Brainstorming im Termitenhügel
Europäer beraten Europäer.
| Folge 12: Michael Rechenbach und Andreas Steinert von Pleon Bonn.|
Von Gundula Englisch
Pleon ist ein neues europäisches Beratungsunternehmen. Seine Vision ist ungewöhnlich: Die Intelligenz der einzelnen Länder und Regionen für eine gemeinsame Netzökonomie nutzen. In den nächsten Monaten begleiten wir diese einmalige Mission mit Reportagen und Essays. Aus einem Europa, in dem zusammenwächst, was zusammengehört. Heute: In der Bonner Agentur hat man Erfahrung mit Herausforderungen - nur allzu oft galt es, dicke Bretter zu bohren oder schwierige Positionen zu vertreten.
Andreas Steinert
Andreas Steinert, geschäftsführender Partner von Pleon Bonn.
"Entweder es regnet oder die Bahnschranken sind runter." So lästert eine bekannte Bonner Redensart mit typisch rheinländischem Humor über das Wesen der ehemaligen Bundeshauptstadt. Dass Bonn nicht gerade der spannendste Fleck auf der deutschen Landkarte ist, gilt gemeinhin als bekannt. Provinziell und überschaubar, verschlafen und ein wenig fad - das sind die üblichen Attribute für die "kleine Stadt am Rhein". Stimmt ja auch - zumindest für die Südstadt, jenes schläfrig-adrette bürgerliche Gründerzeitviertel im Bonner Zentrum, an dem das vergangene Jahrhundert nahezu spurlos vorbeigezogen ist. Und die Sache mit den Bahnschranken stimmt ebenfalls, weil die Fern- und Güterzüge zum Hauptbahnhof nämlich mitten durch die Ruhe dieses Quartiers rauschen. Doch hinter den Kulissen rumort es: In der Nähe der Agentur haben hier zum Beispiel auch die Deutsche Telekom und die Deutsche Post ihren Hauptsitz.
"Hier wackeln schon mal die Wände", sagt Michael Rechenbach, Senior Consultant bei Pleon Bonn und lädt ein zum gemeinsamen Rundgang durch die Büroräume in der Kaiserstraße: zwei halbe Treppen runter und eine ganze wieder rauf, durch enge Flure, breite Mauerdurchbrüche, gewundene Treppenhäuser und unzählige Türen. Ein Labyrinth, das insgesamt vier schmalbrüstige Belle-Époque-Häuser durchzieht. "Termitenhügel" nennen manche der knapp 50 Mitarbeiter ihr Büro - aber da untertreiben sie ein bisschen: An den hohen Decken prangen Stuckverzierungen, auf dem Fußboden glänzt schwarzer Marmor, hier und da unterbricht ein moderner Edelstahlkubus den Gründerzeitstil und auf der Rückseite des Hauses lockt ein idyllischer Garten mit alten Bäumen und Pavillon.

Gewachsen mit dem Grünen Punkt.


Andreas Steinert, geschäftsführender Partner von Pleon Bonn erzählt, wie es zu dem verschachtelten Standort gekommen ist und warum es das Büro in der früheren Hauptstadt überhaupt gibt, wo doch die große Firmenmutter direkt um die Ecke in Düsseldorf sitzt. "Anfang der 90er Jahre haben wir hier mit dem seinerzeit größten PR-Job in Deutschland begonnen - der Kunde hieß Duales System Deutschland, saß in Köln und wir sind mit ihm über ein Jahrzehnt gewachsen - und natürlich auch geprägt worden." Die Expertise in der Umwelt- und Nachhaltigkeitskommunikation, die große Research-Abteilung und die hohe Kompetenz in Sachen Problemthemen - all dies resultiert aus der langjährigen Arbeit für das deutsche Abfallentsorgermonopol, ein Unternehmen, das nicht selten in der öffentlichen Kritik war. "Wir haben bei der Medienarbeit immer dicke Bretter gebohrt, mussten uns mit unbequemen Fragen auseinander setzen und haben oft im Kreuzfeuer gestanden", sagt Andreas Steinert, "da muss man gut und gerne denken können."
Das allerdings haben er und Michael Rechenbach von der Pike auf gelernt. So unterschiedlich die beiden auftreten - Rechenbach eher der ruhige und nachdenkliche, Steinert eher der lebhafte und gesprächige Typ -, so sehr gleichen sich ihre Biografien.
Beide sind studierte Germanisten und Historiker. Beide haben bald nach dem Studium den wissenschaftlichen Elfenbeinturm verlassen, um in die PR-Branche(n) zu gehen. Beide haben erste Agenturerfahrung bei einer bundesweiten Großkampagne in Sachen Aidsprävention gesammelt. Und beide haben bis heute ein Faible für heikle gesellschaftliche Themen, die sich nicht so leicht verkaufen lassen.
Seit sie Anfang der 90er Jahre ins Bonner Büro von Kohtes Klewes gewechselt sind, gab es an solchen "harten Brettern" keinen Mangel. Neben der intensiven PR-Arbeit für das Duale System gab es Kampagnen für die Bundeswehr zum Thema Fremdenfeindlichkeit, für die katholische Kirche zur Schwangerschaftsberatung und für das Verbraucherministerium zu biologischen Nahrungsmitteln. Da ging es nicht um eine schlichte Markteinführung, sondern um das hoch gesteckte Ziel, Verhalten zu verändern. Aber diese Herausforderung, bestätigen die beiden Bonner Kommunikationsexperten, sei für sie das Salz in der Suppe, auch wenn der Job dadurch nicht leichter wird. "Solche Themen zu kommunizieren ist oft ein langsamer, zäher Prozess, der viel Übersetzung fordert", meint Andreas Steinert - und holt aus zu einem flammenden Plädoyer für Überzeugungsarbeit. "Journalisten sollte man nicht als 'Gatekeeper', sondern als 'Pfadfinder' betrachten. Die muss man also unbedingt dafür gewinnen, dass sie sich Zeit genug nehmen, um sich über schwierige Themen umfassend zu informieren. Das ist heute ziemlich problematisch. Auch mit den öffentlichen Auftraggebern ist die Arbeit oft ganz schön anstrengend - für die herrschen bei den Kosten und der Abwicklung viel härtere Gesetze als in der Privatwirtschaft." "Aber dafür gibt es dort kein Störfeuer durch Quartalszahlen", gleicht Michael Rechenbach aus. "Man kann sich voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren, hat mit sehr motivierten Leuten zu tun und mit sehr zielgenauen Abstimmungen. Das macht einfach Spaß und vermeidet unnötigen Stress."

Spektakuläre Projekte - grenzüberschreitend.


Michael Rechenbach
Michael Rechenbach, Senior Consultant bei Pleon Bonn.
Und offensichtlich führt es auch zu respektablen Resultaten, die nicht selten mit Auszeichnungen gekrönt wurden - etwa der Pavillon des Dualen Systems bei der EXPO oder der Renault Traffic Design Award, ein Wettbewerb für innovative Verkehrsarchitektur, der unkonventionelle Ideen für den öffentlichen Raum prämiert.
Spektakulär ist auch das jüngste Projekt der Bonner PR-Berater für den Kunden Renault Deutschland. Es heißt "safety stars" und ist eine Gemeinschaftsaktion des französischen Autobauers mit der Zeitschrift stern, dem Fahrlehrerverband und dem Verkehrsministerium. Ziel dieser ambitionierten Aktion ist es, junge Führerscheinneulinge zu einem verantwortungsvollen Fahrstil zu motivieren. Für den bundesweiten Wettbewerb "Deutschlands beste Fahranfänger" hatten sich dieses Jahr mehrere hundert Jugendliche qualifiziert. Ende September wurden in Berlin die Sieger gekürt - im Rahmen einer medienwirksamen Show mit bekannten Stars. "Ein echter Imageerfolg", schwärmt Michael Rechenbach, "wenn ein Importeur wie Renault als 'first mover' mit so einer Idee auf den deutschen Markt geht." Er hat die Aktion mit ersonnen und betreut und plant nun, das Konzept europaweit zu etablieren. Demnächst wolle man damit in der Renault-Zentrale in Paris vorstellig werden. Mit dem neuen europäischen Geschäftsmodell von Pleon hofft Rechenbach, dass solche grenzüberschreitenden Kontakte künftig häufiger und leichter werden, auch wenn er überzeugt ist, dass das eigentliche Kommunikationsgeschäft eine sehr kulturspezifische, lokale Sache ist. "Aber es ist sehr wichtig, zu erfahren, wie die Kollegen in anderen Ländern ticken, und dann auch gemeinsame Projekte mit ihnen zu entwickeln."
Die ersten Schritte sind bereits getan. Anfang des Jahres ist ein Austausch mit dem Büro von Pleon in Amsterdam geplant, um dort das Thema Research zu implementieren. Ein erfahrener Kollege aus Bonn wird mehrere Wochen in Amsterdam sein, um sein Know-how zum Thema Datenbankmanagement und Internetrecherche zu vermitteln. Dazu wird Amsterdam einen neuen Mitarbeiter einstellen, der dann in Bonn eingearbeitet wird. "Mittelfristig ist geplant, in allen europäischen Pleon-Standorten Research-Verantwortliche zu haben, die gemeinsam mit uns europaweite Projekte durchführen", sagt Andreas Steinert. Bei Pleon Bonn arbeite man gerne grenzüberschreitend: Jüngst etwa habe man für eine groß angelegte Studie zur Rezeption von Nachhaltigkeits- oder Umweltberichten durch Stakeholder fast 10.000 Mails an Experten in 88 Ländern verschickt.

Ab in die Berge.


Privat allerdings zieht Andreas Steinert die eigenen vier Wände dem internationalen Pflaster vor. Er ist in der Freizeit "vor allem begeisterter Familienvater, Hobbykoch und Jogger".
Anders Michael Rechenbach. Er würde am liebsten jede freie Minute weit weg von zu Hause in Italien verbringen. Besonders die Berge nördlich von Mailand haben es ihm angetan.
Demnächst will er Kontakt mit einem Kollegen im Mailänder Büro aufnehmen, der übrigens auch gerne zum Bergwandern geht. "Das wäre doch eine schöne Gelegenheit, sich besser kennen zu lernen", sagt Michael Rechenbach, lächelt auf seine dezente Art und lotst die Besucherin durch die verschlungenen Treppenhäuser des stilvollen "Termitenhügels" zurück auf die Kaiserstraße. Dort sind die Bahnschranken jetzt übrigens offen - und der Himmel blau, so weit das Auge reicht. Sag' noch einer, Bonn sei provinziell und fad.

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Andreas Steinert ist geschäftsführender Partner von Pleon Bonn.
Michael Rechenbach ist Senior Consultant bei Pleon Bonn.

Gundula Englisch arbeitet als freie Redakteurin für changeX.

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Gundula Englisch, Journalistin, Autorin und Filmemacherin, arbeitet als freie Autorin und Redakteurin für changeX.

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