Wie im Rotlichtmilieu.
Er schreibt: "Die Fleischbranche ist in einem Maße für Kriminalität anfällig, wie man es sonst eher aus dem Rotlichtmilieu kennt." Ihre kriminellen Geschäfte reichen vom gewerbsmäßigen Betrug über Korruption, Verdunkelung und Dokumentenfälschung bis hin zum organisierten Menschenhandel. Adrian Peter war selbst überrascht, als er am Beginn seiner Recherchen auf eine neue Praxis in der Fleischbranche aufmerksam gemacht wurde: Zu Tausenden entließen große Fleischfirmen deutsche Mitarbeiter und ersetzten sie durch billige, illegal beschäftigte osteuropäische Arbeitskräfte, die in sklavenähnlichen Verhältnissen hier in Deutschland arbeiten und leben. Der Autor zitiert aus den Akten der Staatsanwaltschaft Oldenburg: "Von Arbeitern, die zwischen zwölf und 18 Stunden täglich bei Stundenlöhnen zwischen 1,50 Euro und vier Euro schuften und die in häufig verwahrlosten Unterkünften hausen müssen, kann man kaum erwarten, dass sie sich mit dem Lebensmittelhersteller identifizieren, geschweige denn mit dessen Produkt." Kein Einzelfall. Ein anderes Beispiel ist die Firma Berger-Wild, deren Firmenchef über einen Subunternehmer billige Arbeitskräfte aus Ungarn angeheuert hatte und dafür zu 4.400 Euro Strafe verurteilt worden war. Nach einer weiteren Verurteilung hat Berger-Wild unlängst Konkurs angemeldet - nach den illegalen Arbeitskräften ging es nun um Gammelfleisch. Ein Zusammenhang, der Adrian Peter zufolge systematische Züge aufweist.
Billigpreisstrategie als Verursacher.
Im Klartext: Es fehlt an
qualifiziertem Personal, weil das Dumping bei den
Lebensmittelpreisen die Hersteller zu drastischen Kostensenkungen
in allen Bereichen zwingt. Da der Kunde das Kilo Schnitzel
möglichst billig an der Theke kaufen will, hat sich dahinter eine
effiziente Fleischverarbeitungsindustrie etabliert. Denn nur
industrielle Massenproduktion gewährleistet geringe Stückkosten.
Und das gilt beim T-Shirt ebenso wie beim Stück Fleisch.
Eindrücklich beschreibt Peter die Branchenstruktur von
Megabetrieben wie dem Tönnies-Konzern, Deutschlands zweitgrößten
Fleischverarbeiter. Im Stammwerk Rheda-Wiedenbrück werden täglich
20.000 Schweine geschlachtet. Das Fleisch landet bei den
Billigketten Lidl, ALDI und REWE und bei McDonald's. 2,8
Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet der Tönnies-Konzern.
In investigativen Kurzreportagen spürt Peter den
Machenschaften der Fleischindustrie nach, zitiert Originaltöne
und Gerichtsakten, befragt Hintermänner und Drahtzieher. So
entsteht das Bild einer Branche, in der sich Dreistigkeit und
Gier breitgemacht haben und Rechtsbrüche als Kavaliersdelikte
gelten. Und in der billig das Maß aller Dinge ist. "Die
Billigpreisstrategie hat einen Nährboden für kriminelle
Machenschaften geschaffen", bestätigt auch die frühere
Verbraucherschutzministerin Renate Künast in ihrem Vorwort zu
Peters Buch.
Und wie weiter? Peter ist sich sicher, dass diese
rücksichtslosen Machenschaften und die damit verbundenen
Fleischskandale andauern werden. Dafür sprechen mehrere Gründe:
Das Unrechtsbewusstsein in der Branche ist wenig ausgebildet, die
kriminellen Strukturen sind noch weiter verbreitet und gehen
tiefer als bisher angenommen. Und selbst wenn der eine oder
andere verurteilt wird, dann ändert das nicht unbedingt sein
Verhalten, da die Strafen nicht selten vergleichsweise milde
ausfallen - und die Übeltäter bald wieder in neue Skandale
verwickelt sind. "Insofern ist es nur eine Frage der Zeit, wann
der nächste Fleischskandal aufgedeckt wird", lautet das
ernüchternde Fazit des Autors.
Die Quittung des Verbrauchers.
Seine einzige Hoffnung liegt auf der Macht der Verbraucher. Dass sie wirkt, zeigt das Beispiel der real,-Märkte, von denen im Jahr 2005 der Skandal um umetikettiertes Hackfleisch seinen Ausgang nahm. Ein Jahr darauf musste die METRO AG, zu der die Kette gehört, einen Gewinneinbruch um 30 Prozent bekannt geben. Und eingestehen, dass dies die Quittung des Verbrauchers für den Ekelskandal war.
Adrian Peter:
Die Fleischmafia.
Kriminelle Geschäfte mit Fleisch und Menschen,
Econ Verlag, Berlin 2006,
203 Seiten, 16.95 Euro,
ISBN 3-430-30013-4
www.econ.de
Marie Meyer-Miethke ist freie Mitarbeiterin bei changeX.
© changeX Partnerforum [28.11.2006] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Adrian Peter: Die Fleischmafia. . Kriminelle Geschäfte mit Fleisch und Menschen. . Econ Verlag, Berlin 1900, 203 Seiten, ISBN 3-430-30013-4
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