Auch eine Geldfrage.
"Ich kann gut abschalten", zitiert
Norbert den Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der in der
Revision des sogenannten Mannesmann-Prozesses mit symbolträchtig
gespreiztem Mittel- und Zeigefinger abgelichtet wurde, gegen
Einstellung des Verfahrens 3,2 Millionen Euro zahlen musste und
der Öffentlichkeit mit "V wie 'Verdammt, die können uns alle
mal'" in unguter Erinnerung geblieben ist - als Prototyp des
arroganten Topmanagers. Allein 2007 bekam er geschätzte 14
Millionen Euro an Gehalt, Boni und Aktienoptionen - eine Summe,
für die einer seiner normalen Angestellten 350 Jahre lang
arbeiten müsste.
Für den Autor ist der Bezug exorbitanter Managergehälter
schlichtweg charakterlos. Nicht nur weil zugleich Hunderttausende
von Arbeitsplätzen abgebaut und langfristige Planungen
kurzsichtigen Gewinnprognosen geopfert würden. Sondern auch weil
immer mehr Wirtschaftsführer sich über geltendes Recht
hinwegsetzten oder Rechtsverstöße wie Korruption (Siemens),
Bespitzelung (Telekom, Lidl) und Subventionserschleichung (Nokia
in Bochum) duldeten. "So weiden die Charakterlosen die
Gesellschaft immer weiter aus, mit jeder weiteren
Umsatzmilliarde, mit jedem ihr abgepressten Prozentpunkt
Gewinnzuwachs. Sie vergehen sich an den Menschen von heute und
mit den Folgen ihres Tuns sogar noch an deren Kindern, den
Menschen von morgen." Der Grund: Verantwortungslose Topmanager
brauchen nicht langfristig zu denken, kritisiert Norbert, bis zum
nächsten Quartalsbericht reiche völlig aus. Wenn das Salär dann
noch an das Geschäftsergebnis gekoppelt sei, brauche man nach
menschenfreundlichen Entscheidungen nicht mehr zu fragen.
"Charakter wird zur Nebensache."
Appell an jeden Einzelnen.
Dass eine Gesellschaft sich mit dem verengten Blick von Profitmaximierung nicht abzufinden bereit ist, sieht der Autor nicht als Utopie. Die Ära der 68er samt ihrer Wirkung in alle Lebensbereiche hinein, wertet er als Beleg dafür: "Mehr gesellschaftliche, kulturelle und politische Veränderungen auf einen Streich hat es im Westen der Welt nie gegeben." Zwar sei der Schwung zwischenzeitlich kleingeistigem "Geiz ist geil" und vorwurfsvollem "Du bist Deutschland" gewichen. Doch Norbert prognostiziert für die Zukunft einen "Sturmangriff der Individuen auf die Unfreiheit". Ein Wandel in Richtung gesellschaftlicher Verantwortung stehe auf allen Ebenen an, nicht nur auf der Führungsebene. Eine charaktervolle Wirtschaftsweise - von Geschäftsführung über Mitarbeiter und Kunden bis hin zum Staat - ist für Norbert kein Wunschtraum, sondern wünschenswerte Realität. "Das Streben nach Entfaltung des eigenen Charakters, um durch selbstbestimmte, mutige Existenz einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, und sei er noch so klein, muss nicht Individualisten oder Heiligen vorbehalten bleiben. Aufrecht durchs Leben gehen ist das größte Abenteuer des Individuums, ein gefährliches und nervenaufreibendes, ein erfüllendes und beglückendes: eine Herausforderung, der man sich stellen muss. Jeden Tag aufs Neue." Ausgehend von der Wirklichkeit ist auch Norberts Buch ein richtungsweisender Beitrag, eine Herausforderung und ein Appell an jeden Einzelnen. Ein Buch, das seine Botschaft nicht nur verkündet, sondern ist: ein Buch mit Charakter.
Sascha Hellmann ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Klaus Norbert:
Rohstoff Charakter.
Warum Rückgrat entscheidend ist für Profit und Erfolg.
Verlag Redline Wirtschaft, München 2008,
276 Seiten, 24.90 Euro.
ISBN 978-3-636-01493-1
www.redline-verlag.de/artikel-RohstoffCharakter.html
www.redline-wirtschaft.de
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Klaus Norbert: Rohstoff Charakter. . Warum Rückgrat entscheidend ist für Profit und Erfolg. . Verlag Redline Wirtschaft, München 1900, 276 Seiten, ISBN 978-3-636-01493-1
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Sascha HellmannSascha Hellmann ist freier Journalist in Heidelberg. Er arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.