Kommunikation statt Körperkraft.
Die gute Nachricht aber ist:
Perfektionismus ist ein Verhalten, das man sich angewöhnt hat -
Perfektionisten können sich also auch wieder entwöhnen. Das
jedoch ist nicht leicht. Denn die meisten perfektionistischen
Verhaltensweisen sind im Berufsalltag positiv belegt und sogar
erwünscht. "Züge wie Strebsamkeit, Ehrgeiz, Kampfgeist,
Ordnungssinn oder Organisationsvermögen" zum Beispiel, sagt
Janson. Wer diese besitzt, macht Karriere, heißt es. Warum also
davon abkommen? Weil es eine Lüge ist, sagt Janson. Denn sobald
Stress den Arbeitsalltag beherrscht, "schüttet der Körper nicht
nur Stresshormone aus", sondern "beschleunigt auch die Atmung,
durchblutet die Muskeln besser und setzt zusätzliche Energie aus
den Zuckervorräten der Leber frei". Es sind Prozesse, die auf
eine große Körperkraft zielen - wichtig in der Steinzeit, störend
im Berufsalltag heute: "Denn heute ist, wer Erfolg haben will,
weniger auf seine Körperkraft angewiesen als vielmehr auf seine
kommunikativen Fähigkeiten und sein Vermögen, langfristige
strategische Entscheidungen zu treffen."
Der "Stressmodus" verhindere aber genau das, so Janson. Wer
nun glaubt, das sei ein Freibrief zum Faulenzen und
Schlampigsein, der täuscht sich. Die Autorin bejaht durchaus
Strebsamkeit, aber ohne stur an hohen Erwartungen festzuhalten
oder sich gedanklich an unlösbaren Problemen festzubeißen. Auch
Ordnungssinn bejaht sie, solange die Arbeitszeit nicht mit
Pedanterie verschwendet wird, Zeit kostet und damit unnötigen
Stress verursacht. Damit verortet sie die Lösung in einer
differenzierten Sichtweise auf die Abläufe des Arbeitsalltags.
Und benennt gleichzeitig das Problem perfektionistisch
veranlagter Menschen: Sie denken in Schwarz-Weiß-Kategorien und
folgen nur dem einen Grundsatz: alles oder nichts. Eine Vielfalt
der Perspektiven ist ihnen fremd.
Habe Mut!
Derweil reiche es völlig, die
eigene Messlatte ein paar Zentimeter tiefer zu legen, um mit
weniger Aufwand dennoch weiterhin gute Leistung zu erzielen, sagt
Janson. Gleichzeitig müsse es das Ziel sein, das Diktat des
Null-Fehler-Dogmas abzuschütteln: Denn "wer der
Vermeidungsstrategie folgt, vermeidet es auch, jene wichtigen
Entscheidungen zu treffen, die für das persönliche Vorankommen,
aber auch für die gesamte Wirtschaft wichtig sind", schreibt
Janson. Zudem bleibe so Energie und Zeit, die nebenbei in die
eigene Selbstdarstellung investiert werden könne, um der Karriere
den entscheidenden Kick zu geben.
Trau dich, mach Fehler und steh dazu! Sei kritikfähig! Lass
nicht die Angst vor Fehlern den Motor deiner Handlungen sein,
sondern die Freude an der Arbeit! Das sind die Botschaften von
Simone Janson an die Perfektionisten dieser Welt. Aber nicht nur
an sie - an alle: Mit diesem Buch kommt wieder die Freude an der
Arbeit zurück, weil es deren kreativen und produktiven Aspekt in
den Mittelpunkt stellt.
Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Simone Janson:
Die 110%-Lüge.
Wie Sie mit weniger Perfektion mehr erreichen.
Redline Wirtschaft, München 2009,
208 Seiten, 17.90 Euro.
ISBN 978-3-86881-027-1
www.redline-verlag.de/artikel-Die110-%25-Luege.html
www.redline-wirtschaft.de
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Zum Buch
Simone Janson: Die 110%-Lüge. Wie Sie mit weniger Perfektion mehr erreichen. REDLINE WIRTSCHAFT, München 2009, 208 Seiten, ISBN 978-3-86881-027-1
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