Die besten Bücher 2008
Die besten Bücher des Jahres - ausgewählt von der changeX-Jury.
Stapel von Büchern haben wir in diesem Jahr wieder gesichtet und kritisch auf ihren Neuigkeitswert hin abgeklopft. Eine Vielzahl davon haben wir rezensiert oder mit den Autoren Interviews und Hintergrundgespräche geführt. Jetzt ist es Zeit, die besten zu küren. Die Mitglieder der changeX-Jury haben ihre Toptitel des Jahres 2008 gewählt. Es wurden 14. Zwei davon drängen sich auf Platz eins. / 12.12.08
1.
Phil Rosenzweig:
Der Halo-Effekt.
Wie Manager sich täuschen lassen.

Aus dem Amerikanischen von Nikolas Bertheau.
Gabal Verlag, Offenbach 2008,
280 Seiten, 24.90 Euro.
ISBN 978-3-89749-789-4
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1.
Muhammad Yunus:
Die Armut besiegen.
Das Programm des Friedensnobelpreisträgers.

Carl Hanser Verlag, München 2008,
311 Seiten, 19.90 Euro.
ISBN 978-3-446-41236-1
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3.
Nassim Nicholas Taleb:
Der Schwarze Schwan.
Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse.

Carl Hanser Verlag, München 2008,
435 Seiten, 24.90 Euro.
ISBN 978-3-446-41568-3
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4.
Jagdish Bhagwati
Verteidigung der Globalisierung.
Pantheon Verlag, München 2008,
524 Seiten, 17.90 Euro.
ISBN 978-3-570-55070-0
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5.
George Kohlrieser:
Gefangen am runden Tisch.
Klarheit schaffen, entschlossen verhandeln, Leistung freisetzen.

Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2008,
317 Seiten, 29.90 Euro.
ISBN 978-3-527-50349-0
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6.
Dan Ariely:
Denken hilft zwar, nützt aber nichts.
Warum wir immer wieder unvernünftige Entscheidungen treffen.

Droemer Knaur, München 2008,
320 Seiten, 19.95 Euro.
ISBN 978-3-426-27429-3
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7.
Joachim Bauer:
Das kooperative Gen.
Abschied vom Darwinismus.

Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2008,
223 Seiten, 19.95 Euro.
ISBN 978-3-455-50085-1
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8.
Sandra Mitchell:
Komplexitäten.
Warum wir erst jetzt anfangen, die Welt zu verstehen.

Suhrkamp Verlag: edition unseld, Frankfurt am Main 2008,
174 Seiten, 10 Euro.
ISBN 978-3-518-26001-2
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9.
Winfried W. Weber:
Complicate Your Life.
Verlag Sordon, Göttingen 2007,
190 Seiten, 19.90 Euro.
ISBN 3-9810228-15
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10.
Timothy Ferriss:
Die 4-Stunden-Woche.
Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Leben.
Econ Verlag, Berlin 2008,
352 Seiten, 16.90 Euro.
ISBN 978-3-430-20051-6
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11.
Holm Friebe / Thomas Ramge:
Marke Eigenbau.
Der Aufstand der Massen gegen die Massenproduktion.

Campus Verlag, Frankfurt am Main 2008,
288 Seiten, 19.90 Euro.
ISBN 987-3-593-38675-1
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12.
Kathrin Passig / Sascha Lobo:
Dinge geregelt kriegen - ohne einen Funken Selbstdisziplin.
Rowohlt Verlag, Hamburg 2008,
288 Seiten, 19.90 Euro.
ISBN 978-3-87134-619-4
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13.
Sonja Lyubomirsky:
Glücklich sein.
Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben.

Campus Verlag, Frankfurt 2008,
355 Seiten, 19.90 Euro.
ISBN 978-3-593-38527-3
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14.
Harold L. Sirkin / James W. Hemerling / Arindam K. Bhattacharya:
Globality.
Competing with Everyone from Everywhere for Everything.

Business Plus, New York / Boston 2008,
304 Seiten, 17.62 Euro.
ISBN 978-0-446-17829-7
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Die Jury
Sie haben die changeX-Bücher des Jahres ausgewählt: Anja Dilk ist Autorin und Berliner Korrespondentin für changeX. Gundula Englisch, Journalistin, Autorin und Filmemacherin, arbeitet als freie Redakteurin für changeX. Peter Felixberger ist Publizist und Koordinator bei Culture Counts. Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX. Annegret Nill ist Journalistin in Berlin und schreibt als freie Autorin für changeX. Als Gast wirkte Britta Kroker mit; sie ist Geschäftsführerin des Online-Buchhändlers Managementbuch.de. Winfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer bei changeX.
Die Wertung
Die drei besten Titel und einen Joker – das war die Maßgabe, mit der sich die Juroren an die Auswahl und Bewertung der Bücher des Jahres 2008 machten, subjektiv und jede(r) für sich. Aus ihrer Wertung ergab sich ein Ranking der changeX-Bücher des Jahres. Der Joker schließlich war für eine Wertung außer Konkurrenz reserviert, für einen Geschenktipp oder ein Buch, das man am Ende Jahres noch einmal in den Lichtkegel der Aufmerksamkeit heben wollte. Hier die Wertung unserer Jurymitglieder:

 

Anja Dilk: Die Komplexität des Lebens in den Blick nehmen
Anja DilkVielleicht hat schon Anfang des Jahres mancher geahnt, dass es Ende des Jahres dicke kommen werde. So jedenfalls könnte man es interpretieren, wenn man über Bücher stolpert, die mahnen, die Komplexität des Lebens mehr in den Blick zu nehmen wie die Publikation von Winfried Weber. Die daran erinnern, dass Wirtschaften auch, verdammt noch mal, anders funktionieren kann. Wie die Bücher von Muhammad Yunus oder Hannes Koch über Sozialunternehmertum. Oder wie das Werk des Engländers Phil Rosenzweig, der daran erinnert: So einfach ist das nicht mit dem Erfolg. Oft sind erfolgreiche Unternehmen keinen Deut besser als erfolglose. Es kommt uns nur so vor, weil sie eben gerade mal Erfolg haben. Ein ungewöhnlicher Blick auf die Wirtschaft, ein wichtiger erst recht in Zeiten der Krise. Deshalb ist das auch meine Nummer eins.

Nr. 1: Der Halo-Effekt. Wie Manager sich täuschen lassen – von Phil Rosenzweig
Das ist wie in der Schule: Dem guten Mathe- und Deutschschüler unterstellen die Lehrer, dass er auch in Erdkunde und Englisch prima ist. Dem schlechten traut man generell nichts zu. „Halo-Effekt “ nannte das in den 20er-Jahren der Psychologe Edward Thorndike und bis heute kann man diesen Effekt überall beobachten. Nur schaut keiner hin. In Wirtschaft, Politik oder Wissenschaft gibt es ihn nämlich genauso wie im Klassenzimmer. Insofern müssen wir über Erfolg von Unternehmen ganz anders nachdenken. Denn meist haben sich Unternehmen überhaupt nicht verändert, wenn ihr Erfolg wächst oder nachlässt. Sondern wir selbst ändern die Zuschreibungen, die wir aus ihrer Leistung ableiten. Und stricken daraus verschwiemelte Rezepte. Es tut gut, dass ein renommierter Management-Professor wie Rosenzweig hier kein Blatt vor den Mund nimmt, sondern sagt: In die Tonne mit den Tipps. Wirtschaft ist unsicher, riskant, absolut rezeptresistent.

Nr. 2: Das kooperative Gen. Abschied vom Darwinismus – von Joachim Bauer
Es ist so wohltuend, wenn einer kommt, um mit jahrzehntelang eingefahrenen Sichtweisen aufzuräumen. Joachim Bauer schafft es auf wunderbar lesbare Weise, auch dem Laien die neuen Erkenntnisse der Biologie aufzutischen. Zeigt, dass wir uns in vielen Punkten verabschieden müssen vom guten alten Darwin. Von unserer Vorstellung egoistischer, unveränderlicher, miteinander streitender Gene. In Wahrheit sind sie auf Kooperation gepolt. Kommunikativ und kreativ passen sie sich an veränderte Bedingungen an und können sich dabei selbst verändern. Und das hat gesellschaftspolitische Implikationen für uns. Joachim Bauer verdient, mit seinem Anliegen gehört zu werden: Dass wir auch neurobiologisch nicht dafür gemacht sind, uns in der Wirtschaftswelt und im gesellschaftlichen Miteinander gegenseitig zu zerfleischen.

Nr. 3: Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben – von Sonja Lyubomirsky
Ratgeber in Sachen Glück sind ebenso quälend wie Rezeptbücher in Sachen Work-Life-Balance. Gut, dass dies kein Ratgeber ist. Jedenfalls kein gewöhnlicher. Da hat sich eine Wissenschaftlerin, die amerikanische Psychologin Sonja Lyubomirsky, einfach mal hingesetzt und aufgeschrieben, was aus Forschungssicht Bausteine für ein glückliches Leben sind. Das macht Spaß. Und nützt. Entscheidende Botschaft: Glück ist lernbar. Weil letztlich die eigene Haltung über das Glücksempfinden entscheidet. Ein unaufgeregt positives Buch 2008.

Joker: ÖKO. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich – von Peter Unfried
Natürlich, die Welt erfindet Peter Unfried nicht neu. Will er auch gar nicht. Aber der stellvertretende taz-Boss bringt alle wichtigen Aspekte, Ecken und Kanten auf der Suche nach einem modernen ökokompatiblen Leben sehr schön auf den Punkt. Es ist ein Vergnügen, Unfried zu folgen auf seiner Suche nach einem Weg in ein Leben in Saus und Braus. Ein Leben, das schon bald komplett mit erneuerbaren Energien funktionieren wird, ein Leben, das sich eben hierin vom bloßen Öko-Lifestyle der Lohas-Welt dezidiert unterscheidet. Denn eines ist jetzt klar wie nie zuvor: Das Öko-Klima-Energie-Thema wird die Gretchenfrage der Zukunft sein. Und der nähert es sich doch wesentlich angenehmer mit fröhlichem, selbstironisch-klugem Blick als in Jesuslatschen und mit Sorgenfalten.

Anja Dilk ist Berliner Korrespondentin und Autorin bei changeX.

 

Gundula Englisch: Das Leben reicher, friedlicher und freundlicher machen
Gundula EnglischIm Finanz- und Wirtschaftskrisenjahr 2008 empfehle ich vier gedruckte Antidepressiva, die den düsteren Blick auf die Weltlage aufhellen und Mut zum Aufbruch machen. Diese Bücher geben überzeugend klare und praktikable Antworten darauf, wie es gelingen kann, das Leben reicher, friedlicher und freundlicher zu machen: erstens durch die Fusion von Unternehmertum und sozialen Zielen (Yunus), zweitens durch eine gezielte Verstärkung der sozialen Globalisierungseffekte (Bhagwati), drittens durch Lernen von den aufsteigenden Unternehmen in Schwellenländern und viertens, ganz persönlich, durch den besonnenen, kooperativen Umgang mit Konflikten (Kohlrieser).

Nr. 1: Die Armut besiegen – von Muhammad Yunus
Die Vision des Friedensnobelpreisträgers ist wegweisend, klar und überzeugend. Eine Welt ohne Armut ist möglich. Sozialunternehmen handeln wirtschaftlich und karitativ zugleich und schaffen kreative und effiziente Lösungen für soziale Probleme. Warum sollte der Wunsch, etwas Besonderes für die Menschheit zu leisten, nicht ein ebenso starker Antrieb sein wie das Gewinnstreben? Warum sollte die Maximierung des sozialen Wohlergehens nicht ebenso verlockend sein wie die Maximierung des Profits? Warum sollte unternehmerisches Denken in der Welt der Armen nicht die gleiche Innovationskraft entwickeln wie bei den Wohlhabenden? Yunus' kühnes Szenario einer Wirtschaft, die dem Menschen dient, entfaltet eine Anziehungskraft, der man sich nicht entziehen kann.

Nr. 2: Verteidigung der Globalisierung – von Jagdish Bhagwati
Der indische Ökonom belegt gründlich, dass nicht der freie Welthandel das Problem ist, sondern die falschen und oftmals verdeckten Kontroll- und Steuermaßnahmen. Wie aber lässt sich die Globalisierung noch verbessern und vor allem von wem? Von internationalen Organisationen, die auf Vielfalt setzen, statt Machtasymmetrien stillschweigend zu tolerieren. Von Unternehmen, die dem hohen Wettbewerbsdruck mit frischen Ideen Paroli bieten, statt mit der Brechstange der Profitmaximierung. Und von einer Politik, welche die Chancen der Globalisierung durch Innovations- und Bildungsförderung mit offenen Armen begrüßt, statt sie mit Sanktionen und Handelsbeschränkungen abzuwehren. Die Zeit ist überreif für solche Einsichten.

Nr. 3: Globality. Competing with Everyone from Everywhere for Everything – von Harold L. Sirkin, James W. Hemerling und Arindam K. Bhattacharya
Globalität heißt, dass künftig jeder mit jedem überall im Wettbewerb um alles ist. Offenheit statt Abgrenzung, Polyzentrismus statt Hierarchie, Vielfalt statt Standardisierung – mit diesem neuen Takt des Weltmarkts sind die meisten etablierten Unternehmen nicht halb so vertraut wie die jungen Wilden aus den Schwellenländern. Deshalb lautet die Botschaft an die westliche Welt: Radikal umdenken und von den neuen Herausforderern lernen, damit wir alle ein breiteres und tieferes Verständnis unseres Geschäfts, unserer Firma und unserer selbst entwickeln. Globalität meint eben auch, dass es jede Menge Chancen gibt: für jeden, überall und für alles.

Joker: Gefangen am runden Tisch – von George Kohlrieser
Der weltweit bekannte Geiselexperte übersetzt seine Erfahrung als Verhandlungsführer in den Alltag und schildert spannend und berührend, auf was es beim gelingenden Miteinander in schwierigen Situationen ankommt: auf die Kunst, sich nicht zum ohnmächtigen Objekt degradieren zu lassen, den Kontrahenten als Menschen zu respektieren und ihn einzubinden. Das urmenschliche Bedürfnis nach Nähe ist nämlich die beste Lebensversicherung, die uns die Natur in die Wiege gelegt hat. Dies ist einer der wenigen Ratgeber, die man mit dem Gefühl zuklappt, brauchbares Rüstzeug für die kleinen und großen Krisen des Berufs- und Privatlebens erhalten zu haben.

Gundula Englisch, Journalistin, Autorin und Filmemacherin, arbeitet als freie Redakteurin für changeX.

 

Peter Felixberger: Auf dem Boden der Realität gelandet
Peter Felixberger2008 sind wir auf dem Boden der Realität gelandet: Erfolg ist nicht planbar. Misserfolg nicht vermeidbar. Was tun? Es bleibt nur: Handeln.

Nr. 1: Der Schwarze Schwan. Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse – von Nassim Nicholas Taleb
Warum sind wir blind gegenüber dem Zufall? Taleb gibt unbequeme Antworten: Wir denken erstens viel weniger, als wir glauben. Und wir verschwenden zweitens beim Nachdenken unsere Energie aufs Nebensächliche. Fazit: Es gibt keine Erfolgsplanung. Es gibt nur ein Ausprobieren und einige wenige Gelegenheiten beim Schopf zu packen.

Nr. 2: Der Halo-Effekt. Wie Manager sich täuschen lassen – von Phil Rosenzweig
Warum sind manche Unternehmen erfolgreicher als andere? Keine Ahnung, antwortet Management-Professor Phil Rosenzweig. Er warnt vor Binsenweisheiten, althergebrachten Patentrezepten und Klischees, die uns Berater, Analysten und Journalisten täglich auftischen. Dauerhafter Erfolg ist eine Illusion.

Nr. 3: Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin – von Kathrin Passig und Sascha Lobo
Der Lifestyle Of Bad Organization, kurz Lobo, ist das Gegenteil dessen, was Nutzenmaximierer und Ordnungsfetischisten wollen. Die Kernthese lautet: Alles Machbare lässt sich aufschieben, sogar das Unumgängliche kann man getrost unterlassen. Das ist eine Wohltat in der Flut von How-to-do-Ratgebern mit Glücksversprechen aller Art: Einmal muss man sich nicht verbessern und optimieren. Im Gegenteil: „Schieb dein Unglück auf die lange Bank! “, das ist das Mantra der neuen Effizienzverweigerer.

Joker: So leben wir jetzt. Künstler, Dichter, Denker zur Lage der Welt – Die Ausgabe 81 von Lettre International
So leben wir jetzt, die Ausgabe 81 von Lettre International ist prall gefüllt mit einzigartigen Fundstücken in Text und Bild, an denen man sich nicht sattlesen und -sehen mag. Fragmentarisch und global, punktuell und raumgreifend, sondierend und flächendeckend, so konstruiert das Buch heutige Lebensumstände und weltgesellschaftliche Zustände – eine unbedingte Empfehlung zum Ausbalancieren des eigenen Unglücks und Glücks.

Peter Felixberger ist Publizist und Koordinator bei Culture Counts.

 

Florian Michl: Grenzgang zwischen Wissen und Nichtwissen
Florian MichlDie besten Bücher 2008 – das ist für mich ein Grenzgang zwischen Wissen und Nichtwissen. Zwischen Bewusstsein und Unbewusstsein. Zwischen Zufall und Strategie. Dazu sind nicht nur auffallend viele Titel erschienen, sondern auch ausgezeichnet gute. Sie durchbrechen Denkbarrieren, machen verborgene Zusammenhänge sichtbar, lassen Ideen entstehen. Damit glaube ich den Entwicklungen der vergangenen Monate Rechnung zu tragen.

Nr. 1: Der Schwarze Schwan. Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse – von Nassim Nicholas Taleb
Der Schwarze Schwan. So nennt Taleb Ereignisse, mit denen kein Mensch rechnet – die im Leben aber Geschichte schreiben. Hier ist es wieder: das wertvolle Wissen vom Nichtwissen. Da könnte man meinen, nach beinahe 2.500 Jahren müsste es gewachsen sein. Mitnichten: Demut und weniger Selbstgefälligkeit finden sich bei keinem unserer Experten. Ihnen sei das Buch empfohlen! Aber auch jenen, die einen Genuss im Verlassen breit getrampelter Denkpfade sehen und die mit Vergnügen in das Unbekannte und Unberechenbare eindringen. Dort liegen die Antworten.

Nr. 2: Complicate Your Life – von Winfried W. Weber
Hier stellt ein Autor einen fundamentalen Grundsatz unserer Gesellschaft auf den Kopf: Zuerst denken, dann handeln – wie oft haben wir das zu hören bekommen, und verinnerlicht. Weber sagt: Zuerst handeln, dann denken. Das hat mich umgehauen. Und überzeugt: Wenn eine Welt so komplex ist, dass man sie nicht mehr überschauen kann, weil das Denken an seine Grenzen stößt, ja, dann hilft nur mehr ausprobieren. Schritt für Schritt. Hier ist das kreative Potenzial versteckt. Kinder tun es einfach. Wir lesen mal Weber.

Nr. 3: Verteidigung der Globalisierung – von Jagdish Bhagwati
Nein, die Globalisierung der Märkte ist gut. Trotz Finanzkrise. Wer nicht weiß, warum, für den hat der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Jagdish Bhagwati ein umfassendes Buch geschrieben. Darin ergibt sich der globale Zusammenhang aus vielen Details, vielen Perspektiven und wenig Schwarz-Weiß-Malerei. Ein Grundlagenwerk.

Joker: Komplexitäten. Warum wir erst jetzt anfangen, die Welt zu verstehen – von Sandra Mitchell
Die Welt verstehen? Ist das möglich? Nein, aber wir können damit beginnen. Indem wir Sandra Mitchell lesen. Denn noch nie hat eine Autorin so klar einen komplexen Sachverhalt dargestellt. Hier: die Komplexität des Lebens. Also, wenn nicht jetzt, wann dann? Das ist die Draufgabe 2008.

Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.

 

Annegret Nill: Goodbye Einförmigkeit
Annegret NillKeine einfache Entscheidung. Lange habe ich überlegt, ob ich Sandra Mitchells Komplexitäten oder Joachim Bauers kooperativem Gen den Vorzug geben soll, ebenso lagen Holm Friebe und Thomas Ramge lange gleichauf mit Günter Faltins Anleitung zur Unternehmensgründung. Letztlich habe ich mich dann für die beiden Bücher mit dem breiteren Ansatz entschieden. Unangefochten aber mein Favorit: Muhammad Yunus.

Nr. 1: Die Armut besiegen – von Muhammad Yunus
Es steht für eine neue soziale Bewegung, die nun auch in Deutschland ankommt und sowohl den Menschen als auch die Wirtschaft neu denkt – und das Zusammenspiel von beiden. Der Mensch ist nicht mehr der einseitige Homo oeconomicus, der seine Kapitalinteressen verfolgt. Er ist auch nicht dazu da, die Wirtschaftskraft des Landes, des Konzerns et cetera zu stärken. Yunus dreht diese Vorstellung einfach um: Bei ihm stärkt die Wirtschaft den Menschen, der so erst seine Vielschichtigkeit entwickeln kann. Noch Wunschvorstellung? Vielleicht. Aber auch eine gute Antwort auf die derzeitige Krise.

Nr. 2: Komplexitäten. Warum wir erst jetzt anfangen, die Welt zu verstehen – von Sandra Mitchell
Sie pusht eine neue Sicht auch in der Wissenschaft. Abschied von Linearität, Öffnung zur (Methoden-)Pluralität und zur Wahrnehmung komplexer Muster. Nicht nur der Mensch ist vielschichtig und komplex – auch die Lebenswelt, in der er sich befindet, ist es.

Nr. 3: Marke Eigenbau. Der Aufstand der Massen gegen die Massenproduktion – von Holm Friebe und Thomas Ramge
Die Menschen bedienen sich der Wirtschaftsstrukturen und basteln an ihren eigenen Netzwerken. Goodbye Einförmigkeit auch hier: Jeder bestimmt selbst über seine Konsumgüter und die Warenwelt, mit der er sich umgibt; jeder schafft seine eigenen Produkte.

Joker: Dinge geregelt kriegen ohne einen Funken Selbstdisziplin – von Kathrin Passig und Sascha Lobo
Meterweise erhältliche Ordnungsratgeber versprechen, endlich aufgeräumt zu leben. Kathrin Passig und Sascha Lobo halten dagegen: Der Hang, Dinge aufzuschieben, ist zutiefst menschlich. Ihr Rezept ist: Ausbauen, was man gut kann und von sich aus gerne tut. Und das andere auf ein möglichst geringes Maß begrenzen. Klingt verlockend.

Annegret Nill ist Journalistin in Berlin und schreibt als freie Autorin für changeX.

 

Britta Kroker: Wertvolle Einsichten zur Lösung von Konflikten
Britta KrokerBesten Dank an changeX für die Einladung in die Jury! Da mache ich gerne mit. Mein Favorit ist George Kohlrieser. Sein Buch erhielt von Managementbuch.de die Auszeichnung "Bestes Managementbuch 2008".

 

Nr. 1: Gefangen am runden Tisch – von George Kohlrieser
Ein außergewöhnliches Buch zur Lösung von Konflikten. Die Perspektive ist, überraschend und produktiv, die eines renommierten Psychologen und Geiselexperten. George Kohlrieser hat festgestellt, dass auch ganz alltägliche Konfliktsituationen nach ähnlichen Mustern wie Geiselnahmen ablaufen. Und dass hier wie dort die gleichen Regeln gelten, um emotionale und mentale Freiheit zu erlangen. Gefangen am runden Tisch bietet wertvolle Einsichten und Anleitungen zur Lösung von Konflikten.

Nr. 2: Denken hilft zwar, nützt aber nichts – von Dan Ariely
Was MIT-Professor Dan Ariely hier an Experimenten und Wissen auftischt, ist eine Goldgrube für alle, die Angebote und Preise erstellen. „Verhaltensökonomik “ heißt das Forschungsgebiet, das uns lehrt, warum wir fast durchdrehen, wenn irgendwo „Gratis “ draufsteht. Warum wir null Kalorien viel besser finden als eine Kalorie (obwohl das absoluter Quatsch ist). Und warum wir manche Dinge gern tun – solange wir nicht dafür bezahlt werden. Ein hervorragendes Buch, weil es wissenschaftlich fundiert mit hohem Unterhaltungsfaktor viel praktischen Nutzwert bietet.

Nr. 3: Die 4-Stunden-Woche – von Timothy Ferriss
Das Mutmacherbuch des Jahres. Von einem Jungspund, der viel Geld mit seinem Unternehmen gemacht und dafür Tag und Nacht geschuftet hat. Von einem, der dann den Sprung ins Leben gewagt hat, um die verrücktesten Dinge anzufangen und auch durchzuziehen. Seine Message: Konzentriere dich auf die wichtigen Dinge im Leben. Wenn dich der Bürojob umbringt, reduziere die Zeit im Büro so weit wie möglich und fange Schritt für Schritt ein neues, selbstbestimmtes Leben an. Eine sehr gute Anleitung, wild und gefährlich zu leben.

Joker: Der Schwarze Schwan – von Nassim Nicholas Taleb
Er ist Trader. Er ist Philosoph. Er ist Statistiker. Der im Libanon geborene Nassim Nicholas Taleb ist einer der schärfsten Wall-Street-Kritiker (was ihn nicht davon abhält, als Trader Kasse zu machen) und wettert gegen alle, die vorgeben, irgendetwas sicher zu wissen. Als Spezialist für „das höchst unwahrscheinliche folgenschwere Ereignis “ legte er mit Der Schwarze Schwan eines der brillantesten Wirtschaftsbücher 2008 vor. Eine inspirierende Reise in die Welt der Philosophie, ein respektloser Blick auf allzu einfache Erklärungen der Welt. Und eine Einladung an alle, neue Denkwege zu beschreiten.

Britta Kroker ist Geschäftsführerin des Online-Buchhändlers Managementbuch.de.

 

Winfried Kretschmer: An der Sicherheit unseres Weltverständnisses rütteln
Irgendwie scheinen die Spitzentitel dieses Jahres auf die Lage der Welt zu passen. Oder sind sie eben darum zu Toptiteln geworden? Schon sind wir mittendrin im Vexierspiel um unsere Konstruktion von Realität, die wir nur zu gern mit dieser verwechseln. Und nicht begreifen, was sie ist: eine Hilfskonstruktion zur Welterklärung, die sich indes immer wieder als unzureichend erweist. Meine drei besten Bücher des Jahres 2008 sind solche, die an der scheinbaren Sicherheit unseres Weltverständnisses rütteln. Und die neue Perspektiven eröffnen.

 

Nr. 1: Der Halo-Effekt. Wie Manager sich täuschen lassen – von Phil Rosenzweig
Phil Rosenzweig ist der Mythen-Zertrümmerer des Jahres. Furios, wie er sich die Erfolgsbestseller der Managementliteratur vorknöpft und ihnen nachweist, dass sie einem fatalen Missverständnis aufsitzen. Und die Folge von Erfolg mit dessen Ursache verwechseln. Kurzum: Dauerhafter Erfolg ist eine Illusion. Es gibt keine Erfolgsrezepte. Unternehmerisches Handeln ist immer Handeln unter Unsicherheit.

Nr. 2: Die Armut besiegen – von Muhammad Yunus
Als Ökonom zerstört Muhammad Yunus das alte Paradigma der Wirtschaftswissenschaft, als Unternehmer kreiert er ein neues Handlungsmodell, das diesem neuen Bild des ökonomischen Menschen entspricht. Yunus sagt: Der Mensch ist nicht der Gewinnmaximierer, als den ihn die klassische Ökonomie modelliert hatte; er ist ein mehrdimensionales Wesen. Gewinn ist für ihn nicht alles, für ihn zählen auch Anerkennung, Werte, Zusammenarbeit, Liebe. Also müssen Unternehmen nicht notwendig auf Gewinnmaximierung angelegt sein, sondern können auch immateriellen Nutzen mehren: als Sozialunternehmen. Als Social Business. Eine große Vision!

Nr. 3: Der Schwarze Schwan. Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse – von Nassim Nicholas Taleb
Zum Beispiel die Finanzkrise. Schwarze Schwäne nennt Nassim Nicholas Taleb solche unvorhergesehenen Ereignisse jenseits des Erwartungshorizonts. Ereignisse, die vor Augen führen, dass die Welt nicht so berechenbar ist, wie wir meinen. Sondern grundsätzlich unkalkulierbar. Taleb hat recht: Wir sind blind gegenüber dem Zufall, denken zu wenig und wissen fast nichts. Da bleibt nur Ausprobieren: Handeln unter Unsicherheit.

Joker: Denken hilft zwar, nützt aber nichts – von Dan Ariely
Es ist herzerfrischend, wie der MIT-Professor Dan Ariely Ökonomie neu definiert: als experimentelle Wissenschaft, die den wirklichen Motiven menschlichen Verhaltens auf die Spur zu kommen sucht. Dabei scheint es nichts zu geben, was unter Arielys Forscherdrang nicht zum Experiment wird. Er veranstaltet Auktionen und Bierproben, verleitet Studenten zum Schummeln und verteilt in den Kühlschränken der Studentenwohnheime nachts Cola-Dosen, um zu sehen, ob sie am nächsten Tag noch da sind. So gewinnt er ein neues Bild des ökonomischen Menschen, das sehr nah dran ist an den Schwächen, Unzulänglichkeiten und Irrungen, denen unsere Spezies natürlicherweise unterliegt. Lesetipp.

Winfried Kretschmer ist leitender Redakteur und Geschäftsführer bei changeX.

© changeX [12.12.2008] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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