Kraft, sonst nichts.
Begonnen hat es so: Mit zehn Jahren
bricht sich Werner Kieser den linken Unterarm. Nach vier Wochen
beim Fußballspielen ein zweites Mal. Der Arzt warnt ihn: Wenn er
sich den Arm ein drittes Mal breche, bliebe er dünn - sein Leben
lang. Für Kieser eine beklemmende Erfahrung: "Dein Körper bleibt
nicht einfach so, wie er ist; er verändert sich, zum Guten wie
zum Schlechten, je nachdem, wie du mit ihm umgehst." Diesen
Umstand bekommt er zehn Jahre später zu spüren. Er verletzt sich
beim Boxen, ein Freund empfiehlt Krafttraining. Und er wird
schnell wieder gesund.
Seither lässt ihm das Krafttraining keine Ruhe mehr. Zwar
macht Kieser noch eine Tischlerlehre wie sein Vater und
Großvater, aber nebenher schweißt er Altmetall vom Schrottplatz
zu einfachen Kraftmaschinen zusammen. "Alles, was auch nur
entfernt mit dem Thema Kraft zu tun hatte, war für mich
interessant", schreibt Kieser. Er besucht Vorträge von Johannes
Heinrich Schultz, dem Erfinder des autogenen Trainings,
beschäftigt sich mit Yoga, Feldenkrais und der Alexander-Methode.
Liest die wenigen Bücher, die es damals zum Thema Kraft gibt,
ebenso Referate und klinische Studien von Ärzten. Reist nach
Deutschland, um sich dort eines der ersten "Fitnesscenter"
anzuschauen. Schließlich fühlt er sich gerüstet und eröffnet 1966
sein erstes Studio in Zürich.
Schnell erkennt er, dass das "Schweißen und Bohren ein
Kinderspiel" war, gegen das, was ihm nun bevorsteht: "den Laden
in Gang zu bringen". Aber wie? Kieser ist verunsichert,
orientiert sich an der Konkurrenz, schafft mit geborgtem Geld
Solarien an, eine Sauna, Möbel und Pflanzen. Und engagiert eine
Masseuse, die eine Kawasaki mit 1.000 Kubik fährt. Kurze Zeit
später ist auch er stolzer Besitzer eines Motorrades, und um eine
Erkenntnis reicher: Das Beschleunigen der Maschine hebt
vorübergehend die Schwerkraft auf. Ähnlich dem Schwimmen im
Wasser - eine wohltuende Erfahrung, meint Kieser. Und zieht eine
Parallele zum Krafttraining: "Die Ursache des gesteigerten
Wohlbefindens im trainierten Zustand lässt sich mit dem Empfinden
der abnehmenden Schwerkraft oder eben der gewonnenen Leichtigkeit
gut vergleichen. Je stärker ich bin, umso leichter trage ich an
mir."
Diese Erkenntnis ist folgenschwer. Fortan stellt er Kraft
über alle anderen körperlichen Fähigkeiten. Er entfernt erst die
Sauna, dann die Solarien, und schließlich alles, was nicht
unmittelbar mit dem gezielten Muskelaufbau zu tun hat. Nichts
soll vom Training ablenken. "Der Kahlschlag zeigte Wirkung. Etwa
ein Drittel der Abonnenten erschien nicht mehr." Wieder Zweifel
bei Kieser. Ein Freund empfiehlt das Buch von Gustav Grossmann
Sich selbst rationalisieren. Damit soll seine
Unternehmerkarriere beginnen.
Kraft für den Rücken.
Kieser bleibt hartnäckig,
spezialisiert sich weiter und fixiert sogar den Umgang mit Gästen
schriftlich. "Den Menschen nahe sein, ohne ihnen zu nahe zu
treten" scheint ihm die wichtigste Prämisse. Davon leitet er die
Regeln ab, die bis heute gelten: Erstens wird jeder mit "Sie"
angesprochen und mit seinem Titel, "schließlich mussten sie dafür
schuften". Zweitens werden keine Privilegien vergeben. Und
drittens sollen keine Gespräche geführt werden, nur die für das
Training gerade notwendigen. In der Folge entsteht in seinem
Studio so etwas wie eine "Aura von Achtung" und "Vornehmheit",
wie es einer seiner Gäste ausdrückt.
Der Durchbruch gelingt 1978, als die modernen und
zukunftsweisenden Nautilus-Maschinen aus Amerika geliefert
werden. Kieser muss mehrmals sein Studio vergrößern, um dem
Gästeandrang gerecht zu werden. Schließlich reicht auch das nicht
mehr. Er erinnert sich an die Maxime von Grossmann, stets nach
dem Kriterium des größten Nutzens zu entscheiden. "Wenn ich
expandiere", so seine Überlegung, "biete ich viel mehr Menschen
Nutzen, als wenn ich mich auf meinen jetzigen Kundenstamm
beschränke." Kieser expandiert: in den 80er-Jahren in der
Schweiz, in den 90er-Jahren weiter nach Deutschland und
schließlich in die ganze Welt. Heute gibt es in Europa 145
"Kieser Training"-Betriebe - es hat sich herumgesprochen, dass
Rückenprobleme ein Kraftproblem sind.
Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Werner Kieser:
Die Entdeckung des Eisens.
Stationen meines Lebens.
Econ Verlag, Berlin 2008,
256 Seiten, 19.90 Euro.
ISBN 978-3-430-20047-9
www.ullsteinbuchverlage.de
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