Ausweg aus der Zwickmühle
Nachhaltigkeit - ein neues Geschäftsfeld?, das neue Buch von Peter Hennicke (Hg.).
Wie wird Nachhaltigkeit in den Unternehmen umgesetzt? Und was für Chancen bietet sie Unternehmern? Auf dem Kongress, den Peter Hennickes Buch dokumentiert, begegneten sich Wissenschaft und Wirtschaft. Herausgekommen sind viele spannende Diskussionen auf hohem Niveau, die nun zum Nachlesen zur Verfügung stehen.
Das wird zwar oft getan. Aber es muss nicht sein, und es gibt auch genügend positive Beispiele. Das machte der Kongress "Natur. Macht. Märkte." des Wuppertal Instituts deutlich. Nun ist der Tagungsband dazu erschienen - lebhafte, informierte, detaillierte Forums-Diskussionen, wortgetreu aufs Papier gebannt. Eine Mammutarbeit und gleichzeitig eine Fundgrube für diejenigen, die das Thema interessiert.
Spannende Konfrontationen.
Wirtschaft und Wissenschaft treffen
zum Disput aufeinander, herausgekommen ist eine Vielzahl von
spannenden Begegnungen. Ganz nach Peter Hennickes Motto: "Je
kontroverser und lebendiger die Diskussion, desto zufriedener
sind wir als Wissenschaftler." Vertreter der Münchner
Rückversicherung, von Miele, RWE, BP, von McKinsey und Bayer sind
mit von der Partie und treffen auf führende Umweltwissenschaftler
wie Peter Hennicke, den Präsidenten des Wuppertal Instituts,
Angelika Zahrnt, Vorsitzende des BUND und Rainer Grohe von
ecosense - Forum Nachhaltige Entwicklung. Von Experten des
Wuppertal Instituts zu bestimmten Themenbereichen ganz zu
schweigen. Schon im ersten Forum wird deutlich, dass hier
Klartext geredet werden soll. "Bei aller Übereinstimmung müssen
wir aufpassen, dass wir nicht alles, was edel, hilfreich und gut
ist, als nachhaltig bezeichnen", tadelt Hennicke in milder
Ironie, wenn sich die Unternehmen allzu viele Wohltaten auf die
Fahne schreiben wollen. Gemeinsam bemüht man sich um konstruktive
Ansätze. Schließlich werden die Aussagen immer konkreter: "Wir
werden national und international in den nächsten zehn Jahren
unsere regenerativen Energien verdoppelt haben", sagt Wolfgang
Straßburg von der RWE AG seiner Branche voraus.
Was dringend nötig ist, denn bisher verhält sich der Mensch
alles andere als nachhaltig. Auch Professor Carlo Jaeger vom
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung spart nicht mit
direkten Worten. Er hat beobachtet, dass mit Umweltrisiken
globalen Maßstabs auf drei Arten umgegangen wird: Entweder es
heißt: "Wegen der Umweltrisiken müssen wir Produkte verteuern" -
obwohl, wie Jaeger zu bedenken gibt, eine massive Veränderung des
Preisschemas nur ganz selten realisierbar ist. Oder man
beschäftigt sich mit Ablenkungsmanövern und löst das Problem gar
nicht. Zu empfehlen ist einzig die dritte, ehrliche Variante:
"Wir wissen zwar nicht, was zu tun ist, aber wir finden es jetzt
heraus."
Anreize und Bildung.
Immer wieder kehrt die Diskussion
zu Gesetzen und möglichen Anreizen für die Industrie, sich
nachhaltig zu verhalten, zurück. "Risikomanagement als
Wirtschaftsfaktor" ist das Thema des zweiten Forums, "Nachhaltige
Entwicklung - ein neuer Ansatz für Unternehmergeist?" das des
dritten. Beispiele für Unternehmen, die sich mit ökologisch
nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen Marktnischen erobert
haben, gibt es bereits. Und für die großen Konzerne bringt die
Einsparung von Energie und Rohstoffen deutliche Vorteile. Dennoch
- ein Konflikt bleibt. Dr. Wilhelm Rall, Mitglied der
Geschäftsführung von McKinsey, bringt es auf den Punkt:
"Nachhaltigkeit kann bei besten Intentionen der
Unternehmensführung nur Teil der Zielfunktion sein, wenn sie
zumindest nicht in Konflikt mit dem längerfristigen Gewinnziel
steht." Rendite muss sein.
Anschließend geht es um weitere Kernfragen der
Nachhaltigkeit: Bildung zum Beispiel. Sie ist ebenso wie
Technologie der Schlüssel dazu, die natürlichen Ressourcen der
Erde zu erhalten. Denn wer gebildet ist, kann sich leichter aus
der Armut befreien, bekommt weniger Kinder und richtet damit sein
Land nicht durch Überbevölkerung und Raubbau zugrunde. Und was
ist mit der Biotechnologie und Genforschung - leisten die
umstrittenen Technologien einen Beitrag zur Nachhaltigkeit oder
nicht? Franz Lehner vom Institut Arbeit & Technik im
Wissenschaftszentrum NRW ist der Meinung: "Bio- und
Gentechnologie sind für nachhaltiges Wirtschaften unverzichtbar,
weil sie eine massive Dematerialisierung ermöglichen." So wird
bei gentechnischer Herstellung der Medikamente wesentlich weniger
Chemie eingesetzt. Aber so richtig wohl ist weder ihm noch den
anderen Partnern des Forums bei der ganzen Sache. Denn die
sozialen Konsequenzen dieser Technologien sind, wie seine
Diskussionspartnerin Regine Kollek von der Universität Hamburg zu
bedenken gibt, weitreichend. Es könnte genetische Verlierer geben
in der Welt der Zukunft.
Keine abschließende Antwort.
Noch viele weitere Punkte werden auf dem Kongress aufgegriffen und in Nachhaltigkeit - ein neues Geschäftsfeld? dokumentiert. Governance und die Global Compact Initiative der Vereinten Nationen sind ebenso ein Thema wie Nachhaltigkeit im Licht der Evolutionsbiologie. Eine Vielzahl von Aspekten ist besprochen worden, ganz im Sinne des Ziels, "intelligentes Wissen für Nachhaltigkeit zusammenzutragen", wie Helmut Flöttmann von der Firma Miele es formulierte. So zeigt sich denn auch Peter Hennicke im Schlusswort zufrieden mit den Ergebnissen: "Wir haben die Frage Nachhaltigkeit - ein neues Geschäftsfeld?' nicht abschließend beantworten können. Aber wir haben gesehen, dass Geschäftsfelder in diese Richtung überhaupt nur eine Chance haben, wenn Gewinn und Wettbewerb eine neue Richtung im Sinne der Nachhaltigkeit bekommen."
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Peter Hennicke (Hg.):
Nachhaltigkeit - ein neues Geschäftsfeld?,
Hirzel/Wuppertal Institut, Stuttgart/Leipzig 2003,
247 Seiten, 34 Euro,
ISBN 3-7776-1193-X
www.wupperinst.org
© changeX Partnerforum [18.02.2003] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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