Familienunternehmen - ein Gegenmodell zum Shareholder-Kapitalismus.
Zwar hat das neue Modell der
rational organisierten, gerade von persönlichen Beziehungen
abstrahierenden Firma das traditionelle Modell durchdrungen, auch
in den Hintergrund gedrängt, aber nie ablösen können. Zwar stehen
Großunternehmen in der Wirtschaftsberichterstattung im
Vordergrund, auch gilt vielen Ökonomen die börsennotierte
Publikumsgesellschaft, die auch auf Seiten der Anteilseigner dem
Marktmechanismus gehorcht, als der Unternehmensweisheit letzter
Schluss. Familienunternehmen hingegen haftet der Ruch des
Antiquierten und Altbackenen an, sie schienen als Auslaufmodell
in einer Wirtschaftswelt, in welcher der Börsenkurs als Maß aller
Dinge gilt.
Doch die wirtschaftliche Realität sieht anders aus. Mehr
als 90 Prozent der Unternehmen hierzulande sind
Familienunternehmen. Sie erwirtschaften annähernd zwei Drittel
des Bruttosozialprodukts. Und viele von ihnen sind
außerordentlich erfolgreich. Dieser Erfolg und ihre Beständigkeit
oftmals über mehrere Generationen hinweg haben zu einem Umdenken
geführt. Familienunternehmen sind wieder ein Thema, ja gelten
sogar als bodenständiges Gegenmodell zu dem
Shareholder-Kapitalismus angelsächsischer Prägung.
Das Ende des alten Deals.
Nicht zuletzt geraten rationale Organisationen in ein Dilemma, wenn ihre Art zu wirtschaften nicht mehr nur eine definierte Arbeitsleistung verlangt, sondern mehr und mehr den ganzen Menschen - und einen nicht geringen Teil seiner Lebenszeit. Dann funktioniert der alte Deal Arbeit gegen Geld nur noch begrenzt. Loyalität schaffen und sichern wird zunehmend schwierig, weil rationale Unternehmen nur beschränkt geben können, was sie zunehmend fordern, ja fordern müssen, weil es die Arbeit so verlangt: Verantwortung, Empathie, Passion. Deshalb waren die Flipperautomaten, Couchecken, die Sport- und Incentive-Programme der New Economy nur ein erster Vorgeschmack auf kommende Veränderungen der Arbeitswelt.
"Clan Value rechnet sich!"
Einen Vorgeschmack liefert auch ein
Buch, das in diesem Frühling erschienen ist. Clan Value ist das
Gegengift zum Shareholder Value: ein "Sinn stiftender und Arbeit
schaffender Ausweg", wo das Shareholder-Denken "immer stärker in
die Sackgasse der Arbeitsplatzvernichtung mündet". Ungeachtet
verschiedener zweifelhafter Konnotationen des Begriffs ist der
Clan für Elisabeth Heller das Gegenmodell zum rational verfassten
Unternehmenstypus. Sie empfiehlt: "Machen Sie aus Ihrer Familie
ein Unternehmen und aus Ihrem Unternehmen eine Familie."
Denn die beiden sozialen Organisationsformen seien nur zwei
Seiten einer Medaille. "Ich habe verstanden, dass mein
Unternehmen erfolgreich ist, weil es funktioniert wie eine
erweiterte Familie, wie ein Clan eben", schreibt die Wiener
Unternehmensberaterin in ihrem Ratgeber. Es ist ein sehr
persönlich gefärbtes Plädoyer für eine Wirtschaft mit
menschlichem Antlitz, die auf gegenseitigem Geben und Nehmen, auf
verantwortungsvollem Miteinander und auf angstfreien Beziehungen
zueinander basiert. Heller untermauert mit zahlreichen
Beispielen, teils aus archaischen Stammeskulturen, teils aus
Familienunternehmen, dass gepflegte und wohl ausgeglichene
Beziehungen ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor sind.
Nicht zuletzt auch in finanzieller Hinsicht. "Der Clan
Value rechnet sich!", proklamiert die Autorin. Denn höheren
Aufwendungen für Arbeitsatmosphäre und Gemeinschaftsaktivitäten
stehen etliche positive Effekte gegenüber, die sich in geringeren
Kosten niederschlagen: Geringere Ausfallraten infolge von
Personalfluktuation, geringere Abwesenheitszeiten der
Mitarbeiter, weniger Konkurrenzkampf, weniger Konflikte und
Intrigen, mehr Motivation und ein größeres
Zusammengehörigkeitsgefühl, nicht zuletzt auch bessere
Beziehungen zu Lieferanten und Kunden sind die Aktivposten
ausgeglichener und familiärer Arbeitsbeziehungen.
Win-Win, altindisch.
Diese wiederum sind Teil eines Wirtschaftsverständnisses, das den Gewinn aller, nicht nur einzelner Beteiligter im Auge hat. Bei ihren Recherchen ist Elisabeth Heller auf eine wunderbar klare Regel für gute Geschäfte gestoßen. Sie stammt aus dem Arthashastra, einem indischen Politiklehrbuch aus dem 4. Jahrhundert vor Christus: "Das grundlegende Prinzip jeglicher Geschäftstätigkeit besteht darin, dass kein Mensch, mit dem du Geschäfte machst, dabei verliert. Wenn du diesem Prinzip folgst, wirst du auch nicht verlieren."
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
Elisabeth Heller:
Clan Value.
So machen Sie aus Ihrer Familie ein Unternehmen
und aus Ihrem Unternehmen eine Familie,
Econ Verlag, Berlin 2006,
247 Seiten, 16 Euro,
ISBN 3-430-14258-X
www.econ.de
© changeX [22.06.2006] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Elisabeth Heller: Clan Value. . So machen Sie aus Ihrer Familie ein Unternehmen und aus Ihrem Unternehmen eine Familie. . Econ Verlag, Berlin 1900, 247 Seiten, ISBN 3-430-14258-X
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Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.