| Folge 24: Jörg Hackeschmidt von Pleon Berlin. |
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Eine etwas andere Perspektive.
"So etwas macht mir am meisten
Spaß." Jörg Hackeschmidt lacht und nimmt einen Schluck Bordeaux.
Etwas bewegen, eine andere Perspektive in die Diskussion bringen,
Journalisten von meinungsführenden Medien auf neue Fährten
führen, sie gezielt mit Informationen zu versorgen und auf neue
Themen stoßen, das ist sein Ding. "Wenn diese Journalisten dann
das Thema aufgreifen, obwohl die Anregung doch nur von einem
PR-Futzi gekommen ist - großartig."
Berlin-Mitte, Ecke Friedrichstraße. Ein paar Blocks vom
Checkpoint Charlie entfernt gleiten die Autos durch den
Schneematsch. Leise Musik plätschert durch die langen Fluchten
des "Entrecôte". Fast alle Tische im Restaurant sind belegt.
Vorne diskutieren die Chefredakteure von
Welt und
Welt am Sonntag über Salat und Rindersteak, hinten sitzen
Berlin-Besucher, Lobbyisten und Lehrer der Kunsthochschule Seite
an Seite beisammen. Es gibt Kalb und dunkles Bratenfleisch, einen
anständigen Hauswein, Selters und Baguette. Mittagstisch. Pleon
Kohtes Klewes liegt nicht weit entfernt, die Gastronomie hat sich
auf das Businessvolk im Berliner Zentrum eingestellt. Mit seinem
schwarzen Rolli, der randlosen Brille und dem feinen Lächeln
passt der Senior Consultant gut in diese geschäftige Arbeitswelt
von Politik, Wirtschaft und Medien.
Jörg Hackeschmidt ist schon seit zehn Jahren dabei, "ein
altes Schlachtross", wie er sagt. Durch Zufall hatte es ihn 1995
in die Agentur verschlagen. Er war gerade mit Studium und
Promotion fertig, hatte einer unsicheren Wissenschaftslaufbahn
den Rücken gekehrt und schlug sich als freier Journalist durch,
als ihm ein Freund eine Stellenanzeige auf den Tisch warf. "Schau
mal, vielleicht wär das etwas für dich: Kohtes und Klewes suchen
einen wissenschaftlich versierten Journalisten." Aber wer zum
Teufel waren Kohtes und Klewes? Hackeschmidt ging in die
Universitätsbibliothek und recherchierte. Ein komischer Name,
aber, immerhin, der Marktführer in der Kommunikationsbranche. Er
bewarb sich - und wurde einer von sieben Redakteuren der Agentur
am Standtort Bonn.
Blick hinter die Kulissen der DDR.
Eine Karriere in der Kommunikationsberatung - daran hätte er nie gedacht, als er 1982 sein Studium aufnahm. Damals entscheidet er sich für Geschichte und osteuropäische Geschichte im Nebenfach. Der Osten hat ihn schon immer interessiert. Ende der 50er Jahre waren seine Eltern aus der DDR geflohen. Die Verwandten blieben drüben. Als Kind besucht Hackeschmidt oft seine Großeltern, die Onkel und Tanten in der DDR. Schnell kennt er mehr als nur die Fernsehversion der Deutschen Demokratischen Republik. Tief prägen ihn die Erfahrungen einer maroden Gesellschaft, in der nichts funktioniert. Hinter die Kulissen der sozialistischen Fratze geschaut zu haben unterscheidet ihn von vielen seiner Freunde und Bekannten im Westen. Der Idealisierung der DDR in der westdeutschen Linken kann er nichts abgewinnen. Der verbissenen Ignoranz des Alltags und der Realitäten im Osten ebenso wenig. "Wer nur einmal mit dem Zug an Bitterfeld vorbeigefahren war, musste doch sehen: Hier ist nichts als eine völlig kaputte Industrielandschaft."
Ostblockkoller.
Es sind solche Erfahrungen, die ihn neugierig machen: Er will mehr darüber wissen, wie der Ostblock tickt. Im Studium lernt Hackeschmidt Polnisch, nimmt an einem Programm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes teil, erlebt Krakau, Warschau und Danzig im zweiten Jahr des Kriegsrechts, sieht, wie alte Frauen der schwerbewaffneten Miliz vor den Kirchen den Stinkefinger entgegenstrecken. Wo sich die Ostdeutschen anpassen, begehren die Polen auf. Diese Zivilcourage vergisst er nie. Auch nicht nach seinem "Ostblockkoller". "Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr." Hackeschmidt schwenkt um, wechselt von osteuropäischer Geschichte zu seiner alten Liebe: englische Literatur. Nach dem Studium arbeitet er als Lokalreporter für die Süddeutsche, ist freier Mitarbeiter beim Radio des Bayerischen Rundfunks, beginnt ein Volontariat bei einer Filmzeitschrift. Doch die Wissenschaft lässt ihn nicht los. Als ein Stipendienangebot kommt, geht Hackeschmidt als Research Fellow nach Tel Aviv. Dort promoviert er über das staatstheoretische Denken junger intellektueller deutscher Juden, die sich in den 1920er Jahren Gedanken über die ideenpolitische Einbettung des künftigen Staates Israel machen. Leute wie Norbert Elias zum Beispiel. Als der Golfkrieg droht, verlässt er mit einer der letzten Lufthansa-Maschinen voller orthodoxer Juden das Land. Wieder hat er viel über Realität und Wahnsinn gelernt.
Fundiert schreiben.
Im vierten Stock, am Ende eines
verwinkelten Ganges, liegt das Reich von Jörg Hackeschmidt. Ein
kleines Büro gleich unterm Dach, Blick auf den kargen Innenhof.
Vor der Tür sitzen Kollegen zum Meeting beisammen, leise dringen
ihre Stimmen durch die Tür des Beraters und Redenschreibers.
Hackeschmidt knipst die blutrote Schreibtischlampe an. Die Regale
ächzen unter der Last von Ordnern und Sortierschubern: "Toll
Collect", "Neugeschäft" oder "Stoffsammlung Microsoft" steht auf
ihren Rücken. Seit Wochen liegt das schöne Plakat "Fünf Jahre
brand eins" auf dem Sideboard. "Ich komme nicht dazu, es
aufzuhängen." Agenturalltag.
An den hat sich der 43-Jährige längst gewöhnt. Sein
Einstieg bei Kohtes und Klewes liegt lange zurück. Die
Wissenschaft auch. Obwohl sie ihm in den Anfängen ebenso sehr
geholfen hat wie seine journalistische Erfahrung. Schließlich
sollte er die Bonner Mannen stärken bei der Aufgabe, die Umwelt-
und Nachhaltigkeitskommunikation zu professionalisieren. Sich
tief in Themen eingraben und doch die journalistische Denke nicht
ausschalten, darauf kam es an. Er schrieb für den Dosenhersteller
Schmalbach Lubeca, konzeptionierte für Tetra Pak, feilte an Reden
für Vorstandsvorsitzende und war maßgeblich beteiligt am ersten
Umweltbericht der BMW Group. Immer mehr übernahm der Redakteur
Beraterfunktionen, doch seine journalistische Brille wollte er
nicht zur Gänze ablegen: Für wie wichtig die Kunden auch immer
ihre internen Prozesse, ihre Fachsprachen und
Branchen-Entwicklungen halten mögen: Die Welt da draußen
interessiert das in der Regel überhaupt nicht. Wenn Kommunikation
funktionieren soll, müsse man schon genau überlegen: Warum ist
das relevant? Wie kann man erfolgreich einer öffentlichen Debatte
eine andere Färbung geben, neue Aspekte einspeisen? "Seriöse PR
hat nichts mit Verkaufen oder Bequatschen zu tun. Unsere Aufgabe
ist es, zu beraten, zu ermutigen und die passenden Instrumente
zur rechten Zeit einzusetzen."
Durchgedrehte Zeit des Booms.
Seit 1999 ist Jörg Hackeschmidt in
Berlin. Er hat den kreativen und den journalistischen Bereich im
Hauptstadtbüro aufgebaut. "Das war diese völlig irre,
durchgedrehte Zeit des Booms", erinnert er sich. Eine Zeit, in
der er den Geschäftsbericht für Pixelparks Börsengang schrieb und
seine Kollegen und er den geplanten Börsengang des
Amazon-Konkurrenten BOL von Bertelsmann kommunikativ begleiteten.
Bis die Blase platzte. Aufwendig produzierte Kundenmagazine
wurden eingestellt, Firmen dicht gemacht. "Dann mussten auch wir
uns gesundschrumpfen." Mittlerweile aber arbeiten bei Pleon
Berlin mehr Berater als während des New-Economy-Booms.
Heute ist Hackeschmidt viel mit Konzeption beschäftigt. Er
macht Pressearbeit, ersinnt Vorstandsreden, spinnt Netzwerke.
Viele Kontakte erleichtern die Arbeit in der
Kommunikationsbranche. Liebend gern entwickelt der gertenschlanke
Kreative neue Ideen, wie sich Kundeninteressen wirksam
kommunizieren lassen. Als der Zukunftsforscher Opaschowski vom
Hamburger BAT-Freizeit-Forschungsinstitut auf Pleon Kohtes Klewes
zukam, weil das Institut das politische Geschehen in Berlin
besser kennen lernen wollte, erdachten er und seine Kollegen
beispielsweise die Delphi-Gespräche, eine exklusive Berliner
Diskussionsrunde, die sich regelmäßig in edlem Rahmen zum
Debattentalk trifft.
Zehrendes Geschäft.
Nach wie vor begeistert sich Jörg
Hackeschmidt für die Arbeit als Kommunikationsberater. Sicher,
manchmal ist es schade, entmutigend, nervend, wenn Kunden smarte
Konzepte ablehnen und gute, tragfähige Texte in Grund und Boden
redigieren. Sicher, zuweilen ist es enttäuschend, wenn aus einer
mutigen, zündenden Rede jeder Pfiff rausgenommen wird, bis nur
noch Durchschnittsware ohne Esprit übrig bleibt. Sicher ist der
Agenturalltag mit seinen 50 oder mehr Wochenstunden auf Dauer ein
ziemlicher Schlauch. Hackeschmidt: "Consulting ist ein zehrendes
Geschäft. Es ist kein Zufall, dass manchmal schon Anfang
30-Jährige einen Tinnitus bekommen. Zum Glück habe ich gelernt,
nein zu sagen. Gerade wenn man kreativ arbeitet und immer wieder
neue Ideen ausbrüten muss, ist es wichtig, sich Ruhepausen zu
nehmen und von anderswo Anregungen zu holen. Sonst kann man die
geforderte hohe Qualität und das hohe Tempo nicht halten."
Seit einem Jahr arbeitet Hackeschmidt vier Tage die Woche.
Mal sehen, wie lange das klappt. Eine ungewöhnliche Entscheidung
im Agenturbetrieb, aber überzeugend begründet, wurde sie
akzeptiert. Dadurch hatte er etwa Zeit, acht Wochen lang den
amerikanischen Wahlkampf vor Ort und aus nächster Nähe zu
beobachten, sich in Think-Tanks umzuhören, in die politische
Landschaft Washingtons einzutauchen wie Ende 2004, als George W.
Bush um seine Wiederwahl kämpfte und die ganze Welt gebannt
zusah. Eine anregende Zeit. "Ich habe viel gelernt in den USA und
interessante Kontakte geknüpft." Und: Durch die Fusion von
Brodeur Europe und ECC zu Pleon kommen neue, spannende Aufgaben
auf die größer und internationaler gewordene Agentur zu. "Pleon
wird etwas anderes und ist schon etwas anderes. Auch wenn man
diesen Wandel im Stress der Alltagsarbeit leicht übersieht. Aber
wenn man mit Kunden zusammenarbeitet, die jetzt international
betreut werden, ist die Veränderung schon jetzt zu spüren." Jörg
Hackeschmidt wippt ein wenig in seinem Drehstuhl, schaut über
seine randlose Brille und lächelt sein strahlendes und leicht
verschmitztes Lächeln.
English version: [ PDF... ]
Jörg Hackeschmidt ist Senior Consultant und Kommunikationsberater bei Pleon Berlin.
Anja Dilk ist Redakteurin bei changeX.
Weitere Informationen:
www.pleon.com
© changeX Partnerforum [15.03.2005] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Autorin
Anja DilkAnja Dilk ist Berliner Korrespondentin, Autorin und Redakteurin bei changeX.