Keine Tricks
Kein Kunde fühlt sich wohl, wenn er glaubt, dass ihm etwas angedreht wird. Ein Vertriebsexperte setzt dagegen auf den Verkauf mit Herz - und den Kunden als Freund.
Kaufen mag ja für viele ein angenehmes Erlebnis sein. Doch der damit selbstverständlich im Zusammenhang stehende Begriff des Verkaufens weckt ganz andere Gefühle. Schnell kommen einem aalglatte Verkäufer mit noch aalglatteren Verkaufstricks in den Sinn. Oder man erinnert sich an das Motto: Anhauen, umhauen, abhauen.
Auch Jürgen Frey sah im Verkauf diese Fratze, bis er im Laufe seines beruflichen Werdegangs selbst in den Vertrieb wechselte - und einfach alles anders machte. Bis er schlussendlich das Verkaufen managte, "ohne Verkäufer zu sein". In seinem Buch Mein Freund, der Kunde - Ohne Tricks und Fallen Kunden gewinnen und behalten erklärt der Vertriebsexperte, Buchautor und Speaker nun, wie es auch anders geht: nämlich mit Echtheit und wirklichem Interesse am Kunden. Der Titel ist hierbei Programm: Den Kunden wie einen guten Freund zu behandeln, steht im Mittelpunkt von Freys Philosophie. Dabei ist "Methode statt Trick" der Kern seiner Verkaufsstrategie.
"Verkaufen mit Methode bedeutet, dass Sie den ‚Sog‘, den Sie erzeugt haben, lediglich verstärken. Sie setzen auf Substanz, aber Sie bringen Ihre Schätze auch zum Leuchten, damit der Kunde sie nicht übersieht. Verkaufstricks täuschen dagegen etwas vor, was an Substanz fehlt." Nicht zuletzt beschneide man den Kunden so auch nicht seiner Entscheidungsfreiheit: "Sie sind von Ihrem Angebot voll überzeugt. Sagt der Kunde trotzdem Nein, akzeptieren Sie das und wenden sich dem nächsten Kunden zu." In sieben aufeinander aufbauenden Schritten erläutert der Autor, wie die praktische Umsetzung gelingen kann.
What’s in it for me?
Im ersten Schritt geht es um die eigene Kernkompetenz. Oftmals sind sich Unternehmen ihrer eigenen Stärken gar nicht bewusst; dabei sind diese entscheidend für den Kunden. Die Frage, die sich Frey in seiner Vertriebstätigkeit von einem amerikanischen Kunden stellen lassen musste, hat ihn wachgerüttelt: "What’s in it for me?" Was habe ich davon? Wer diese Frage nach dem einstudierten Verkaufssermon nicht eindeutig beantworten kann, lässt entscheidende Chancen verpuffen. Als Verkäufer müsse man von der Innen- in die Außenperspektive wechseln. Sprich: Nicht den Kunden mit Firmendetails langweilen, sondern direkt das zur Sprache bringen, was für ihn von Bedeutung ist.
Eng damit hängt der Zielgruppenfokus als zweiter Schritt zusammen. Dort, wo Unternehmen die Bedürfnisse ihrer besten Kunden erkennen und perfekt bedienen, würden die Erfolgsgeschichten geschrieben, so Frey. Wo Entscheider mutig genug seien, kurzfristig auf Umsatz zu verzichten, um Schritt für Schritt aus ihrem Kundenkreis einen Freundeskreis zu machen. Das setzt voraus, dass Unternehmen sich Klarheit darüber verschaffen, wer ihre Kunden sind und wie sie ticken. Es gilt, den Kunden zu enträtseln.
Der dritte Schritt betrifft die Servicequalität: Diese hinke leider oftmals noch qualitativ hochwertigen Produkten hinterher. Dabei ist Service mindestens genauso wichtig. Wer einen Luxusartikel bestellt, jedoch mit langen Lieferzeiten und unfreundlichem Personal geschlagen ist, wird schnell abtrünnig. Zudem: "Nur wo die Basics stimmen, können Extras den Service krönen." Zwei Fragen tunen den eigenen Service: Wie fühlt sich der Kunde jetzt? Und: Wodurch könnte er sich besser fühlen?
Keine Mätzchen
Das Bessere ist des Guten Feind. Daher setzt Frey im vierten Schritt auf systematische Innovationsarbeit im Unternehmen: Wer bereits viele Kunden als Freunde gewonnen hat, hält diese nur, wenn es gelingt, sowohl Produkte als auch Service stets zu verbessern. Auch hier wiegt die Kenntnis des Kunden viel: "Je besser ein Unternehmen die Bedürfnisse seiner Kunden erkennt, desto leichter kommt es auf Ideen für innovative Produkte und Services."
Der fünfte Schritt geht in medias res: Verkaufsstrategie. War vor einem halben Jahrhundert noch die Produktion der Engpass, sind es heute Vertrieb und Verkauf. Doch von den gängigen Tricks und Kniffen, die eigenen Produkte in den Markt zu drücken, will Frey nichts wissen. Stimmt die Qualität des Produktes, gilt: "Wer gut vorbereitet ist, der hat Verkaufstricks gar nicht nötig. Wer sich seiner Sache absolut sicher ist, der kann sich all die Mätzchen, die in Verkäuferschulungen gelehrt werden, komplett sparen."
Im sechsten Schritt muss der Unternehmer der Wirklichkeit ins Auge sehen: Ist der Kunde zufrieden? Leider geraten Kundenbefragungen oft zur Farce. Der Kunde ist ob der gestohlenen Zeit meist genervt, und das Unternehmen kehrt dann berechtigte Kritik auch noch unter den Teppich, Hauptsache, man steht am Ende mal wieder gut da. Einer Studie zufolge unterlassen es rund 50 Prozent der Kunden, sich aus einem triftigen Grund zu beschweren. Eher halten sie das Unternehmen im Unklaren und wandern ab. Frey empfiehlt daher, ein positives Selbstbild ständig kritisch zu hinterfragen und feine Antennen für die Kunden zu entwickeln.
Geben statt nehmen
Der siebte und letzte Schritt betrifft die Pflege der Kundenbeziehung. Das Verhältnis zwischen Unternehmen und Kunde beschreibt Frey mit dem Bild eines Beziehungskontos, auf das der Unternehmer bereitwillig einzahlen sollte. Das heißt: "Fragen Sie sich nicht: Wie komme ich an das Geld meiner Kunden? Sondern fragen Sie sich: Was kann ich meinem Kunden Gutes tun?" Ein Unternehmen sollte also bereit sein, zunächst einmal zu geben, statt zu nehmen: Aufmerksamkeiten, Erleichterungen für den Kunden - je persönlicher, desto besser. Denn nur wer eingezahlt hat, kann dann im Falle einer Kaufentscheidung des Kunden auch wieder etwas abheben.
Freys Buch ist ein kenntnisreich und unterhaltsam geschriebener Ratgeber, der mit interessanten Fallgeschichten an praktischem Boden gewinnt und nicht zuletzt auch noch an das Gute appelliert: authentische Beziehungen zum Kunden aufzubauen. Es ist ein Buch für Unternehmer, Führungskräfte, Mitarbeiter sowie all diejenigen, die der aalglatten Schule des Verkaufs überdrüssig sind und nach einer echten Alternative suchen. Richtig umgesetzt dürfte sich der Käufer nicht als solcher, sondern als Freund empfinden.
Zitate
"Sie sind von Ihrem Angebot voll überzeugt. Sagt der Kunde trotzdem Nein, akzeptieren Sie das und wenden sich dem nächsten Kunden zu." Jürgen Frey: Mein Freund, der Kunde
"Wer gut vorbereitet ist, der hat Verkaufstricks gar nicht nötig. Wer sich seiner Sache absolut sicher ist, der kann sich all die Mätzchen, die in Verkäuferschulungen gelehrt werden, komplett sparen." Jürgen Frey: Mein Freund, der Kunde Jürgen Frey: Mein Freund, der Kunde
"Fragen Sie sich nicht: Wie komme ich an das Geld meiner Kunden? Sondern fragen Sie sich: Was kann ich meinem Kunden Gutes tun?" Jürgen Frey: Mein Freund, der Kunde
changeX 07.09.2012. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Jürgen Frey: Mein Freund, der Kunde. Ohne Tricks und Fallen Kunden gewinnen und behalten. GABAL Verlag, Offenbach 2012, 216 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-86936-433-9
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Autor
Sascha HellmannSascha Hellmann ist freier Journalist in Heidelberg. Er arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.