Mit 25 Jahren ist Boris Grundl ganz oben angekommen: auf dem höchsten Punkt einer mexikanischen Felswand, über die ein Wasserfall in die darunter liegende Lagune stürzt. Über glitschige, mit Moos bewachsene Steine und durch Sprühnebel ist er hinaufgeklettert. "Ich war jetzt schon von fast allen Punkten gesprungen. Dieser einer fehlte mir noch in meiner Sammlung. Der letzte Sprung von der höchsten Stelle." Sein Freund, mit dem er kurz vor dem Berufsleben noch einmal die große Freiheit erleben wollte, sonnt sich am Strand. Waghalsigkeiten überlässt dieser lieber seinem ungestümen Freund. Dem Tennis-Ass und ewigen Sonnyboy. Grundl springt, taucht ins Wasser ein und schlägt auf. Er will sich an der Wasseroberfläche halten, aber er geht langsam unter. "Ich gebe einen Befehl an meine Beine wie schon tausende Male zuvor: schwimmen." Aber die Beine führen die Bewegungen nicht aus. Er droht zu ertrinken, sein Freund rettet ihn. "Nachdem mein Freund Stefan mich damals aus dem Wasser gezogen hatte, wusste mein Kopf, ich war querschnittsgelähmt - auch wenn ich es noch nicht richtig begreifen konnte. Wofür war das jetzt gut, fragte ich mich damals. Und: Was geht jetzt noch? Was ist überhaupt noch möglich? Hat dein Leben noch einen Sinn? Komischerweise hatte ich darauf ziemlich schnell eine Antwort: Du könntest mit deinem Leben ein Beispiel geben. Ein Beispiel dafür, was alles in uns Menschen steckt, besser und wahrhaftiger als bisher. Diese konkrete Vorstellung, dieses Bild gab mir all die Jahre die Kraft durchzuhalten." Schreibt der Management-Trainer, Unternehmer und Autor Boris Grundl in seinem neuen Buch Steh auf! Bekenntnisse eines Optimisten, in dem er seine Lebensgeschichte erzählt. Eine Geschichte von Verlust, aber auch Mut und dem starken Willen, ein verloren geglaubtes Leben zurückzuerobern.

Universum im Daumen.

Im Krankenhaus wird sich Grundl seiner Lage nach und nach bewusst. 90 Prozent seiner Muskulatur sind gelähmt. "Der Klippenspringer von Mexiko", wie er zu hören bekommt, ist nur noch ein Krüppel. "Das war nicht ich. Nicht ich, Boris Grundl, das Tennis-Ass, der ewig gutgelaunte Sonnyboy, der Charmeur und Frauenheld." Zu der eigenen Verzweiflung kommt die Unsicherheit seiner Familie und Freunde. Sie wissen nicht, wie sie mit ihm umgehen sollen. Wollen ihm Mut zusprechen, doch spricht aus ihnen nur Mutlosigkeit. Mutlosigkeit, gegen die Grundl sich zu wehren versucht. Der Spitzensportler wird gefüttert und gewaschen. Ihm bleibt nicht mehr viel. Die Ärzte versuchen durch eine Operation, Teile seiner Muskelkraft in den Händen zurückzuholen. Grundl kann den Daumen bewegen. "Was für ein Geschenk, dachte ich und begann mir auszumalen, was ich mit diesem Daumen noch alles anstellen würde. Ich konnte Buchseiten umblättern, die Knöpfe einer Fernbedienung drücken, eine Computermaus bedienen, einen Löffel halten. Vielleicht würde ich sogar Auto fahren können! Das war meine Welt - ein ganzes Universum in diesem einen Daumen." Rückblickend ist für Grundl der Daumen das Symbol, sich mit seiner Situation nicht nur schonungslos konfrontiert, sondern sie auch angenommen zu haben. Grundl erobert sich nun nicht nur sein Leben zurück, sondern erkennt auch, was er anderen Menschen durch seine Erfahrung geben kann.

Menschen entwickeln.

Seine Umwelt erwartet von ihm ein Leben in der Behindertenrolle. Grundl aber "interpretiert", wie er schreibt, sein Leben selbst. Er bezieht eine eigene Wohnung, schließt sein Sportstudium ab, bekommt einen Job, wird einer der besten Rollstuhl-Rugby-Spieler der Welt. Heiratet und wird Vater. Sein eigenes zurückerobertes Leben weist über sich hinaus. "Die Konzentration auf Fähigkeiten, die da sind - das ist der erste Baustein einer einfachen, aber unglaublich starken Philosophie, die sich eins zu eins auf alle Unternehmensstrukturen übertragen lässt." Grundl erkennt sein Talent: anderen Menschen bei ihrer Entwicklung zu helfen. Er wird Manager, Führungsexperte und Vortragsredner. Offen und ehrlich schreibt Grundl von seinem langen Weg, spart weder Enttäuschungen noch Niederlagen aus. Aus dem Buch spricht sein pragmatischer und optimistischer Geist, auf den er sich immer stützen konnte und mit dem er unablässig an sich selbst arbeitet - getreu seinem eigenen Motto: "Werde der Beste, der du sein kannst!"

Sascha Hellmann ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Boris Grundl:
Steh auf!
Bekenntnisse eines Optimisten.
Econ Verlag, Berlin 2008,
233 Seiten, 19.90 Euro.
ISBN 978-3-430-20041-7
www.ullsteinbuchverlage.de

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