Good Books-Business
„Wir arbeiten klimaneutral“ steht seit Kurzem auf der neu gestalteten Website des Murmann Verlags. changeX sprach mit dem Verlagsleiter Olaf Irlenkäuser über diese Initiative. Er sagt: „Good Business“ wird zunehmend gefragt sein. Auch im Verlagswesen.
Olaf Irlenkäuser ist Verlagsleiter beim Murmann Verlag in Hamburg.
Herr Irlenkäuser, der Murmann Verlag arbeitet klimaneutral – was hat man sich darunter vorzustellen? Den Verlagsleiter beim Bäumepflanzen im Park?
Bäume habe ich wohl schon ein paar Hundert gepflanzt. Ich habe als Student mal in einem Gartenbaubetrieb gejobbt, und zu Hause habe ich eine kleine Streuobstwiese …
... nein, im Ernst: Was heißt „wir arbeiten klimaneutral“?
Es ist klar, dass der moderne Mensch die natürlichen Ressourcen zu seinem Nutzen ausbeutet. Die heutige Wirtschaft bringt es ja mit sich, dass wir alle Treibhausgas beziehungsweise Kohlendioxid emittieren. Für die Industrie gibt es mittlerweile einen institutionalisierten Emissionshandel, für den Mittelstand oder für Privatleute gibt es das noch nicht. Dabei ist das eine gute Sache: Der Murmann Verlag allein produziert durch seine Arbeit knapp 30 Tonnen Kohlendioxid im Jahr. Wir erwerben nun sogenannte „Emissionsminderungszertifikate“ in gleichem Umfang aus geprüften Klimaschutzprojekten und kompensieren auf diese Weise immerhin unsere eigenen Emissionen. Das kostet natürlich Geld, aber wir finden das unvermeidbar.
Was hat den Anstoß zu dieser Initiative gegeben?
Am Anfang war die Autorin, könnte man sagen. Als Claudia Kemfert, Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit und Abteilungsleiterin Umwelt und Verkehr am DIW in Berlin, im Murmann Verlag ihr Buch Die andere Klimazukunft veröffentlichte, fragte sie, ob wir nicht dieses Buch klimaneutral drucken könnten. Das gab es in der Buchbranche damals praktisch noch gar nicht. Es war für unseren Hersteller dann auch gar nicht so einfach, eine Druckerei zu finden, die diesen damals noch ganz neuen Weg mit uns gehen wollte. Als das Buch erschienen war, fanden wir, dass dies auch für uns eine Lösung wäre. Wir machen viele Bücher über Corporate Social Responsibility, darum wollten wir nun auch selbst handeln.
Wie stellen Sie fest, welche Emissionen der Verlag verursacht?
Wir haben uns einer umfangreichen Überprüfung gestellt, in der unser gesamter Energieverbrauch bei der Verlagsarbeit gemessen wurde.
Sie sagen, Sie vermeiden die vermeidbaren Emissionen und gleichen die unvermeidbaren aus. Was heißt unvermeidbar?
Unvermeidbar sind zum Beispiel Emissionen, die von der Heizung oder der Elektronik verursacht werden, oder auch Reisen. Unsere Autoren werden natürlich weiterhin intensiv persönlich betreut.
Zum ersten Teil: Was tun Sie, um vermeidbare Emissionen zu vermeiden? Mit dem Rad zur Arbeit?
Sie werden lachen: First Climate hat in der Tat untersucht, wer von uns mit dem Rad zur Arbeit fährt, mit der U-Bahn oder mit dem Auto, und wie viele Kilometer von allen zurückgelegt werden. Als kleiner Verlag haben wir da natürlich nicht so große Aufwendungen wie ein großer Player ...
Vermeiden lassen sich eigentlich vor allem die vielen kleinen Druckaufträge von Manuskripten und Fahnen hier im Verlag – das geht ja heute fast alles elektronisch. In der Tat, wir reisen weniger, sondern nutzen Videokonferenzen oder ähnliche Mittel der modernen Bürokommunikation.
Zum zweiten Teil, dem Ausgleich der unvermeidbaren Emissionen: Sie fördern Klimaschutzprojekte?
Wir haben uns von First Climate zertifizieren lassen, einem der führenden Anbieter. Dort werden Kompensationsprojekte geprüft. Wir haben uns für die Förderung eines Wasserkraftwerks in Brasilien entschieden, und die Druckerei fördert in unserem Auftrag eine Windkraftanlage in Indien. Das bezahlen wir natürlich alles.
Sie sagen, die Buchbranche hat Nachholbedarf. In der Tat scheint die Druckbranche zum Beispiel hier wesentlich weiter zu sein. Bei Verlagen reichen die Finger einer Hand zum Abzählen ...
Ja, das ist doch bemerkenswert: Auf der einen Seite halten sich die Büchermacher in ihrer Selbstwahrnehmung für eine der intellektuellen Eliten des Landes, auf der anderen Seite lesen sie nicht die Zeichen der Zeit. „Good Business“ wird gefragt sein. In Zukunft werden immer mehr Bücher und andere Waren klimaneutral hergestellt werden. Der Aufwand auf der Seite der Produzenten ist natürlich immens. Aber wir werden alle davon profitieren, Stichwort Nachhaltigkeit.
Was erwarten Sie von den Unternehmen Ihrer Branche?
Ich erwarte gar nichts von anderen. Die Verlage könnten aber die Chance nutzen, sich den Lesern gegenüber als Vorbild darzustellen. Wir können doch nicht ernsthaft Bücher über eine bessere Welt verkaufen und dabei ohne Verstand die Ressourcen verbrauchen! Viele Verlage sind mit sogenanntem FSC-Papier aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern schon auf dem richtigen Weg. Ich halte gerade Buchleser für bewusste Käufer, die Marktteilnehmer honorieren, die sie für glaubwürdig halten. Wer jetzt schnell und glaubwürdig handelt, sichert sich einen Wettbewerbsvorteil.
Foto: Asmus Henkel, Hamburg
changeX 29.07.2010. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.