Daniel Düsentrieb im Jülicher Wald.
An unerwarteter Stelle im
westfälischen Jülich zum Beispiel finden sich die Ausläufer der
weitverzweigten deutschen Forschungslandschaft. Hinter der Stadt
liegt ein ausgedehntes Gewerbegebiet. Darauf folgt ein Depot
ausrangierter Bundeswehrfahrzeuge. Danach kommt ein tiefer,
dunkler Wald. "Lange geht die Straße immer nur geradeaus, immer
tiefer hinein ins Gehölz - bis schließlich eine Lkw- und
Buswendespur ein nahes Ende der Sackgasse signalisiert. Hinter
einem hohen Stacheldrahtzaun und großen Schlagbäumen beginnt dann
erst das Forschungszentrum." Die Wegbeschreibung klingt fast ein
bisschen nach James Bond. Es ist aber nur der Weg in das
Forschungszentrum Jülich der deutschen Helmholtz-Gemeinschaft.
Diese ist der Goliath unter den deutschen
Forschungseinrichtungen. Mit 2,25 Milliarden Euro Jahresbudget
und 15 Forschungszentren in Deutschland ist die
Helmholtz-Gemeinschaft die mit Abstand größte deutsche
Forschungsorganisation. Und die Direktoren der Helmholtz-Zentren
sind "vielleicht die schillerndsten Figuren des deutschen
Forschungsbetriebs".
Als "eingefleischte Forscher" sind sie zugleich
Wissensmanager, die nicht selten Etats von mehreren hundert
Millionen Euro verwalten und die Aktivitäten von insgesamt bis zu
10.000 Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen
koordinieren. Zwar hat die Helmholtz-Gemeinschaft selbst noch
keinen Nobelpreisträger hervorgebracht, aber einige ihrer
Mitglieder gelten als heiße Kandidaten. Peter Grünberg etwa hat
am Forschungszentrum Jülich den sogenannten
Riesenmagnet-Widerstand entdeckt und nutzbar gemacht. Weitere
Kandidaten aus der Gemeinschaft sind Harald zur Hausen und Peter
Schlegel, die sich beide maßgeblich in der Krebsbekämpfung
hervorgetan haben.
Die deutsche Spitzenforschung ist also nicht unbedingt
schlechter als die anderer Länder. Sie findet nur weniger an den
Universitäten statt, die sich in einer längeren Phase der
Neuorientierung befinden. Forschung in Deutschland ist ganz
wesentlich Sache der Forschungseinrichtungen, die meist die Namen
berühmter deutscher Wissenschaftler tragen: Max Planck, Joseph
von Fraunhofer, Gottfried Wilhelm Leibniz oder eben Hermann von
Helmholtz.
Argumente für einen vorsichtigen Optimismus.
So wie in diesem Beispiel bietet
Michael O. H. Kröher einen Überblick über die deutsche
Spitzenforschung. Abwechselnd stellt er Standorte, Institutionen
und Forschungsbereiche vor und zeigt, welches Potenzial in diesen
Exzellenzclustern schlummert, die zum Teil schon seit langem von
staatlicher Seite gefördert werden, wie etwa die
Biotechnologie-Einrichtungen in Martinsried bei München oder in
Dresden. Medizin-Nobelpreisträger Günter Blobel etwa ist sich
sicher, dass Sachsen "schon bald Deutschlands größtes und
wichtigstes Biotech-Zentrum" sein wird. Kröher macht plausibel,
dass sich die deutschen Forscher in Gebieten tummeln, die in
Zukunft enorme Wachstumsraten erwarten lassen.
Für die "denkenden Dinge" etwa, also Systeme, die uns
Probleme des Alltags abnehmen, bevor wir ihrer überhaupt gewahr
werden, prognostiziert Hans-Jörg Bullinger, der Präsident der
Fraunhofer-Gesellschaft, jährliche Umsätze von 500 Milliarden
Euro. Es wäre schon schön, wenn da deutsche Wissenschaftler und
Unternehmen mitmischten, denkt sich der Leser dabei. Und das tun
sie auch. Miele, BMW, Siemens, Bosch - viele sind dabei. Und das
auf einem Niveau, das China und andere Billiglohnländer nicht so
schnell erreichen werden, wie Michael O. H. Kröher mit
zahlreichen Beispielen deutlich macht. Letzten Endes ist man
dankbar, dass man nach den Katastrophenszenarien der jüngeren
Vergangenheit mal wieder etwas hoffnungsvoll Stimmendes lesen
kann. Kröhers Buch ist eine sachliche Anleitung für vorsichtigen
Optimismus, auch wenn das eine oder andere Szenario vielleicht
geradezu märchenhaft anmutet. Nicht zuletzt bietet das Buch
Anlass, über die staatliche Forschungsförderung nachzudenken,
deren Mitteleinsatz die deutschen Forschungserfolge erst möglich
macht. Letzten Endes aber bleibt da eine Frage stehen: Hatte
Keynes am Ende vielleicht doch recht?
Sigmar von Blanckenburg ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Michael O. H. Kröher:
Wirtschaftsfaktor Wissen.
Wie unsere Spitzenforschung den Standort Deutschland
voranbringt,
Econ Verlag, Berlin 2007,
250 Seiten, 19.90 Euro,
ISBN 978-3-446-41005-3
www.econ.de
© changeX Partnerforum [05.06.2007] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Michael O. H. Kröher: Wirtschaftsfaktor Wissen. . Wie unsere Spitzenforschung den Standort Deutschland voranbringt. . Econ Verlag, Berlin 1900, 250 Seiten, ISBN 978-3-446-41005-3
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