, auch in Deutschland verbreiteten. "In dieser neuen Kaufhauskultur wurden nicht nur erstmals Waren ganz unterschiedlichen Typs unter einem Dach präsentiert, sondern auch inszeniert", so Ullrich. "Das Warenhaus selbst wurde zum Bildungsort, zu einer Art begehbaren Enzyklopädie, in der Dinge aus allen Teilen der Welt zusammengestellt und neue Lebenswelten erfahrbar waren." Die Bürger trafen sich, bummelten durch die Auslagen, tauschten sich aus und kauften beizeiten etwas ein. Mancherorts wurde aktuelle Hutmode gar auf den Abgüssen antiker Skulpturen gezeigt, das Warenhaus geriet zur Mischung zwischen Kaufstätte und Museum. Stets war es Forum, in dem die bürgerliche Gesellschaft experimentierte, sich ihrer selbst vergewisserte. Auch deshalb geriet es unter den Nationalsozialisten so vehement unter Beschuss. Das Warenhaus wurde zur Projektionsfläche für den Hass auf die bürgerliche Gesellschaft, musste als Beleg für die zerstörerische Kraft "jüdischen Kapitals" herhalten, das die Existenz des kleinen Mannes um die Ecke zerstörte. Seiner Erfolgsgeschichte konnten die Nazis trotzdem keinen Riegel vorschieben.
In der Mitte der Gesellschaft.
Als Rudolph Karstadt 1881 in Wismar
unter dem Namen seines Vaters Christian und mit 1.000 Thalern
Startkapital das "Manufactur-, Confections- und Tuchgeschäft C.
Karstadt" gründete, war diese Erfolgsgeschichte des Warenhauses
noch nicht absehbar. Rudolph Karstadt sollte zu seinen Pionieren
gehören. Zu jenen, die erkannten: Das Prinzip Warenhaus hat
gewaltiges Potenzial. Und dieses Prinzip brach mit vielem, was
bis dato üblich gewesen war. Erstens machte es Schluss mit der
verbreiteten Praxis, anschreiben zu lassen. Im Warenhaus musste
man bar zahlen, und zwar gleich. Zweitens verzichtete es auf
individuelle Preise. Damals kalkulierten die Händler die Preise
je nach Einkommen der Käufer, für die Arztfrau kostete das Pfund
Kartoffeln mehr, die Schreinergattin bekam es für weniger. Im
Warenhaus mussten alle dasselbe zahlen. Statt undurchsichtiger
Buchstabencodes an den Produkten gab es eindeutige Preisschilder.
Drittens machten die Warenhausgründer dem Absatz mit Werbung
Beine. Schließlich waren hohe Stückzahlen der einzige Weg zu
günstigen Preisen, dessen war sich Rudolph Karstadt bewusst.
Mit einem schillernden Konsumtempel hatte sein erstes
Warenhaus freilich noch nichts zu tun. Es bestand aus einem lang
gestreckten Laden mit einem Schaufenster. Beleuchtet von zwei
offenen Gasflammen reichten die Regale bis unter die Decke.
Gearbeitet wurde von morgens sieben bis abends um neun, auch am
Wochenende. Die Mitarbeiter, auch das war eine Neuerung, hatten
geregelte Arbeitszeiten und einen festen Lohn. Nach zwei Jahren
kam das Geschäft richtig in Fahrt, der Umsatz schnellte in die
Höhe. 1884 machte Rudolph Karstadt seine erste Filiale in Lübeck
auf: Mit vier Schaufenstern und einem dicken Strauß von Waren,
neben Textilien gab es Haushalts-, Galanterie-, Leder- und
Spielwaren. Zum 25-jährigen Firmenjubiläum spannte sich bereits
ein Netz von 24 Filialen über das Land. 1912 eröffnete Karstadt
in Hamburg die erste Niederlassung in einer Großstadt, schloss
sich kurz darauf mit Warenhaus-Konkurrent Theodor Althoff
zusammen. Heute ist Karstadt der größte Warenhauskonzern Europas
mit mehr als 5.000 Lieferanten aus 90 verschiedenen Ländern. 1,5
Millionen Kunden strömen Tag für Tag in die Karstadt-Häuser.
"Seit 1881 gehören wir zur Mitte der Gesellschaft", sagt Stefan
Herzberg, Geschäftsführender Vorstand der Karstadt Warenhaus GmbH
und Vorstandsmitglied des Arcandor-Handels- und
Touristikkonzerns, der Muttergesellschaft der Karstadt Warenhaus
GmbH. "Wir sind ein Teil von Deutschland."
In der Tat. Die wechselhafte Geschichte der
Karstadt-Warenhäuser ist Spiegel der gesellschaftlichen
Veränderungen in 60 Jahren Bundesrepublik. Wie durch ein
Brennglas zeigt der Blick ins Warenhaus den Wandel in Wirtschaft
und Gesellschaft nach dem Krieg. Ohne Krisen war diese
Entwicklung nie. Die Bomber hatten von Rudolph Karstadts Imperium
nicht viel übrig gelassen. Mehr als 30 der 45 Filialen in den
Westzonen Deutschlands waren 1945 zerstört, ausgebrannt oder
schwer beschädigt, die meisten wurden in den Kriegswirren
geplündert, die 22 Filialen in den Ostzonen waren verloren. Doch
der Start aus dem Nichts gelang. Schon drei Jahre nach Kriegsende
waren die Schaufenster voll mit Waren. Marshallplan und
Währungsreform gaben dem Handel neuen Schub, die Wirtschaft kam
in Schwung, Wohlstand war kein Traum mehr. Zwar hatten die
Menschen immer noch nicht viel Geld in den Taschen, Sparsamkeit
wurde ein hohes Gut, Sparkultur zum nationalen Habitus. Es war
die Geburtsstunde der Selbstbedienungsläden, und damit das Ende
der üppig schillernden Warenwelten wie in den Anfangszeiten der
Kaufhauskultur. "Das Kaufhaus bekam gewaltige Konkurrenz", sagt
Konsumforscher Wolfgang Ullrich, "doch es blieb unersetzbar als
Bühne, um das Wirtschaftswunder zu zelebrieren. Nur in der
wachsenden Warenwelt des Kaufhauses konnten die Menschen die
ökonomische Karriere der jungen Bundesrepublik spüren."
Verallgemeinerung des Konsums.
Zumal es ihm gelang, sich
an die neuen Bedürfnisse anzupassen. Karstadt holte die
Selbstbedienung in die eigenen Häuser, in der Filiale Bottrop
eröffnete 1951 die erste Lebensmittelabteilung mit
Selbstbedienung. Statt üppiger Inszenierung und hoher, teurer
Personaldichte rückte die Warenästhetik in den Vordergrund. Schön
arrangiert lockten die Auslagen, die Schaufenster reizten
wohldekoriert. Sachlichkeit stand im Vordergrund. Statt Prunk
effiziente Architektur, maximale Verkaufsfläche, schmal zwängten
sich die Rolltreppen durch die Geschosse. In den ersten Zeiten
des Mangels gaben die Auslagen der Karstadt-Häuser Passanten
Tipps, um Geld zu sparen: Wie etwa muss eine Strumpfhose gepflegt
werden, um möglichst lange zu halten? In den 50er-Jahren nutzte
Karstadt die Schaufenster auch, um der Polizei bei der Suche nach
vermissten Personen zu helfen. Für jene, die noch nicht vom
Wirtschaftswunder profitierten konnten, erfüllten die Warenhäuser
zudem eine soziale Funktion: Massenkonsum zu niedrigen Preisen.
"Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Konsum breiteren Schichten
zugänglich als je zuvor", sagt Wolfgang König, Soziologe an der
Berliner Technischen Universität und Autor des Standardwerkes
Geschichte der Konsumgesellschaft. "Für diese
Verallgemeinerung des Konsums spielten die Warenhäuser eine
wichtige Rolle."
Als Anfang der 60er-Jahre die Menschen im
Wirtschaftswunderland mit ihrem ersten bescheidenen Reichtum
"raus ins Grüne" strebten und der Wunsch nach einem Eigenheim zum
gesellschaftlichen Leitbild avancierte, entstand eine neue
Konkurrenz für die Warenhäuser: die Einkaufsparks mit ihren
günstigen Preisen und üppigen Parkplätzen. Auch wenn jetzt
Kaufkraft in den Innenstädten fehlte, entschied Karstadt, dort zu
bleiben, wo es gewachsen ist: im Zentrum der Stadt. Denn dort war
das Warenhaus längst zum zentralen Magneten geworden, zum
erstaunlichen Erlebnisraum, für den die Menschen schon Anfang der
50er-Jahre zwei Stunden mit Bus und Bahn angereist kamen.
"Besonders wild waren wir Kinder darauf, mit der Rolltreppe zu
fahren", erinnert sich Karstadt-Kunde Klaus Dornstedt. Im Laufe
der Jahre wuchsen die Sortimente der Häuser, Schallplatten und
Fernseher füllten die Regale, Dienstleister zogen ein:
Pixy-Photo-Studios, Mister-Minit, Reisebüros. Autogrammstunden
und Modeschauen mit Models, die damals noch Mannequins hießen,
lockten die Kunden. Wie wohl nirgends sonst spiegelte sich in
Architektur und Warenwelt des Warenhauses der Zeitgeist: In den
späten 60ern, frühen 70ern wanderten die Pelze hinein - und eine
Generation später wieder hinaus, bis schließlich 2002 Kunstpelze
Silbernerz & Co. endgültig verdrängten.
Teil der urbanen Kultur Europas.
Bis heute prägen die modernen
Fassaden die Innenstädte. Die fensterlosen "Verkaufskisten" der
60er- und 70er-Jahre, die Fassaden umfasst von Metalllamellen,
waren Verkaufsmaschinen, in denen der Gang der Besucher durch
Kunstlicht gelenkt wurde. Statt sich in das Stadtbild
einzupassen, wollten sie auffallen: Kommt her, kauft ein! Erst
Mitte der 70er ersann man Häuser, die Licht hineinließen und sich
organisch in die Architektur der Stadt einzufügen versuchten.
Nach dem Mauerfall gelang das in Filialen wie Potsdam oder
Leipzig mit einem sensiblen Mix aus Historie und moderner
Architektur. Später gewann der Gedanke des Ökologischen,
Nachhaltigen an Raum. In Kiel haben Architekten die Fassade durch
einen Glaseinbau und Fotoleinwände so radikal aufgebrochen, dass
die Filiale zum interaktiven Kommunikationsraum zwischen
Warenhaus und Umgebung wird.
Die Strategie, sich dem Run ins Grüne zu verweigern, hat
sich bewährt. Wo der Trend zum Wohnen wieder in die Städte
zurückgeht, veröden die Einkaufslandschaften vor den Toren der
urbanen Zentren. Die Warenhäuser profitieren. Und es ist ihnen
gelungen, sich treu zu bleiben, ihre Kultur zu wahren. Denn seit
den Gründungszeiten sind sie mehr als Geschäfte, die eine Fülle
von Waren des täglichen Bedarfs verkaufen. Sie gehören zur
urbanen Kultur Europas. Bis heute prägen sie als Magnete des
Konsums, aber auch des städtischen Lebens, der Unterhaltung, der
Begegnung die europäischen Innenstädte. Sie geben ihnen Halt,
einen Kern, ziehen Leben an. Und den Einzelhandel mit. Wo
Einkaufserlebnis in der Vielfalt noch in der Stadt stattfinden
kann und nicht zum isolierten Zweck an die Peripherie verdammt
ist, wie in den USA, kann es sich spielerisch verschränken und
bereichern mit anderen Formen urbaner Kultur.
Herz der Innenstadt.
Stefan Herzberg nickt. "Wir sind
das Herz der Innenstadt. Allein in 36 Städten sind wir das
einzige Warenhaus", so der Karstadt-Chef. "Ohne uns würden viele
Einkaufsstraßen ihren Mittelpunkt verlieren." Zum Beispiel der
Bahnhofplatz in München. Direkt gegenüber dem Hauptbahnhof liegt
hier eines der Traditionshäuser von Karstadt. Rechts, links und
gegenüber mischen sich örtlicher Einzelhandel, überregionale
Ketten und Gastronomie. In der Maxvorstadt gelegen, bildet das
beinahe einen Straßenzug umgreifende Warenhaus eine urbane Brücke
vom Bahnhof zum Stachus, dem Beginn der Fußgängerzone. Vom
fünften Stock des Sandsteinbaus mit dem von einer mächtigen
Glaskuppel überwölbten Lichthof reicht der Blick über die Dächer
bis zur Marienkirche. Hans-Jürgen Gladasch genießt die
Innenstadtlage. Für den Herrn über Münchens Großkaufhaus ist das
Teil der Tradition von Karstadt, eine Stärke des Warenhauses,
durch die es umso mehr mit der Geschichte des Landes verschränkt
ist. Ob die Wirtschaft boomt oder Demonstrationen durch die
Straßen ziehen, alles spielt sich direkt vor der Tür ab. "Die
Zentren auf der grünen Wiese sind schon eine Konkurrenz für uns",
sagt Gladasch, "jedoch ein gänzlich anderes Geschäft. Die
Einkaufspassagen in der Innenstadt sind in qualitativer Hinsicht
eher eine Belebung. Sie sind ein weiterer Anziehungspunkt. Davon
profitieren wir und haben einen Ansporn, noch besser zu werden."
Mit 40.000 Quadratmetern Verkaufsfläche ist "Karstadt
Bahnhofplatz" eines der größten Warenhäuser der Gruppe. Platz
genug, um Nischen zu bedienen: Kinderwagen etwa gibt es in sonst
keinem Warenhaus in München. Den Fashion-Bereich hat Gladasch
bereits kräftig ausgedehnt. Statt 5.000 gibt es jetzt 7.000
Quadratmeter Damenmode, und auch die Herren haben 1.100
Quadratmeter hinzugewonnen. Damit liegt er auf Konzernkurs: Der
Anteil des Fashion-Bereichs am Sortiment der Karstadt-Häuser soll
bundesweit von 38 auf 47 Prozent steigen. Bei der Damenwäsche ist
Karstadt Bahnhofplatz sogar Marktführer; die
Damenwäsche-Abteilung ist die größte Europas. Um sein Angebot
noch besser auf die Kunden zuzuschneiden, veranstaltet Gladasch
Kundenforen. Eineinhalb Stunden werden Kunden bei Sekt und
Häppchen befragt: Was gefällt ihnen bei uns? Was fehlt?
Verlässlichkeit, gute Preisleistung, guter Service - diese Punkte
stehen immer ganz oben auf der Liste. "Das freut uns, denn
Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und gute Kommunikation gehören zu
der Basis unserer Unternehmensphilosophie." Freilich merkt er
auch: Es geht noch besser. Im vergangenen Winter etwa schlugen
die Befragten vor, Kundengarderoben einzuführen. Dabei gibt es
sie längst. "Nur haben wir das offenbar nicht gut genug
kommuniziert."
Um die Kommunikation mit dem Kunden zu verbessern, schickt
Gladasch seine Mitarbeiter regelmäßig zu Schulungen. Bevor die
Pforten öffnen, versammeln sich die Teams zu Besprechungsrunden:
Was liegt heute an? Was gibt es Neues? Worauf wollen wir
hinweisen? Die zehn goldenen Regeln für den Kundenkontakt haben
die 900 Verkäufer verinnerlicht. "Begrüße den Kunden wie einen
Gast", "rede gut über deine Ware" oder "vergiss niemals, dich zu
verabschieden" gehören dazu.
Kaufhaus der Mitte.
Sicher, die Zeiten sind
nicht leicht im Einzelhandel allgemein. Doch von einem Ende der
Warenhauskultur, das Experten durch die Konkurrenz der Malls und
innerstädtischen Zentren, durch die Ausbreitung des
Internethandels und den Trend zu wachsender Spezialisierung der
Einzelhandelslandschaft für möglich halten, kann er nichts
erkennen. "25.000 bis 30.000 Menschen besuchen unser Haus jeden
Tag, da kann man doch nicht sagen, dass das Warenhaus in der
Einzelhandelslandschaft keine Rolle mehr spielt." Natürlich weiß
Gladasch, dass es enger wird auf dem Markt. Mit 1,5 Quadratmetern
Einzelhandelsfläche pro Einwohner ist der Deutsche so umgarnt wie
sonst kein Bürger in Europa. "Doch bisher hat sich das Warenhaus
als stark genug erwiesen, in Krisen zu bestehen und dem
Verdrängungswettbewerb etwas entgegenzusetzen." Sie haben sich
behauptet, als Mitte der 70er der Boom der Discounter die
Kaufhäuser unter Druck setzte. Indem sie das Warenangebot weiter
differenzierten, schlichtere und noch günstigere Produkte ins
Sortiment aufnahmen. Sie haben sich behauptet, als der Markenboom
der 80er die Sammelsurien in den Warenhäusern weniger attraktiv
erscheinen ließ. Indem sie die Marken zu sich hineinholten und
mit Shop-in-Shop-Konzepten zu Moderatoren von Marken, zum
Marktplatz für Markenvielfalt mutierten.
Gladasch fühlt sich für die Krise gewappnet. Der Konzern
hat schon einige Umbauten hinter sich. Zuletzt 2005, als
Ex-Bertelsmann-Vorstand Thomas Middelhoff den Vorstandsvorsitz
der Karstadt-Quelle AG übernahm und den Konzern auf das
Kerngeschäft einschwor. Heute gehören noch 90 Karstadt-Häuser zu
Arcandor, Häuser ganz unterschiedlicher Größe und Ausrichtung.
Während das Berliner KaDeWe, das Hamburger Alsterhaus und das
Münchner Oberpollinger zur Premiumgruppe gezählt werden, sieht
Gladasch die Stärke seines Hauses vor allem in der "Tradition als
Kaufhaus der Mitte". "Wir orientieren uns in allen Bereichen an
den Bedürfnissen, Erwartungen und Gefühlen der Kunden. Wir wollen
Themeninitiator und Motor einer lebendigen Innenstadt sein."
Modenschauen, Autogrammstunden, Pianonachmittage gehören dazu.
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft und -Europameisterschaft
drängten sich die Besucher im Karstadt-Fußballstudio um Paul
Breitner, bei Talkrunden mit Edmund Stoiber, Günter Netzer oder
Klaus Augenthaler war die Etage gedrängt voller Gäste. Prominente
haben selbst die Schaufenster gestaltet. Uschi Glas, Uli Hoeneß,
Willi Bogner und viele mehr. Die Menschen standen um die
Schaufenster herum, diskutierten, lachten, tauschten sich aus.
"Das ist die Faszination des Warenhauses."
"Ich liebe Karstadt."
Eine Faszination, die noch lange nicht verblassen wird. Auch weil das Warenhaus, das gute, große jedenfalls, auch im Jahr 2009 den Menschen etwas bieten kann, das sie kaum woanders finden: Die Möglichkeit, in "alternative Welten zu schlüpfen, mit sich zu experimentieren", sagt Konsumforscher Ullrich, "sich hier ein Kleid überzustreifen, das man sonst nie wählen würde, sich dort einen Schmuck anzuschauen, auf den man lange sparen muss". Wieder wird das Warenhaus zum kulturellen Ort, zum Medium, in dem sich die Gesellschaft selbst erkennt. Gerade Karstadt weist über sich hinaus. Längst ist es zum Sinnbild für Deutschland geworden, untrennbar verbunden mit seinem politischen Aufstieg. Wenn die DDR-Bürger nach dem Fall der Mauer zuerst ins KaDeWe strömten, so lange, bis die Rolltreppen aus Sicherheitsgründen abgestellt werden mussten, ging es eben nicht nur ums Kaufen und Gucken. Sondern auch darum, die Bundesrepublik im Spiegel dieses Warentempels zu entdecken und zu spüren. Kaum jemand hat die Gefühle, die der Besuch im Warenhaus auslösen kann, so treffend beschrieben wie der deutsch-jüdische Publizist Henryk M. Broder 1987 in seinem Text "Ich liebe Karstadt": "Und jedes Mal, wenn ich nach Köln komme, um meine Mutter zu besuchen, renne ich als Erstes in die Karstadt-Lebensmittelabteilung und staune: Was für eine Ordnung! Was für eine Auswahl! Was für ein Ãœberfluss! Diese nicht enden wollenden Theken mit Käse, Wurst und Konserven! Wie geschmackvoll präsentiert! Und wie billig! Ich führe mich auf, wie die DDR-Deutschen, die zum ersten Mal ins KaDeWe am Ku ’damm gehen. Nach zwei, drei Tagen im Konsumrausch habe ich mich dann beruhigt, und statt die Bundesrepublik als eine Art großen Warenkorb zu betrachten, kann ich meine Aufmerksamkeit substanzielleren Dingen widmen."
Anja Dilk ist Autorin und Berliner Korrespondentin bei changeX.
Fotos:
Karstadt Warenhaus GmbH,
Bild Rolltreppen unter der Lichkuppel von
Peter Stumpf.
Kontakt:
Arcandor AG
Dr. Alexandra Hildebrandt
Leiterin Gesellschaftspolitik
Theodor-Althoff-Straße 2
D-45133 Essen
Tel.: +49 (0)201/727-96 62
Fax: +49 (0)201/727-69 96 62
alexandra.hildebrandt@arcandor.com
www.arcandor.com
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Anja DilkAnja Dilk ist Berliner Korrespondentin, Autorin und Redakteurin bei changeX.