Lasst mal die Wirtschaft ran!
Harte Zeiten. Unternehmenserfolg trotz globaler Märkte, Terrorgefahr und Klimawandel - das neue Buch von Stuart L. Hart.
Von Sascha Hellmann
Umweltzerstörung, Klimawandel, Terrorgefahr: Ein Managementprofessor sieht die globale Wirtschaft an einem Scheideweg. Seine These: Nur wenn global agierende Unternehmen den Weg der Nachhaltigkeit beschreiten, lassen sich die Weltprobleme in den Griff bekommen. Dann wird beides möglich: globaler Wohlstand und ökologische sowie gesellschaftliche Stabilität. / 23.01.09
Hart CoverManchmal sorgt im Dickicht der Probleme eine Formalisierung für Klarheit. So lässt sich die Gesamtmenge der Umweltbelastungen (U), die durch menschliche Aktivitäten auf der Erde verursacht wird, als eine Funktion dreier Faktoren beschreiben: U = Bevölkerungszahl (B) x Wohlstand (W) x Technik (T), durch die der Wohlstand geschaffen wird. Um das Ziel der Nachhaltigkeit zu erreichen, muss der negative menschliche Einfluss auf der Erde auf lange Sicht reduziert werden. Theoretisch ließe sich das durch eine Verringerung der Bevölkerungszahl und/oder eine Senkung des Wohlstandsniveaus erreichen - doch das ist nur graue und zudem fragwürdige Theorie. Einzig praktikabel ist die Größe Technik, an der es anzusetzen gilt, um soziale und ökologische Nachhaltigkeit langfristig und global zu etablieren. Das ist die Kernthese von Stuart L. Hart, Professor für Management an der Cornell's Johnson Graduate School of Management und Experte für die Umsetzung nachhaltiger Strategien in Unternehmen, die er in seinem Buch Harte Zeiten. Unternehmenserfolg trotz globaler Märkte, Terrorgefahr und Klimawandel überzeugend vertritt - und darüber hinaus auch das wirtschaftliche Wachstum nicht aus den Augen verliert: "Es ist jedoch wahrscheinlich, dass zukünftiges Wirtschaftswachstum vor allem von denjenigen Unternehmen beherrscht werden wird, die in der Lage sind, radikal innovative Technologien zu entwickeln, mit deren Hilfe gesellschaftliche Probleme gelöst werden können. Unternehmen, die bei der Entwicklung dieser Technologien und deren Markteinführung nicht mithalten können, werden auch in der Wirtschaft der Zukunft kaum eine Rolle spielen", schreibt der Autor in der Neuausgabe seines erstmalig 2005 und nun neu überarbeiteten und um aktuelle Entwicklungen vervollständigten Buches.
Eine wichtige Rolle in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts spielen zudem die wirtschaftlichen Institutionen, ist sich Hart sicher. Religion und Staat haben ihre Einflussmöglichkeiten an die Wirtschaft verloren. Demnach ist seine Überzeugung folgerichtig: "Meiner Meinung nach sind Konzerne die einzigen Organisationen in unserer heutigen Welt, die sowohl über die erforderlichen Technologien, Ressourcen und Kapazitäten als auch über den notwendigen globalen Wirkungsbereich verfügen. Richtig fokussiert kann das Profitdenken die Umgestaltung in Richtung einer globalen Nachhaltigkeit sogar beschleunigen (anstatt sie zu behindern). Non-Profit-Organisationen, Regierungen und multilaterale Behörden spielen dabei ausnahmslos eine wesentliche Rolle - als kooperierende Akteure und Kontrollgremien."

Optimistische Botschaft.


Dabei drängt die Zeit. Denn die Weltlage, die sich gegenwärtig bereits durch bedrohliche Umweltzerstörung, Klimawandel sowie gesellschaftliche Schieflagen bis hin zur Terrorgefahr auszeichnet, steuere - sollten drastische Veränderungen ausbleiben - auf eine Katastrophe zu. "Der globale Kapitalismus befindet sich nun an einem Scheideweg", so Hart, für den nachhaltiges globales Unternehmertum daher das Potenzial für einen neuen Entwicklungsansatz verkörpert, der auf der Privatwirtschaft basiert. "Dieser Ansatz soll rentable Geschäftsbereiche schaffen, die gleichzeitig die Lebensqualität der Armen in dieser Welt steigern, kulturelle Vielfalt respektieren und die ökologische Unversehrtheit des Planeten für künftige Generationen bewahren." In seinem Buch widmet sich Stuart eingehend und kenntnisreich den Herausforderungen, um diesen positiven Weg zu beschreiten. Dem düsteren Zukunftsszenario, das er realistisch ins Auge fasst, stellt er jedoch die "optimistische Botschaft" der Gangbarkeit seines visionären Weges entgegen. Der Realisierbarkeit willen ist sein Buch trotz detaillierter Beispiele und des weit gesteckten theoretischen Rahmens jedoch vor allem ein Leitfaden mit Praxisorientierung. Es wendet sich an Führungskräfte, Unternehmer und Technologen ebenso wie an Mitarbeiter und Studenten betriebswirtschaftlicher Fakultäten, an Mitarbeiter von Non-Profit-Organisationen und des öffentlichen Sektors sowie an alle, "die sich für eine Kooperation mit der Privatwirtschaft interessieren - und dazu auch bereit sind".

Sprung nach unten.


Auf der Wirtschaft fußt auch die Hoffnung, dass es gelingen könnte, endlich dem Anspruch auf globalen Wohlstand gerecht zu werden. Hart appelliert an die Unternehmen, "den großen Sprung nach unten" zu wagen: an die Basis der ökonomischen Pyramide, wo bisher mehr als vier Milliarden Menschen von der Globalisierung übergangen oder durch sie geschädigt wurden. "Hier ist der Ort, an dem Unternehmen die aufregendsten Wachstumsmärkte der Zukunft finden - und das Fundament für eine beeindruckende Zukunftsvision." Von zentraler Bedeutung sei jedoch, dass nicht einfach ein (mittlerweile zu hinterfragendes) Gesellschafts- und Wirtschaftsideal westindustrieller Prägung in Entwicklungsländer exportiert werde. Hart appelliert, vielmehr vor Ort Bedürfnisse sowie Ressourcen zu analysieren und dementsprechend zu produzieren.
Passé ist zugleich das Rollenbild des Managers als Macher. Manager müssten ein neues Rollenverständnis entwickeln, fordert Hart: "Es wird großes Einfühlungsvermögen und die Bereitschaft zuzuhören von ihnen gefordert. Mehr noch, sie müssen bereit sein, sich eingehend mit jenen zu befassen, die völlig andere Ansichten haben." Weitsicht, Respekt, Verantwortung und Mut zu Neuerungen könnten dem Prinzip Nachhaltigkeit gerecht werden. Im Bewusstsein, an einem kritischen Scheideweg zu stehen, hofft Hart, "dass ich damit Recht behalte".

Sascha Hellmann ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Stuart L. Hart:
Harte Zeiten.
Unternehmenserfolg trotz globaler Märkte, Terrorgefahr und Klimawandel.

Redline Wirtschaft, München 2009,
368 Seiten, 29.90 Euro.
ISBN 978-3-636-01608-9
www.redline-verlag.de/artikel-HarteZeiten.html
www.redline-wirtschaft.de

© changeX [23.01.2009] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


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: Harte Zeiten. . Unternehmenserfolg trotz globaler Märkte, Terrorgefahr und Klimawandel. . Redline Wirtschaft, München 2009, 368 Seiten, ISBN 978-3-636-01608-9

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Sascha Hellmann
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Sascha Hellmann ist freier Journalist in Heidelberg. Er arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

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