"IST IHRE KRANKENVERSICHERUNG AUCH
ZU TEUER?" Klick.
"IST IHRE KRANKENVERSICHERUNG AUCH ZU TEUER?" Klick.
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... und so weiter, je nach Ihrer
Klickrate auf der Seite.
Nun könnte man fragen: "Warum um Himmels willen aktiviert
der Feldmeier seinen Pop-up-Blocker nicht?" Ja, könnte man. Aber
man könnte in Anlehnung an einen berühmten Ausspruch von Peter F.
Drucker auch fragen: Warum nutzen viele Unternehmen
"Informationen auch dann nicht, wenn sie zur freien Verfügung
stehen"? Oder anders gefragt: Warum lässt die Bahn solche Pop-ups
zu, obwohl längst erwiesen ist, dass sie negativ auf das Image
der Seite abfärben? Und damit sind wir bei unserem heutigen
Thema: Wie tickt ein ganz normaler Anwender?
Wie ticken eigentlich User?
Als erstes Ergebnis können wir gleich einmal festhalten: Wir wissen zwar nicht, ob unsere Krankenversicherung zu teuer ist, aber über die zugehörigen Pop-ups, die uns die Bahn ungefragt durch die Leitung geschickt hat, über die haben wir uns schon gehörig geärgert. Eine nichtrepräsentative Meinung? Die zudem der Macht des Faktischen zuwiderläuft? Denn wenn es so wäre, wieso gäbe es dann überhaupt Pop-ups? Nun, zum Glück gibt es Männer wie Jakob Nielsen, der sich seit Jahren mit der Usability vor allem von Websites beschäftigt. Sein Name hat Gewicht, denn Nielsen gilt als "Usability-Guru", als der Experte für Benutzerfreundlichkeit. Dies zeigt sich bereits in seinen Newslettern, typischerweise zweizeilig, lesbar eben. In einer seiner Kolumnen hat sich Nielsen auch dem Thema Werbung im Internet gewidmet - genauer den "Most Hated Advertising Techniques". Die meisten Studien zum Thema Online-Werbung, resümiert Nielsen, bemessen den Erfolg der Online-Werbung an der Zahl der Klicks auf die Seite des Werbers, ignorieren aber die Stimmungen und Erfahrungen der User. Fragt man die, erscheinen die tollen Werbetechniken der Online-Werber plötzlich in einem anderen Licht.
Der User, das unbekannte Wesen.
Besonders empfindlich reagieren
Anwender, wenn Pop-ups vor dem Browserfenster öffnen, lange
Ladezeiten verursachen, einen mit simplen Tricks dazu bewegen
wollen, darauf zu klicken, keinen Button zum Schließen des
Fensters besitzen oder genau das verdecken, was man auf der Seite
sehen will. Auch blinkende, auf der Seite herumkurvende und
automatisch Sound abspielende Internet-Werbung stößt auf wenig
Gegenliebe bei den Internet-Nutzern.
Einen Anwender zum Beispiel ärgerte eine Internet-Werbung,
die automatisch eine Sound-Datei abspielte, dermaßen, dass er
schrieb: "IF ANYTHING COULD BE WORSE THAN POP-UPS, THIS IS IT. I
HATE THIS AD. HATE HATE HATE." Ein anderer schrieb einer Firma,
auf deren Seite sich Pop-ups geöffnet hatten, erbost per Mail:
"From this moment on, I am boycotting you, and I am advising
EVERYONE I know to do the same thing. Down with you and your
pop-up ads." Dies unterstreicht die wichtigste Schlussfolgerung
Nielsens: "Users not only dislike pop-ups, they transfer their
dislike to the advertisers behind the ad and to the website that
exposed them to it." In einer Studie mit mehr als 18.000
Befragten gaben 50 Prozent an, dass Pop-up-Werbung ihre Meinung
über den Werber "sehr negativ" beeinflusse, 40 Prozent sagen dies
über die Website, auf der die Werbung platziert war.
Einige Milliarden Webseiten später.
Nun kommen wir zu einem besonders interessanten Detail in den Untersuchungen von Nielsen: Praktisch alle wichtigen Empfehlungen hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit von Bedienungselementen sind seit 1986 praktisch unverändert - also lange bevor überhaupt Internet-Seiten, Handy-Menüs et cetera entstanden sind. Warum nutzen Unternehmen noch nicht mal solche Informationen, die seit Jahrzehnten zur freien Verfügung stehen? Um nochmals Peter F. Drucker zu zitieren. Und weil das so ist, platzieren Marken mit klangvollen Namen auf ihren Seiten billige Werbung, die ihren Markennamen beschädigt.
Der User schlägt zurück.
Wir bleiben indes noch ein wenig
beim User, dem weithin unbekannten Wesen. Was macht der wohl,
wenn sein Computer mal nicht so will, wie er soll? Die Soziologin
Marleen Brinks ist in ihrer Magisterarbeit dieser Frage
nachgegangen. Ihr Ergebnis: Viele Menschen brüllen ihren Computer
an, schimpfen und fluchen. Ja, einige treten oder schlagen sogar
nach ihm. "62 Prozent der Befragten geben an, den PC schon mal
beschimpft oder angeschrien zu haben, 31 Prozent haben bereits
mit der Maus auf den Tisch geschlagen oder mit ihr geworfen, 15
Prozent haben den Bildschirm geschlagen oder das Gehäuse
getreten", erläutert die Forscherin ihre Ergebnisse. Der Grund
liege darin, interpretiert Brinks, dass die User ihren Computer
nicht als Maschine, sondern als Wesen betrachten.
Bleibt eine eher generelle Frage: Wenn solche Erkenntnisse
- zum Teil seit Jahrzehnten - vorhanden sind, aber nicht
angewendet werden, warum und was (er-)forschen wir dann
überhaupt?
Im nächsten Einspruch geht es um den User als
Patienten.
Weitere Informationen:
www.iiQii.de
Links:
Jakob Nielsens Website:
www.useit.com
The Most Hated Advertising Techniques:
www.useit.com/alertbox/20041206.html
Die Website mit Marleen Brinks
� Magisterarbeit:
www.mbrinks.de
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