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Liebe Leserinnen und Leser, |
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es ist absolut beeindruckend, was sich in den letzten Wochen in Deutschland getan hat. Hunderttausende sind auf die Straßen gegangen, um gegen Rechtsextremismus und für Demokratie, Menschenwürde und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu demonstrieren. Zunehmend unterstützt auch durch die Wirtschaft. Dabei stehen vor allem Diversität und Vielfalt im Vordergrund. Zu Recht. Es gibt aber auch einen anderen Zusammenhang zwischen Demokratie und Arbeit, der weniger offensichtlich ist, aber wahrscheinlich sogar grundlegender: Faire Arbeitsteilung und politische Demokratie ergänzen sich und bedingen einander. Das ist die These des Sozialphilosophen Axel Honneth. Ausgearbeitet hat er sie in einem Buch, das vor beinahe einem Jahr erschienen ist, aber heute mit der Bedrohung der Demokratie durch Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Populismus eine besondere Aktualität erhält.
Das ist der Anlass für eine eingehende Rezension dieses Titels: Es ist ein Buch, das eine ausführliche Beschäftigung verlangt. Denn Honneths Argumentation ist differenziert, seine Darstellung ausführlich und grundlegend. Und es geht darin nicht nur um Demokratie, Arbeit und Arbeitsteilung, sondern auch um Fehlwahrnehmungen, Schieflagen und Vereinseitigungen, die sich in der Interpretation dieser Begriffe und Konzepte durchgesetzt haben. Ein Beispiel ist die Verengung des Arbeitsbegriffs auf produzierende, wertschöpfenden Tätigkeiten. Erkenntnisreich ist das Buch von Axel Honneth, der sich schon um das Thema Anerkennung verdient gemacht hat, also auch über den Zusammenhang von Demokratie und Arbeit hinaus.
Und noch ein Bezug tut sich auf: Denn das Buch macht sich stark für die Idee, Entscheidungen möglichst dezentral zu treffen. Dort nämlich, wo sie anfallen. Am Arbeitsplatz. Der Arbeitsplatz ist der Ort, an dem sich die Demokratisierung der Arbeit entscheidet. Dies schlägt eine Brücke zum Thema Selbstorganisation: selbst entscheiden können.
Winfried Kretschmer
changeX
PS: Die Geschichte hinter der Geschichte. Ursprünglich sollte es nur eine kleine Rezension werden. Das Buch war ja vor längerer Zeit schon erschienen - und wegen seiner Länge auf die lange Bank gerutscht. Schnell aber wurde klar, dass eine kleine Rezension nicht reichen würde. Das Buch verlangte nach mehr. Es erwies sich als vielschichtiger als gedacht. Und es baute eine Hürde auf, die nur mit einem Perspektivenwechsel zu umschiffen war. Nun, es ist ein langer Text geworden. Ich hoffe, er findet seine Leser.
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Neu im Magazin |
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Selbst entscheiden können |
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Wie Arbeit und Demokratie zusammenhängen - zu Axel Honneths Buch Der arbeitende Souverän |
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Es ist ein Trugschluss, dass Wirtschaft nichts mit Demokratie zu tun habe. Die Wirtschaft braucht jene Offenheit und Diversität, die Demokratie schafft. Aber der Zusammenhang geht tiefer: Faire Arbeitsteilung und politische Demokratie ergänzen sich und bedingen einander. Nicht nur demokratische Partizipation hängt ab von guten Arbeitsbedingungen, sondern umgekehrt hängen gute Arbeitsbedingungen auch ab von demokratischer Partizipation. Denn die Arbeit bietet - wie sonst nur die Schule - allen Mitgliedern der Gesellschaft die Möglichkeit, demokratische Praxis zu lernen und einzuüben, sagt der Sozialphilosoph Axel Honneth. Und Demokratie einüben bedeutet: selbst entscheiden können.
23.02.2024
zur Rezension
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Zitat |
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"Nur wer eine hinreichend komplexe und anregungsreiche Arbeitstätigkeit ausübt, wird auch über die Selbstachtung, die intellektuelle Initiativkraft und die sozialen Kompetenzen verfügen können, die erforderlich sind, um sich als vollwertiges Mitglied einer arbeitsteilig organisierten Gesellschaft von freien und gleichen Bürger:innen verstehen zu können."
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Axel Honneth: Der arbeitende Souverän
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