Presse-Coop
Europäer beraten Europäer.
| Folge 24: Jörg Hackeschmidt von Pleon Berlin. |
Von Anja Dilk
Pleon ist ein neues europäisches Beratungsunternehmen. Seine Vision ist ungewöhnlich: Die Intelligenz der einzelnen Länder und Regionen für eine gemeinsame Netzökonomie nutzen. In den nächsten Monaten begleiten wir diese einmalige Mission mit Reportagen und Essays. Aus einem Europa, in dem zusammenwächst, was zusammengehört. Heute: Jörg Hackeschmidt versorgt Journalisten mit Informationen und stößt sie auf neue Themen. Der promovierte Historiker ist ein seriöser Pressearbeiter, immer auf der Höhe der Zeit.
Jörg Hackeschmidt
Jörg Hackeschmidt,
Senior Consultant und
Kommunikationsberater
bei Pleon Berlin.
Das wird er nie vergessen: Im Sommer 2003, als Deutschlands Medien über die Pharma-Branche herfielen und die forschenden Arzneimittelhersteller auf der Höhe der Debatte über die Gesundheitsreform argumentativ keinen Fuß mehr auf den Boden brachten, rief der Redaktionsleiter von Maybritt Illner Jörg Hackeschmidt zurück: "Können Sie uns einen interessanten Pharmachef in die Sendung schicken?" Zwei Tage später saß der Vorstandsvorsitzende eines großen Pharmaunternehmens bei Illner in der Sendung. Sachlich und überzeugend argumentierte der Pharmaboss. Entspannt saß er im gleißenden Scheinwerferlicht. Wählte einfache, klare, fernsehtaugliche Worte. Endlich durfte er öffentlich für seine Zunft in die Bresche springen, konnte jahrelang vorherrschende Vorurteile aufbrechen und gegenhalten gegen die populistischen Dampfplauderer der Debatten. Der Mann, der die Sendung "Berlin Mitte" nicht einmal kannte, schlug sich wie ein Profi. Jörg Hackeschmidt, verborgen im Halbdunkel des TV-Studios, lächelte zufrieden in sich hinein. Mit seinem Team von Kommunikationsexperten und Medienexperten hatte er den Herrn trefflich eingestimmt. Gute Arbeit. Nicht mehr und nicht weniger.

Eine etwas andere Perspektive.


"So etwas macht mir am meisten Spaß." Jörg Hackeschmidt lacht und nimmt einen Schluck Bordeaux. Etwas bewegen, eine andere Perspektive in die Diskussion bringen, Journalisten von meinungsführenden Medien auf neue Fährten führen, sie gezielt mit Informationen zu versorgen und auf neue Themen stoßen, das ist sein Ding. "Wenn diese Journalisten dann das Thema aufgreifen, obwohl die Anregung doch nur von einem PR-Futzi gekommen ist - großartig."
Berlin-Mitte, Ecke Friedrichstraße. Ein paar Blocks vom Checkpoint Charlie entfernt gleiten die Autos durch den Schneematsch. Leise Musik plätschert durch die langen Fluchten des "Entrecôte". Fast alle Tische im Restaurant sind belegt. Vorne diskutieren die Chefredakteure von Welt und Welt am Sonntag über Salat und Rindersteak, hinten sitzen Berlin-Besucher, Lobbyisten und Lehrer der Kunsthochschule Seite an Seite beisammen. Es gibt Kalb und dunkles Bratenfleisch, einen anständigen Hauswein, Selters und Baguette. Mittagstisch. Pleon Kohtes Klewes liegt nicht weit entfernt, die Gastronomie hat sich auf das Businessvolk im Berliner Zentrum eingestellt. Mit seinem schwarzen Rolli, der randlosen Brille und dem feinen Lächeln passt der Senior Consultant gut in diese geschäftige Arbeitswelt von Politik, Wirtschaft und Medien.
Jörg Hackeschmidt ist schon seit zehn Jahren dabei, "ein altes Schlachtross", wie er sagt. Durch Zufall hatte es ihn 1995 in die Agentur verschlagen. Er war gerade mit Studium und Promotion fertig, hatte einer unsicheren Wissenschaftslaufbahn den Rücken gekehrt und schlug sich als freier Journalist durch, als ihm ein Freund eine Stellenanzeige auf den Tisch warf. "Schau mal, vielleicht wär das etwas für dich: Kohtes und Klewes suchen einen wissenschaftlich versierten Journalisten." Aber wer zum Teufel waren Kohtes und Klewes? Hackeschmidt ging in die Universitätsbibliothek und recherchierte. Ein komischer Name, aber, immerhin, der Marktführer in der Kommunikationsbranche. Er bewarb sich - und wurde einer von sieben Redakteuren der Agentur am Standtort Bonn.

Blick hinter die Kulissen der DDR.


Eine Karriere in der Kommunikationsberatung - daran hätte er nie gedacht, als er 1982 sein Studium aufnahm. Damals entscheidet er sich für Geschichte und osteuropäische Geschichte im Nebenfach. Der Osten hat ihn schon immer interessiert. Ende der 50er Jahre waren seine Eltern aus der DDR geflohen. Die Verwandten blieben drüben. Als Kind besucht Hackeschmidt oft seine Großeltern, die Onkel und Tanten in der DDR. Schnell kennt er mehr als nur die Fernsehversion der Deutschen Demokratischen Republik. Tief prägen ihn die Erfahrungen einer maroden Gesellschaft, in der nichts funktioniert. Hinter die Kulissen der sozialistischen Fratze geschaut zu haben unterscheidet ihn von vielen seiner Freunde und Bekannten im Westen. Der Idealisierung der DDR in der westdeutschen Linken kann er nichts abgewinnen. Der verbissenen Ignoranz des Alltags und der Realitäten im Osten ebenso wenig. "Wer nur einmal mit dem Zug an Bitterfeld vorbeigefahren war, musste doch sehen: Hier ist nichts als eine völlig kaputte Industrielandschaft."

Ostblockkoller.


Es sind solche Erfahrungen, die ihn neugierig machen: Er will mehr darüber wissen, wie der Ostblock tickt. Im Studium lernt Hackeschmidt Polnisch, nimmt an einem Programm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes teil, erlebt Krakau, Warschau und Danzig im zweiten Jahr des Kriegsrechts, sieht, wie alte Frauen der schwerbewaffneten Miliz vor den Kirchen den Stinkefinger entgegenstrecken. Wo sich die Ostdeutschen anpassen, begehren die Polen auf. Diese Zivilcourage vergisst er nie. Auch nicht nach seinem "Ostblockkoller". "Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr." Hackeschmidt schwenkt um, wechselt von osteuropäischer Geschichte zu seiner alten Liebe: englische Literatur. Nach dem Studium arbeitet er als Lokalreporter für die Süddeutsche, ist freier Mitarbeiter beim Radio des Bayerischen Rundfunks, beginnt ein Volontariat bei einer Filmzeitschrift. Doch die Wissenschaft lässt ihn nicht los. Als ein Stipendienangebot kommt, geht Hackeschmidt als Research Fellow nach Tel Aviv. Dort promoviert er über das staatstheoretische Denken junger intellektueller deutscher Juden, die sich in den 1920er Jahren Gedanken über die ideenpolitische Einbettung des künftigen Staates Israel machen. Leute wie Norbert Elias zum Beispiel. Als der Golfkrieg droht, verlässt er mit einer der letzten Lufthansa-Maschinen voller orthodoxer Juden das Land. Wieder hat er viel über Realität und Wahnsinn gelernt.

Fundiert schreiben.


Im vierten Stock, am Ende eines verwinkelten Ganges, liegt das Reich von Jörg Hackeschmidt. Ein kleines Büro gleich unterm Dach, Blick auf den kargen Innenhof. Vor der Tür sitzen Kollegen zum Meeting beisammen, leise dringen ihre Stimmen durch die Tür des Beraters und Redenschreibers. Hackeschmidt knipst die blutrote Schreibtischlampe an. Die Regale ächzen unter der Last von Ordnern und Sortierschubern: "Toll Collect", "Neugeschäft" oder "Stoffsammlung Microsoft" steht auf ihren Rücken. Seit Wochen liegt das schöne Plakat "Fünf Jahre brand eins" auf dem Sideboard. "Ich komme nicht dazu, es aufzuhängen." Agenturalltag.
An den hat sich der 43-Jährige längst gewöhnt. Sein Einstieg bei Kohtes und Klewes liegt lange zurück. Die Wissenschaft auch. Obwohl sie ihm in den Anfängen ebenso sehr geholfen hat wie seine journalistische Erfahrung. Schließlich sollte er die Bonner Mannen stärken bei der Aufgabe, die Umwelt- und Nachhaltigkeitskommunikation zu professionalisieren. Sich tief in Themen eingraben und doch die journalistische Denke nicht ausschalten, darauf kam es an. Er schrieb für den Dosenhersteller Schmalbach Lubeca, konzeptionierte für Tetra Pak, feilte an Reden für Vorstandsvorsitzende und war maßgeblich beteiligt am ersten Umweltbericht der BMW Group. Immer mehr übernahm der Redakteur Beraterfunktionen, doch seine journalistische Brille wollte er nicht zur Gänze ablegen: Für wie wichtig die Kunden auch immer ihre internen Prozesse, ihre Fachsprachen und Branchen-Entwicklungen halten mögen: Die Welt da draußen interessiert das in der Regel überhaupt nicht. Wenn Kommunikation funktionieren soll, müsse man schon genau überlegen: Warum ist das relevant? Wie kann man erfolgreich einer öffentlichen Debatte eine andere Färbung geben, neue Aspekte einspeisen? "Seriöse PR hat nichts mit Verkaufen oder Bequatschen zu tun. Unsere Aufgabe ist es, zu beraten, zu ermutigen und die passenden Instrumente zur rechten Zeit einzusetzen."

Durchgedrehte Zeit des Booms.


Seit 1999 ist Jörg Hackeschmidt in Berlin. Er hat den kreativen und den journalistischen Bereich im Hauptstadtbüro aufgebaut. "Das war diese völlig irre, durchgedrehte Zeit des Booms", erinnert er sich. Eine Zeit, in der er den Geschäftsbericht für Pixelparks Börsengang schrieb und seine Kollegen und er den geplanten Börsengang des Amazon-Konkurrenten BOL von Bertelsmann kommunikativ begleiteten. Bis die Blase platzte. Aufwendig produzierte Kundenmagazine wurden eingestellt, Firmen dicht gemacht. "Dann mussten auch wir uns gesundschrumpfen." Mittlerweile aber arbeiten bei Pleon Berlin mehr Berater als während des New-Economy-Booms.
Heute ist Hackeschmidt viel mit Konzeption beschäftigt. Er macht Pressearbeit, ersinnt Vorstandsreden, spinnt Netzwerke. Viele Kontakte erleichtern die Arbeit in der Kommunikationsbranche. Liebend gern entwickelt der gertenschlanke Kreative neue Ideen, wie sich Kundeninteressen wirksam kommunizieren lassen. Als der Zukunftsforscher Opaschowski vom Hamburger BAT-Freizeit-Forschungsinstitut auf Pleon Kohtes Klewes zukam, weil das Institut das politische Geschehen in Berlin besser kennen lernen wollte, erdachten er und seine Kollegen beispielsweise die Delphi-Gespräche, eine exklusive Berliner Diskussionsrunde, die sich regelmäßig in edlem Rahmen zum Debattentalk trifft.

Zehrendes Geschäft.


Nach wie vor begeistert sich Jörg Hackeschmidt für die Arbeit als Kommunikationsberater. Sicher, manchmal ist es schade, entmutigend, nervend, wenn Kunden smarte Konzepte ablehnen und gute, tragfähige Texte in Grund und Boden redigieren. Sicher, zuweilen ist es enttäuschend, wenn aus einer mutigen, zündenden Rede jeder Pfiff rausgenommen wird, bis nur noch Durchschnittsware ohne Esprit übrig bleibt. Sicher ist der Agenturalltag mit seinen 50 oder mehr Wochenstunden auf Dauer ein ziemlicher Schlauch. Hackeschmidt: "Consulting ist ein zehrendes Geschäft. Es ist kein Zufall, dass manchmal schon Anfang 30-Jährige einen Tinnitus bekommen. Zum Glück habe ich gelernt, nein zu sagen. Gerade wenn man kreativ arbeitet und immer wieder neue Ideen ausbrüten muss, ist es wichtig, sich Ruhepausen zu nehmen und von anderswo Anregungen zu holen. Sonst kann man die geforderte hohe Qualität und das hohe Tempo nicht halten."
Seit einem Jahr arbeitet Hackeschmidt vier Tage die Woche. Mal sehen, wie lange das klappt. Eine ungewöhnliche Entscheidung im Agenturbetrieb, aber überzeugend begründet, wurde sie akzeptiert. Dadurch hatte er etwa Zeit, acht Wochen lang den amerikanischen Wahlkampf vor Ort und aus nächster Nähe zu beobachten, sich in Think-Tanks umzuhören, in die politische Landschaft Washingtons einzutauchen wie Ende 2004, als George W. Bush um seine Wiederwahl kämpfte und die ganze Welt gebannt zusah. Eine anregende Zeit. "Ich habe viel gelernt in den USA und interessante Kontakte geknüpft." Und: Durch die Fusion von Brodeur Europe und ECC zu Pleon kommen neue, spannende Aufgaben auf die größer und internationaler gewordene Agentur zu. "Pleon wird etwas anderes und ist schon etwas anderes. Auch wenn man diesen Wandel im Stress der Alltagsarbeit leicht übersieht. Aber wenn man mit Kunden zusammenarbeitet, die jetzt international betreut werden, ist die Veränderung schon jetzt zu spüren." Jörg Hackeschmidt wippt ein wenig in seinem Drehstuhl, schaut über seine randlose Brille und lächelt sein strahlendes und leicht verschmitztes Lächeln.

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Jörg Hackeschmidt ist Senior Consultant und Kommunikationsberater bei Pleon Berlin.

Anja Dilk ist Redakteurin bei changeX.

Weitere Informationen:
www.pleon.com

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Autorin

Anja Dilk
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Anja Dilk ist Berliner Korrespondentin, Autorin und Redakteurin bei changeX.

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