Bis dass der Tod euch scheidet
Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 4 |
Immer mehr Menschen haben einen Nebenjob. Ein Gehalt reicht oft nicht mehr. Doch Vorsicht. Bestimmte Berufskombinationen sind nicht erlaubt. Was ein Krankenpfleger, der nebenberuflich als Leichenbestatter arbeiten wollte, schmerzlich erfahren musste. Leben und Tod sind nicht miteinander vereinbar, legte das Bundesarbeitsgericht unmissverständlich fest. Folge: Ein Leichenbestatter weniger.
Fleiß wird nicht immer belohnt. Auch
nicht in unserer heutigen Zeit, in der von Arbeitnehmern mehr
gefordert wird als Dienst nach Vorschrift. Das musste Thorsten K.
leidlich erfahren. Vor einem Jahr war der gelernte Krankenpfleger
von Freiburg nach München gezogen. Ein teures Pflaster - sein
Gehalt reichte kaum zum Leben. Als er die Aldi-Pizzen nicht mehr
riechen konnte, meldet er sich auf eine Annonce in einer
Tageszeitung. Leichenbestatter war zwar nicht sein Traumberuf, aber
sich wie zu Studienzeiten nächtelang hinter eine Bar zu klemmen kam
für ihn nicht mehr in Frage. Das Unternehmen sagte zu und buchte K.
je nach Bedarf für seine silbernen Limousinen.
Auf einem Stationsfest erzählte K. seinem Chef von seinem
Nebenjob. Er sollte ruhig wissen, was für einen fleißigen Burschen
er sich da geangelt hatte. Doch anstatt K. zu loben, schnappte
Professor Dr. Alfred N. nach Luft. Ein Krankenpfleger könne nicht
als Leichenbestatter arbeiten. Er stehe für das Leben und nicht für
den Tod!
K. wusste nicht, wie ihm geschah. Was hat das eine mit dem
anderen zu tun? Glaubte sein Chef etwa, er würde mit dem
Bestattungsunternehmen gemeinsame Sache machen? Eine
Unverschämtheit. Dafür müsse sich der Chef entschuldigen. Doch N.
dachte gar nicht daran. Er forderte seinen Mitarbeiter auf, seinen
Nebenjob sofort an den Nagel zu hängen, ansonsten ziehe er vor
Gericht.
K. stellte auf stur - und suchte sich einen Anwalt. Doch
auch dieser schüttelte den Kopf: keine Chance. Erst Anfang des
Jahres hatte der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichtes in einem
ähnlichen Fall entschieden. Damals ging es um einen Krankenpfleger,
der im Anästhesie-Bereich arbeitete und gleichzeitig im Vorstand
eines Bestattungsunternehmens saß. Eine unglückliche Verquickung,
wie der Richter damals bemerkte. Nicht nur dass die Richtlinien des
Deutschen Caritasverbandes (AVR) gelten und eine Nebentätigkeit,
"durch die die berechtigten Interessen des Dienstgebers erheblich
beeinträchtigt werden", durch den Arbeitgeber untersagt werden
könne. Auch die Patienten könnten nicht seelenruhig in den
Narkoseschlaf fallen. "Die Tätigkeit als Krankenpfleger", so das
Urteil, "dient der Rettung und Erhaltung von Leben und Gesundheit
der ihm anvertrauten Patienten. Damit ist eine Nebentätigkeit als
Bestatter, die das Ableben der Menschen voraussetzt, aber nicht zu
vereinbaren."
K. gab klein bei und sagte dem Bestattungsunternehmen ab.
Einen neuen Nebenjob hat er noch nicht gefunden.
Dr. Andreas Imping ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Osborne Clarke, Köln.
Mit einer Illustration von Limo Lechner.
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Autorin
Heike LittgerHeike Littger ist selbständige Journalistin und wohnt in Mountain View, Kalifornien. Sie schreibt als freie Autorin für changeX.