Auch ein Kunde ist ein Mensch!
Wie könnten Training und Personalentwicklung der Zukunft aussehen?
Der Kampf um die Kunden wird immer härter. Um im gnadenlosen Wettbewerb bestehen zu können, werden Vertriebsmitarbeiter zu Rhetorikprofis gedrillt, die dem Käufer auch noch den letzten Euro aus der Tasche locken sollen. Eine fatale Strategie - der Kunde fühlt sich in seiner Individualität nicht ernst genommen. Handlungstrainings dagegen setzen auf Selbstverantwortung und darauf, den Menschen hinter dem Kunden zu sehen. Dabei hilft der Trainer der Zukunft seinen Schützlingen nur noch, eigene Wege zu gehen - und macht sich ganz bewusst überflüssig.
Die Kunden von heute sind kaum mehr
loyal. Selbst wenn sie mit Angebot und Leistung zufrieden sind.
Von verzweifelten Niedrigpreisaktionen lassen sie sich zwar
vorübergehend locken, aber nicht langfristig binden. Kurz: Die
Beziehungsstabilität zwischen Kunden und Anbietern wankt. Woran
liegt das, und was kann ein Unternehmen dagegen tun?
Unsere These: Es liegt an der Aus- und Weiterbildung.
Klassische Verhaltenstrainings versagen immer mehr. Der Kampf um
den letzten Kunden wird auf eine Art und Weise geführt, die den
Kunden funktionalisiert, ihn erschreckt, ja abschreckt. Das rein
methodische Training von Vertriebsmitarbeitern oder auch das
Training von Führungskräften führt zu einer Perversion des
Reiz-Reaktions-Musters.
Der Kunde oder Mitarbeiter sagt etwas. Darauf muss dann der
Vertriebsmitarbeiter oder Chef auf eine bestimmte Art und Weise
antworten. Das ist eine Art von Einwandbehandlung, die den Kunden
oder Mitarbeiter argumentativ fertig macht. Und der wehrt sich
natürlich. Der Kunde tut dies, indem er den Preis in den
Mittelpunkt seiner Argumentation setzt; der Mitarbeiter tut dies,
indem er sich heimlich verweigert. Dienst nach Vorschrift, die
den Chef verzweifeln lässt. Und so wird zum Schluss nur noch
Druck ausgeübt. Der Kunde versucht den Preis zu drücken oder der
Vertriebsmitarbeiter senkt den Preis so sehr, dass der Kunde
nicht mehr nein sagen kann. Dem Mitarbeiter wird mit Entlassung
oder dem Damoklesschwert des Sozialplanes gedroht. Wenn das nicht
hilft, dann greift so mancher zum Mobbing. Diese Art von
Verhaltensdressur nutzt keinem.
Das Verschwinden des Menschen.
Das Problem ist die totale
Funktionalisierung der Beteiligten. Der Kunde wird
funktionalisiert zum reinen Käufer und damit Geldlieferanten, der
Mitarbeiter wird funktionalisiert zum reinen Leistungserbringer.
Dabei verschwindet der Mensch. Der Mensch und die Beziehung zu
ihm wird, wenn sie denn gesehen wird, reduziert auf Nutzengrößen.
"Was kann der andere mir bringen, wozu dient er mir?" Darauf
läuft es hinaus. Die Prämissen des Handelns sind dabei nach
funktionalen Ergebnisgrößen sortiert.
Helfen kann eine performante Handlungskompetenz, die
stabile Beziehungen zwischen Kunden und Anbietern, zwischen
Führungskräften und Mitarbeitern erzeugt. Umfragen im
Führungsbereich zeigen, dass Mitarbeiter sich von ihrem Chef zwei
Dinge wünschen. Erstens: Mein Chef vertraut mir, und ich kann ihm
vertrauen. Zweitens: Er hat Zeit für mich und nicht nur für meine
Aufgaben oder Ergebnisse.
Die Schwächen des Verhaltenstrainings.
Aber eine solche Kompetenz und
Haltung lässt sich mit den klassischen Methodentrainings nicht
erreichen. Also ist die Frage: Wie nun kann sie durch
Personalentwicklung erzielt werden? Heute werden im Training zwei
Grundmuster unterschieden. Es gibt Verhaltenstrainings und es
gibt Handlungstrainings. Beim Verhaltenstraining geht es
überwiegend darum, bestimmte Methoden "drauf" zu haben. Also
beschäftigt man sich überwiegend mit dem Lernen und Anwenden von
rhetorischen Mitteln und Methoden. Dabei ist es gleichgültig,
welcher Mensch sich hinter den Methoden verbirgt. Also
klassisches Reiz-Reaktions-Muster. Der Umgang zwischen Menschen
ist jedoch von mehr Dingen beeinflusst als nur vom Verhalten. Das
Verhalten ist sozusagen die Wirkung verschiedener Ursachen.
Wer nur Verhalten trainiert, der doktert an den Wirkungen
herum, er negiert die Ursachen. Das wäre zu vergleichen mit einem
Menschen, der ein Hühnerauge hat. Zufällig tritt ihm jemand auf
die Füße. Nun hat er zwei Möglichkeiten. Er kann Medikamente
gegen den Schmerz einnehmen oder dafür sorgen, dass sein
Gegenüber wieder vom Fuß heruntergeht. Anschließend kann er sein
Hühnerauge beseitigen. Das macht mehr Sinn.
Es ist enorm wichtig zu bedenken, dass das Verhalten seine
Ursache in der Art der Persönlichkeit hat. Es ändert sich
nachhaltig als überzeugendes Handeln erst, wenn sich der Mensch,
seine Motive und seine Werte entwickeln. Dadurch verändern sich
Einstellungen. Diese Veränderung führt zu einer glaubwürdigen und
anhaltenden Verhaltensentwicklung.
Handlungstraining - ein Ausweg?
Handlungstraining berücksichtigt das Zusammenspiel von vier Bereichen:
- Die Person - jeder Mensch ist unverwechselbar. Seine Einmaligkeit und Einzigartigkeit wird im Handlungstraining immer berücksichtigt. So wird auch immer die Individualität einer Beziehung eine Rolle spielen. Es ist bekannt und es wird immer berücksichtigt, dass eine konkrete Situation auf eine andere nicht übertragbar ist.
- Die Tat - jeder Mensch handelt auf eine ganz spezielle, unverwechselbare Art. Das Besondere beim Handlungstraining ist, dass nicht ständig Regieanweisungen gegeben werden, sondern dass im Einzelnen geprüft wird, welche Verhaltensweisen im Überzeugungsprozess eher schädlich sind.
- Die Motive - hinter den Taten stecken die Beweggründe des Einzelnen. Hier findet der Mensch eine erste Antwort auf das "WARUM?" seiner Taten. Im Handlungstraining beschäftigt man sich nicht mit den vordergründigen Zielen, sondern mit übergeordneten Zielen eines Menschen. Wenn ein erfolgreicher Autohändler seinem Kunden ein Auto verkauft, dann ist sein vordergründiges Ziel, möglichst schnell und ohne Rabatte ein Fahrzeug zu verkaufen, also Umsatz und Gewinn zu machen. Sein übergeordnetes Ziel ist es vielleicht, ein finanziell möglichst unabhängiges Leben führen zu können.
- Die "basic beliefs" - der vierte Bereich ist der Bereich der Werte, der Grundüberzeugungen. Hier sind die Orientierungen eines Menschen zu Hause. Hier sitzen die Werte, die ein Mensch in seinem Leben realisieren möchte. Hierher gehören die unaufgebbaren Überzeugungen eines Menschen. Wer als höchsten Wert die Geborgenheit schätzt oder die Sicherheit, wird kaum etwas tun, das gegen diese Werte verstößt, und sei es noch so intensiv.
Alle Motive berücksichtigen.
Wie erwähnt: Handlungstraining
umfasst alle vier Bereiche. Verhaltenstraining dagegen nur den
Bereich der Tat. Handlungstraining verzichtet bewusst auf
ausschließliche Verhaltenskorrektur. Reines Verhaltenstraining
führt nur dazu, dass sich der Trainingserfolg blitzschnell wieder
abnutzt und die Trainingsarbeit zu einer Dressurleistung
verkommt. Nur die Taten eines Menschen ändern, nicht jedoch die
Einstellungen entwickeln, führt nur zu kurz greifender
Verhaltensänderung.
Verändert sich das Wertesystem eines Menschen, arbeitet
jemand konsequent an seiner Entwicklung als Person, werden Motive
kritisch reflektiert und entwickelt, dann verändert sich
automatisch das Verhalten. Korrekturen sind jetzt an der Person
orientiert und damit stimmig und glaubwürdig. Diese Korrektur
passt zur Person, zum Motiv und zum Wertesystem. Und damit ist
eine solche Entwicklung konsequent dynamisch. Der Mensch bleibt
in seinem Handeln authentisch.
Es gibt noch einen zweiten Unterschied zwischen
Handlungstraining und Verhaltenstraining. Das Verhalten eines
Menschen folgt weitgehend vorgegebenen Regeln, und ist damit
fremdgesteuert. Handeln fordert dagegen Selbstverantwortung des
Einzelnen. Den Taten liegt eine verantwortete Entscheidung
zugrunde. Und diese Entscheidung fordert den ganzen Menschen
ein.
Über Verantwortung.
Der zukünftige
Vertriebsmitarbeiter, der zukünftige Chef handelt also, er
verhält sich nicht.
Was ist aber der Unterschied? Wenn wir von Handeln sprechen
wollen, dann sollten fünf Prinzipien erfüllt sein. Diese fünf
Prinzipien unterscheiden Handeln von Verhalten:
- Verantwortung - die Übernahme der Verantwortung in den überschaubaren Folgen des Handelns!
- Kontingenzprinzip/Alternativprinzip - ich kann auch anders handeln!
- Finalitätsprinzip - das Handeln hat ein Ziel!
- Effizienzprinzip - es muss etwas verändert werden, es muss ein Ergebnis geben!
- Responsibilitätsprinzip - ich muss es begründen können!
Damit stellt sich die Frage nach
der Verantwortung.
Als die Niedersachsenwahl und die Hessenwahl für die SPD in
einem Fiasko endeten, stellte sich unser Bundeskanzler vor die
Mikrophone und Kameras der Medien und sagte: "Ich übernehme die
volle Verantwortung!" Schön gesagt. Nur kam offensichtlich keiner
der anwesenden Journalisten auf die Idee, unseren Kanzler zu
fragen: "Herr Bundeskanzler, worin drückt sich denn nun ihre
Verantwortung aus?" Beim zukünftigen Manager wäre die Übernahme
der Verantwortung immer dann gegeben, wenn er für die
überschaubaren Konsequenzen seines Handelns geradesteht. Gibt es
in der Verantwortung kein Handeln, dann handelt es sich bei dem
Satz: "Ich übernehme die volle Verantwortung" ausschließlich um
Verbalakrobatik, sonst nichts.
Verantwortung kommt von "antworten". Die Frage ist, wem
muss man antworten? Was ist also die Verantwortungsinstanz? Wir
definieren vier Instanzen: zunächst einmal Verantwortung vor mir
selbst. Wenn ich Verantwortung vor mir selbst wahrnehmen möchte,
dann muss ich beobachten, wie ich mit anderen Menschen umgehe,
welche Interaktionsformen ich anbiete und wie ich mit
Interaktionsangeboten umgehe. Man kann sich seiner
Selbstverantwortung also nicht durch Nachdenken nähern, sondern
durch Analyse seiner Interaktionen mit anderen Menschen.
Hinzu kommt noch die Verantwortung gegenüber einem oder
mehreren definierten Menschen und die Verantwortung vor der
Zukunft - was verändere ich jetzt in Zukunft?
Verantwortung klärt damit die Zulässigkeit des Handelns.
Aus den Werten eines Menschen kommen Fragen und aus den
Handlungen eines Menschen kommen Antworten. Somit ist
Verantwortung also eine Antwort.
Handeln und Verantwortung.
Wenn wir von Verantwortung
sprechen, was genau können/müssen wir verantworten? Einerseits
werden wir durch Dritte zur Verantwortung gezogen. Dazu zählt die
Verantwortung vor dem Gesetz, die Verantwortung vor dem
Unternehmen, die Verantwortung vor dem Mitarbeiter, die
Verantwortung vor dem Kunden. Noch wichtiger ist jedoch die
Verantwortung vor sich selbst. Ich muss mich also fragen: Zu
welcher Verantwortung bin ich bereit? Ich kann das Ergebnis des
Handelns, die Intention des Handelns und meine Vorgehensweise
verantworten.
Das ist Aufgabe des Managers, des Vertriebsmitarbeiters der
Zukunft. Er kann nun feststellen, ob seine Handlung wirklich
verantwortet ist. Sie ist sicher verantwortet, wenn sie Menschen
hilft, sich in ihren Möglichkeiten zu entfalten, und sie nicht an
der Entfaltung hindert. Damit kann ich Handeln von Verhalten
unterscheiden. Dem Verhalten fehlt die
Verantwortungsbereitschaft. Wenn von Handeln gesprochen wird,
dann besteht für den Handelnden also immer die Wahlmöglichkeit,
das heißt, er hätte sich auch anders entscheiden können. Handlung
unterscheidet sich von Verhalten auch dadurch, dass negative
Folgen des Handelns bedacht werden und, falls sie in Kauf
genommen werden müssen, in einer verantworteten Güterabwägung
gegen die Handlung abgewogen werden.
Wenn einer der vorgenannten Punkte fehlt, dann sprechen wir
schon von Verhalten.
Die Personalentwicklung der Zukunft.
Somit ist ein völlig anderer
Trainingsansatz gefordert. Dieser neue Ansatz hilft, selbst
verantwortet Wege zu finden, mit einem Minimum an Aufwand
gestellte Aufgaben optimal zu bewältigen, und gleichzeitig ein
System aufzubauen, in dem Menschen menschlich miteinander umgehen
und nicht dressiert werden. Das hat noch einen weiteren Vorteil:
Die Entwicklungen im Verhalten der einzelnen Teammitglieder sind
viel stabiler. Der Mitarbeiter wird seltener "rückfällig".
Für die Zukunft wird die Sorgfalt immer wichtiger, mit der
Menschen miteinander umgehen. Oder um es mit Rupert Lay zu sagen:
"Handle und entscheide dich stets so, dass durch dein Handeln und
durch dein Entscheiden sich das personale Leben in dir und in der
Person eines jeden anderen Menschen eher entfaltet denn mindert."
Diese Philosophie in der Personalentwicklung möchte
Menschen helfen, ein selbst verantwortetes Leben zu führen. Also
noch unabhängiger und noch sicherer in ihrer Lebensführung zu
werden. Es ist wichtig, Menschen zu helfen, größer zu werden und
nicht kleiner. Das geht nur dann, wenn man sich auch täglich
fragt: "Was hast du heute getan, damit die Menschen um dich herum
größer werden?" Die moderne Personalentwicklung will dazu
beitragen.
Entwickelt sich jedoch das Wertesystem eines Menschen,
arbeitet jemand konsequent an seiner Entwicklung als Person,
werden Motive kritisch reflektiert und entwickelt, dann verändert
sich automatisch das Verhalten. Da ist dann kaum noch eine
Korrektur notwendig. Und diese Korrektur passt dann zur Person,
zum Motiv und zum Wertesystem. Und damit ist eine solche
Entwicklung konsequent dynamisch.
Solch eine verantwortungsvolle Personalentwicklung macht
einen weiteren Unterschied zwischen Handlungstraining und
Verhaltenstraining deutlich. Das Verhalten eines Menschen folgt
weitgehend vorgegebenen Regeln, und ist damit fremdgesteuert. Und
so wehren sich auch viele Menschen gegen Misserfolge mit einem:
"Was kann ich dafür? Ich sollte es doch so machen. Hat mir mein
Chef aber so gesagt" oder Ähnlichem. Handeln fordert dagegen
Selbstverantwortung des Einzelnen. Er kann sich nicht mehr hinter
Vorgaben anderer verstecken. Den Taten liegt eine verantwortete
Entscheidung zugrunde. Und diese Entscheidung fordert den ganzen
Menschen ein. Jetzt kann er sich nicht mehr verstecken.
Vom Guru zum Coach.
Der alte Trainer hat ausgedient.
Die Guru-Mentalität: "Frage mich nur, ich weiß genau, wie es
geht", funktioniert nicht mehr. Der Trainer ist mehr ein Coach,
der den Teilnehmern hilft, eigene Wege zu gehen. Allenfalls
fehlerdiagnostisch wird ermittelt, welche Verhaltensweisen
schädlich sind. Die Suche nach Verhaltensweisen, die nützlich
sind, orientiert sich an den Grundeinstellungen eines Menschen,
gegebenenfalls sogar an einer Neuorientierung.
Zum Beispiel macht es wenig Sinn, den kooperativen
Führungsstil als Allheilmittel zu verkünden. Selbst der
autoritärste Chef hält sich für kooperativ, die anderen machen ja
nur nicht mit, wie er genau weiß. Und zum Zweiten ist solch eine
Verhaltensdressur zum kooperativen Führungsstil unsinnig, weil es
durchaus Führungssituationen gibt, in denen dieser Führungsstil
schadet.
So wird also der neue Personalentwickler weniger Guru als
vielmehr Geburtshelfer sein. Er hilft dem Teilnehmer, eigene Wege
zu gehen, nicht die Wege des Trainers. Er hilft ihnen,
selbstverantwortlich Wege zu finden, mit einem Minimum an Aufwand
gestellte Aufgaben optimal zu bewältigen und gleichzeitig ein
System in einem Unternehmen aufzubauen, in dem Menschen
menschlich miteinander umgehen und nicht dressiert. Diese Art von
Trainertyp und diese Trainingsart haben noch für Unternehmen
einen weiteren, vielleicht sogar den entscheidenden Vorteil: Da
der Trainer den Guru-Status verliert, und nicht mehr pausenlos
seine Weisheiten durchpaukt und die Teilnehmer dressiert, sind
Entwicklungen im Verhalten des Einzelnen viel stabiler. Damit
wird der Trainer nach kurzer Zeit überflüssig.
Renate Müller und Ulf Posé sind freie Unternehmensberater.
Kontakt:
atunis GmbH
Institut für angewandte Netzlogik in Unternehmen
Hechtseestr. 16
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Fax: 08031 2227 613
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