"Neutral bleiben - in jeder Situation"
Seminarbericht: Wirtschaftsmediation
Konflikte vergiften nicht nur das Arbeitsklima. Konflikte kosten Unternehmen auch viel Geld. Denn verfeindete Mitarbeiter stecken ihre Kreativität nicht in ihren Job, sondern in ihren ganz privaten Rachefeldzug. Um Streitigkeiten zu bereinigen, setzen Unternehmen verstärkt Wirtschaftsmediatoren ein. Diese leisten Hilfe zur Selbsthilfe und führen die Konfliktparteien zu einer gemeinsamen Lösung.
Seit Wochen bekriegen sich Susanne
W. und Kirsten N. aus der Marketingabteilung. Der Grund: Ein
Kunde hat sich bei Susanne W. über ihre Kollegin beschwert. Und
anstatt diese in Schutz zu nehmen, hat Susanne W. kräftig
mitgelästert. Der Abteilungsleiter hält sich raus. Keine Zeit -
und keine Lust, sich mit solchen "Bagatellen" zu beschäftigen.
Und auch die restlichen Mitarbeiter sind machtlos, ihre
Vermittlungsversuche kläglich gescheitert.
Für Ute Wörner, Trainerin der von Siemens Business
Services, Learning angebotenen Grundausbildung zum
"Wirtschaftsmediator", höchste Zeit, von außen einzugreifen. Denn
von selbst wird sich der Konflikt nicht lösen. Im Gegenteil. Die
Kontrahentinnen werden sich gegenseitig hochschaukeln. Und alles
daran setzen, der anderen zu schaden. Koste es, was es wolle. Der
Lösungsvorschlag: der Einsatz eines Wirtschaftsmediators. Ein
Wirtschaftsmediator leistet Hilfe zur Selbsthilfe und führt die
Konfliktparteien zu einer gemeinsamen Lösung.
Der Rosenkrieg - eine Lesson Learned.
In den USA seit Jahren schon gang
und gäbe, setzen nun auch in Deutschland nicht mehr nur
Rechtsanwälte im Scheidungskrieg auf die hohe Kunst der
Vermittlung. Auch Unternehmen entdecken die Vorteile - und bieten
Mitarbeitern und Führungskräften Ausbildungslehrgänge an.
Entsprechend hat Siemens Business Services, Learning ein
72-Stunden-Seminar entwickelt, das internen, aber auch externen
Kunden Grundkenntnisse der Wirtschaftsmediation vermittelt. Und
um möglichst vielen die Teilnahme zu ermöglichen, bietet das
Bildungshaus dieses Seminar auf seinem Abendkolleg an - nach dem
Motto: Mitarbeiter investieren Freizeit, das Unternehmen trägt
die Kosten. In einem Schnupperkurs, an dem die Autorin dieses
Artikels teilnahm, hatten Interessenten kürzlich Gelegenheit,
sich über das Seminar zu informieren.
Siemens Business Services, Learning legt auf die
Qualifikation der Seminarleiter grundsätzlich sehr hohen Wert.
Das gilt auch und gerade beim Thema Wirtschaftsmediation. Denn
hier ist die Ausbildung noch nicht klar geregelt, der Titel nicht
geschützt. Wörner zum Beispiel hat nach ihrem Studium bei
Professor Dr. Lutz von Rosenstiel am Münchner Institut für
Organisationspsychologie einige Jahre in der Personalentwicklung
diverser Unternehmen gearbeitet und daran eine fünfjährige
Fortbildung auf den Gebieten Konfliktmoderation und NLP
angeschlossen.
Höchstes Gebot: Neutralität.
Werden Vermittlungsgespräche
abgebrochen, so die Trainerin im Schnupperkurs, liegt es in der
Regel nicht an den Konfliktparteien. In 90 Prozent der Fälle
verlieren Mediatoren infolge ihres Verhaltens das Vertrauen der
Klienten. Umso mehr gilt es, das oberste Gebot zu beachten:
neutral bleiben - in jeder Situation. Doch das ist nicht immer
einfach.
Nicht selten reagieren die Gesprächspartner laut und
aggressiv. Oder sie fangen an zu weinen, suchen Schutz und
versuchen den Mediator bewusst oder unbewusst über die
Mitleidsschiene auf ihre Seite zu ziehen. Der Mediator muss also
lernen, mit Emotionen umzugehen - und sein eigenes Handeln zu
reflektieren. Er muss erkennen, auf welcher Stufe sich ein
Konflikt befindet, um gegebenenfalls Beistand anzufordern - zum
Beispiel von Seiten erfahrener Psychologen. Und er muss sein
Handwerkszeug aus dem FF beherrschen. Eine typische
Anfängerfalle: Eine der Streitparteien sucht den Mediator auf und
bittet um Hilfe. Doch statt ihm lediglich den Auftrag zu
erteilen, weiht sie ihn ein und schildert den Konflikt en detail.
Zieht der Mediator hier nicht die Bremse, kann der Fall bereits
verloren sein - weil der Mittler befangen ist und der anderen
Seite nicht mehr neutral gegenübersteht. Ein weiteres Problem:
Nicht selten sind die Konfliktparteien im Grunde gar nicht auf
Einigung aus, sondern wollen Krieg bis zum bitteren Ende. Dann
ist die Gefahr, dass der Mediator zum Spielball wird, extrem
hoch.
Bücher vermitteln die wichtigsten Grundlagen dieses
Metiers und sind für den Einstieg sicherlich zu empfehlen. Aber
mit Büchern allein ist es nicht getan. Wirtschaftsmediatoren
brauchen eine gute Ausbildung in Theorie und Praxis. Und dazu
viel Erfahrung.
Finanzielle Vorteile - für Absolventen nur bedingt, für Unternehmen allemal.
Um keine unrealistischen Hoffnungen
aufkommen zu lassen, werden die Schnupperkursbesucher
eindringlich erinnert: Die Ausbildung vermittelt einen Überblick
über die Anwendungsgebiete der Mediation in Unternehmen, über die
wichtigsten Voraussetzungen, Begriffe und Methoden - nicht mehr,
aber auch nicht weniger. Auch wird die Anwendung praktisch geübt,
sodass man anschließend im Unternehmen erste leichtere Aufgaben
als Mediator übernehmen kann. Für schwierige komplexe Einsätze
aber oder gar selbstständige Tätigkeit auf dem freien Markt ist
man damit nicht reif. Dafür sind 72 Stunden nun einmal zu wenig.
Natürlich kommt auch die Frage auf, wie sich die Ausbildung
auszahlt. Nun, in barer Münze - sprich: in Form einer
Gehaltserhöhung - für den Einzelnen nicht sofort. Wer sich für
den Grundkurs Mediation anmeldet, muss zunächst Spaß daran haben,
neben seiner eigentlichen beruflichen Aufgabe mit Menschen zu
arbeiten. Will er auf diesem Feld festen Fuß fassen, muss er
sich, wie gesagt, kontinuierlich in Theorie und vor allem Praxis
weiterbilden. Aus Unternehmenssicht lohnt sich die Investition
jedoch allemal, denn ungeklärte Konflikte kosten erheblich Zeit
und Geld.
Mund-zu-Mund-Propaganda.
Daher steht für die Seminarleiterin
fest, dass Unternehmen zunehmend in den Auf- und Ausbau dieser
Kompetenz investieren werden. Unternehmen hätten erkannt, dass
sich interne Mediatoren gerade für Probleme innerhalb einer
Abteilung oder eines Projektteams oft besser eignen als externe.
Schließlich sind interne Mittler vor Ort und können eingreifen,
bevor der Konflikt eskaliert. Etwas Eigeninitiative ist
allerdings gerade am Anfang gefragt. Nicht alle Unternehmen
verfügen über eine Datenbank, in der die Mitarbeiter mit ihren
jeweiligen Zusatzqualifikationen geführt werden. Am besten wendet
man sich an die Personalentwicklung, spricht mit der
Führungskraft und den Mitarbeitern, um zu signalisieren: "Ich
habe ein Mediationsseminar besucht und bin in der Lage,
einfachere Konflikte zu schlichten. Sie können mich jederzeit
ansprechen."
Emotionen, Gefühle, Arbeitsklima, diese Begriffe werden auf
Managementebene zurzeit breit diskutiert. Das belegt unter
anderem der Erfolgsautor Daniel Goleman - sein aktueller Titel
Emotionale Führung steht mit Sicherheit bald auf den
Bestsellerlisten. Bereits sein Artikel in der
Harvard Business Review hat hohe Wellen geschlagen. Warum?
Weil Fakten vorliegen. Zum ersten Mal haben Studien den
Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Erfolg und Arbeitsklima
herausgearbeitet. Ihr Ergebnis bestätigt einstimmig: Ein
schlechtes Arbeitsklima vergrault nicht nur die besten
Mitarbeiter. Ein schlechtes Arbeitsklima kostet Unternehmen viel
Geld. Und das gilt auch für Konflikte, denn: Verfeindete
Mitarbeiter stecken ihre Kreativität nicht in ihren Job, sondern
in ihren privaten Rachefeldzug. Ganze Projekte können daran
scheitern. Deswegen müssen Konflikte gelöst werden. Und zwar so
schnell, so professionell und gründlich wie möglich.
Für die meisten der 25 Schnupperkursbesucher ist Geld nicht
das Thema. Sie wollen nicht warten, bis sich das allgemeine Klima
verändert hat und alle Unternehmen Golemans Botschaft begriffen
haben. Sie wollen zupacken - und ganz im Sinn des
selbstverantwortlichen Arbeitnehmers das Klima in ihrer Firma, in
ihrer Abteilung oder in ihrem Projekt verbessern. Bleibt zu
hoffen, dass die Führungskräfte ihrem Beispiel folgen. Zum
Schnupperkurs erschienen lediglich drei Abteilungsleiter - eine
magere, aber noch durchaus gängige Quote.
Siemens Business Services, Learning
Dr. Christina Strobel
Tel.: 089 636 47458
Fax: 089 636 41335
Christina.strobel@siemens.com
www.siemens.com/learning
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Autorin
Heike LittgerHeike Littger ist selbständige Journalistin und wohnt in Mountain View, Kalifornien. Sie schreibt als freie Autorin für changeX.