Jeder ist Vielfalt
Culture Counts. Wie wir die Chancen kultureller Vielfalt nutzen - das neue Buch von Peter Felixberger und Michael Gleich.
Von Sascha Hellmann
Kulturelle Einheit ist ein Märchen. Permanente Vermischung und Austausch sind Wirklichkeit. Ob wir Vielfalt als Bedrohung oder als Chance begreifen, liegt an uns. Allein unsere Haltung bestimmt das Miteinander. Und entscheidet darüber, ob die Vision einer offenen, vielfältigen Gesellschaft Wirklichkeit wird. Denn jeder Mensch ist Träger kultureller Vielfalt. / 20.01.09
Michael Gleich und Peter Felixberger Cover"Jeder ist Vielfalt. Jeder kann die Chancen von Vielfalt nutzen. Jeder hat das Recht, Vielfalt genau so zu leben, wie er will." Das sind die zentralen Thesen des neuen Buches Culture Counts. Wie wir die Chancen kultureller Vielfalt nutzen, in dem die Herausgeber Peter Felixberger und Michael Gleich das Thema Vielfalt in Berichten, Interviews und Essays unter wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten untersuchen. Der Fokus liegt bei dem multimedialen Projekt Culture Counts, in dessen Rahmen das Buch erscheint, jedoch nicht auf den in den Medien vorherrschend problematisierten Aspekten kultureller Unterschiedlichkeit. So schreibt Gleich: "Wir wollen uns nicht damit zufriedengeben, dass in der Öffentlichkeit die Bedrohungsszenarien einen breiten Raum bekommen, während die Chancen von Vielfalt übersehen werden. Das Potenzial, das für jeden Menschen in kultureller Wahlfreiheit und Selbstbestimmung liegt, die Lernmöglichkeiten, die jede Begegnung mit Andersartigkeit birgt, die Freude an Vielfalt: Das sind die Themen unseres multimedialen Projektes." Vielfalt verstehen die Herausgeber in Zeiten zunehmender Globalisierung als Chance: Den Herausforderungen einer immer komplexeren Welt könne nur eine vielfältige und in diesem Sinne positiv verstandene Gemeinschaft gerecht werden. Zumal das Verständnis einer rigiden kulturellen Abgrenzung nicht nur falsch, sondern auch einfach kontraproduktiv ist: "Die kulturelle Reinheit hat es offenbar nie gegeben. 'Urwüchsig-authentische' Kulturen, die sich sauber gegeneinander abgrenzen lassen, sind ein Märchen." Schreibt Felixberger, der kulturelle Vielfalt für die Zukunft als "wertvollste Ressource" betrachtet und freie Gestaltungsmöglichkeiten nicht nur als Wert für den Einzelnen, sondern auch für die Gemeinschaft hervorhebt: "Jeder zählt, deshalb lautet das neue Diversitätsmantra: Wir sind die Anderen. Die Anderen sind wir!"

Tor zur Weltbürgerschaft.


Vielfalt ist vielfältig: Alter, kulturelle Prägung, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Religionszugehörigkeit, geistige Befähigung und vieles mehr. Jeder Mensch ist "Träger kultureller Vielfalt". Der englische Ausdruck dafür ist Diversity - ein in Wirtschaft und Gesellschaft mittlerweile zukunftsweisender Trend. Denn die Vielfältigkeit, die sich in Belegschaften oder Gesellschaften durch die Globalisierung ergibt, ist nicht einfach eine integrative Herausforderung. So hat sich beispielsweise gezeigt, dass heterogene Teams bei Problemlösungen erfolgreicher sind als homogene. Michael Gleich, der das Diversity Management der Deutschen Bank in einem Artikel beleuchtet, schreibt: "Tatsächlich betrachten viele der rund 80.000 Mitarbeiter eine Anstellung bei der Deutschen Bank als ein Tor zur Weltbürgerschaft. Sie haben Kollegen aus mehr als 145 Nationen, die in 76 Ländern arbeiten." Jeder trägt in seiner Einzigartigkeit zum Gelingen bei. So zeichne sich gelungenes Diversity Management eben dadurch aus, diese Einzigartigkeit hervorzuheben, zu schätzen und zu fördern. Maud Pagel, eine der wichtigsten Förderinnen von Diversity in der deutschen Wirtschaft, sagt im Interview: "Wie andere Unternehmen auch, müssen wir heute mit einer ausgedünnten Personaldecke auskommen. Da können wir es uns nicht leisten, die Kraft und das Talent auch nur einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters ungenutzt zu lassen."

Der Fremde in uns.


Die Auffassung kultureller Enklaven ist ein Zerrbild. Vielmehr sind permanenter Austausch und Vermischung eine Tatsache. Allein unsere Haltung bestimmt dann das Miteinander: "Um Kultur zu verstehen, müssen wir uns Menschen empathisch nähern", schreiben die Ethnologen Joana Breidenbach und Pál Nyíri. "Statt aus der Vogelperspektive auf sie herunterzuschauen, müssen wir versuchen, mit ihren Augen zu sehen." Doch nicht nur der Blick auf den anderen oder der Blick des anderen ist bedeutsam, wenn es gilt, Fremdheit zu integrieren. Der Blick auf uns selbst offenbart das Fremde in uns, das wir im anderen sehen. Wie wir damit umgehen, bestimmt, wie wir miteinander umgehen. "Wir brauchen das Fremde als einen Spiegel, um uns darin selbst sehen zu können. Identität entwickelt sich, wenn wir uns austauschen und von anderen berühren lassen", schreibt Gleich in seinem Essay, in dem er die Entstehung von Fremdenhass und deren Überwindung untersucht - und sich selbst nicht ausklammert: "Jede Ablehnung steht für einen Skizzenstrich, alle zusammen zeichnen das Porträt des Fremden in mir. Ich gebe zu, dass es mir nicht leichtfällt, ihm in die Augen zu schauen. Aber er gehört zu mir. Wer, außer mir, sollte sich um ihn kümmern?" Jeder muss sich um den Fremden - innen wie außen - kümmern. Verantwortung jedes Einzelnen ist für eine gemeinsame Zukunft angesagt. Ob sie sich durch Ausgrenzung oder Zusammenschluss, Ignoranz oder Dialog - letztendlich Krieg oder Frieden auszeichnen wird, wird sich zeigen. Felixberger und Gleich informieren und sensibilisieren mit ihrem weitsichtigen Buch für die Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Und machen deutlich: Jeder nimmt teil.

Sascha Hellmann ist freier Mitarbeiter bei changeX.

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Peter Felixberger / Michael Gleich:
Culture Counts.
Wie wir die Chancen kultureller Vielfalt nutzen.

Econ Verlag, Berlin 2009,
224 Seiten, 19.90 Euro.
ISBN 978-3-430-20066-0
www.ullsteinbuchverlage.de/econ

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: Culture Counts. . Wie wir die Chancen kultureller Vielfalt nutzen. . Econ Verlag, Berlin 2009, 224 Seiten, ISBN 978-3-430-20066-0

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Sascha Hellmann
Hellmann

Sascha Hellmann ist freier Journalist in Heidelberg. Er arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

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