Mehr Leichtigkeit, zwei
Mehr Leichtigkeit und weniger Schwere. Das gilt auch für Beratung. Leichtigkeit bedeutet, mit den überkommenen Paradigmen zu brechen. Das befreit Beratung von der Schwere ihres Schaffens, lässt sie Abstand zum eigenen heroischen Anspruch gewinnen, macht Platz dafür, die Entfaltung der Möglichkeiten zu unterstützen, die in den Menschen und Organisationen stecken: für Co-Creation, Agilität und mehr Wirksamkeit.
Künftige Beratung wird immer weniger von ihren Artefakten leben, den großen Namen, dem gewichtigen Auftritt ihrer Experten, den standardisierten Analysen und perfektionierten Konzepten, den kiloschweren Präsentationen. Künftige Beratung wird schlanker, direkter, schneller, persönlicher sein. Damit kommt sie nicht nur den knapperen Budgets und der Frage nach mehr Wirksamkeit entgegen, sondern auch der neuen Generation von Mitarbeitern in den Organisationen, die bestens ausgebildet sind, die Lust darauf haben, selbst Sinn und Erfolg zu verbinden, selbst mehr zu steuern, zu gestalten und zu lernen, die gelernt haben, Informationen und Kompetenzen, Meinungen und Beziehungen in vielfältiger Weise zu "connecten". Das alles geht im digitalen Zeitalter mit leichterer Hand und konfrontiert die überkommenen Organisationen und Beratungen mit ihren über 100 Jahre alten Paradigmen industrieller Organisation.
Alte Schule
Die klassischen Unternehmensberatungen präsentieren ihren Kunden die logische Kette "Strategie, Strukturen, Prozesse, Kultur". Sie gehen davon aus, dass sich Strukturen aus Strategien ableiten lassen und Prozesse aus den Strukturen erarbeitet werden können. Damit das alles funktioniert, muss noch die passende Unternehmenskultur definiert und als Verhaltenserwartung im "Code of Conduct" formuliert werden. Solche Vorgehensweisen sind mit Methoden und Tools gut unterlegt, sie erlauben den Beratungsgesellschaften eine stringente Ausbildung ihres Nachwuchses, geben allen Beteiligten Verfahrenssicherheit und erfordern auf den ersten Blick wenig Aufwand. Systematische Struktur ersetzt systemische Auseinandersetzung.
Solches Vorgehen rechnet aber nicht damit, dass die Welt der Organisation weder voraussagbar noch kalkulierbar ist. Es ist durchdrungen von Ordnungs-, Struktur- und Machtfantasien, die alle darauf setzen, dass alles grundsätzlich schon so bleiben wird, wie es ist. Und wo Management es besser weiß, spielen alle trotzdem das teure Planspiel mit. Wenn es schon nicht hilft, dann ist man doch wenigstens auf der sicheren Seite.
Aber die Welt hat sich geändert. "Was bisher Krise war, kommt jetzt in das Fach Flexibilität", beobachtet ein Soziologe. Wir müssen in der Gesellschaft und in den Unternehmen lernen, uns aus den Fängen von Stringenz- und Stabilitätsfantasien zu lösen, und uns dem zuwenden, was wir im Alltag beobachten: Die Welt ist keine Scheibe. Und Veränderung ist nicht kalkulierbar, sondern passiert. Das fordert Organisation und Führung zwischen Strategie, Improvisation und Agilität.
Warum es gut ist, dass sich Beratung im Umbruch befindet
Dass die Welt im Fluss ist, diese Realität zu akzeptieren und zu lieben, befreit Beratung von der Schwere ihres Schaffens, lässt sie Abstand zum eigenen heroischen Anspruch gewinnen, macht Platz dafür, die Entfaltung der Möglichkeiten zu unterstützen, die in den Menschen und Organisationen stecken. Das nennen wir Co-Creation. Dazu gehört Rückbesinnung und Bescheidung auf das, was den Vorteil von Beratung ausmacht: den Blick von außen, die unternehmensübergreifende Erfahrung.
Für wirkungsorientierte Berater ist dies keine revolutionäre Einsicht. Als "Disruption der Beratung" (so Christensen, Wang und van Bever in der Harvard Business Review 10/2013) wird das Thema diskutiert. Es schadet Beratern nicht, sich über Wirkungen und Wirkungsgrenzen immer bewusst zu sein.
Was in den letzten Jahren in reifen Beratungsmärkten zu beobachten ist:
Die Entbündelung von Beratungsleistungen: Die gut qualifizierten "Business Partner" der internen Unternehmens-, Organisations- und Personalentwicklung übernehmen stärker Koordinations- und Fachaufgaben in den Projekten. Verschiedene externe Dienstleister werden für spezifische Aufgaben hinzugezogen; die Projektsteuerung wird von den Kunden selbst wahrgenommen. Das bedeutet eine klarere Rollendifferenzierung zwischen den Beteiligten und führt zu größerer Durchsichtigkeit der Arbeit der Berater. Das Auftragsvolumen der einzelnen Beratungsunternehmen wird kleiner. Aber es konzentriert auf echte, für den Kunden spürbare Kompetenz und entlastet Beratung von mühsamer und zweifelhafter Selbstinszenierung.
Kleinere und schnellere Projekte und Interventionen: Diese sind gefragt, um jungen, agilen Unternehmen in der Bewältigung ihrer Wachstumsprobleme zu helfen, größeren Unternehmen in deren schnellerem Arbeits- und Veränderungsrhythmus besser gerecht zu werden, ihren administrativen Einheiten und Shared Service Center zu neuer Dynamik zu verhelfen. Gemeinsam im gemischten Team erste Ideen entwickeln, Prototypen oder Tests fahren, auswerten, verfeinern, weitermachen. Sich öffnen, dabei sein, sich einbringen, mitschwingen, die Sache schnell mit zum Fliegen bringen. Leicht, schnell, direkt.
Beraterperson vor Beratungsfirma: Erfahrene Kunden achten auf die einzelne Beraterpersönlichkeit und ihre Passung für die Kundenorganisation und das Projektteam. Erfahrung, Kreativität und Teamfähigkeit zählen. Intern verwendete Personalauswahlkriterien werden auch auf Externe angewandt. Die richtigen Personen werden von den Kunden aus den Beratungsfirmen herausgepickt, ob diese wollen oder nicht. Wer erleichtert die Problemlösung und den Weg dorthin, wer macht es eher schwer? Wer gibt Energie, wer nimmt Energie? Auch eine Herausforderung für das Management von Beratungsfirmen. Neue Wettbewerber mit anderen Business-Modellen: Sie finden ihren Zugang zum Kunden über Themen wie Design, Branding, neue Technologien. Change Management bieten sie "nebenbei" an, mit einer Leichtigkeit, die die Etablierten der Branche irritiert. Dadurch sinkt nicht die Relevanz von Change Management, aber dessen Glorie. Kein Change um des Change willen, sondern aus dem Originären des Unternehmens: neue Marke, neue Produkte. Solche Veränderung belebt den Markt und hebt die Qualität im Markt.
Andere Kommunikations-, Führungs- und Entscheidungsprozesse: Die Möglichkeiten der digitalen Welt und die Vorstellungen der jungen Managergeneration passen gut zueinander. Kollaboration kann auch online gut, einfach und unkompliziert gehen. Berater müssen hier auf Augenhöhe sein. Technische Kompetenz und Verständnis nur vorspielen geht schief.
Andere Lernprozesse in Organisationen: Die Führungskräfte und Funktionsträger treffen sich - nach langjährigen Beratungserfahrungen - eher in eigenen Branchenzirkeln und professionellen Communitys, um sich über ihre Entwicklungsthemen auszutauschen. Berater eher unerwünscht; nur bei Persönlichkeiten sieht es anders aus. Wer aus dem Austausch eine Verkaufsveranstaltung zu machen sucht, hat schon verloren. Wer mit erfrischenden Ideen und spannenden Erfahrungen dabei ist, einfach so, ist dabei.
Das macht Beratung für Beratungsunternehmen schwieriger, aber für jene Berater leichter, die sich einbringen wollen. So wie sie sind. Mit dem, was sie können. Mit einer klaren professionellen Meinung und unverstelltem, gesundem Menschenverstand. Das geht ohne großartige Inszenierung. Einfach helfen, was hinzukriegen. Mit Respekt für die Kompetenzen und Motivationen ihrer Gegenüber, der Menschen in der Organisation. Mit Respekt vor den Fähigkeiten und Talenten im Team, mit der Wertschätzung all der Beiträge, die zu gemeinsamen Lösungen führt. Ein COO in einem global agierenden Unternehmen sagte uns einmal zu solcher Arbeit: "Ich weiß nicht, was herauskommen wird, aber wenn wir es gemeinsam machen, wird es gut werden."
Wie Beratung diese Entwicklungen aufnimmt
Welche Formate kann Beratung dann haben? In unseren Gesprächen mit Kunden und in unserem Beratungsalltag kam Folgendes gut an:
Kleinere, schnellere und ergebnisreiche Formate: In einer zweitägigen Managementklausur Themen priorisieren. Anschließend Rapid-Result-Projekte aufsetzen - in 100 Tagen Ergebnisse schaffen, dafür auch bewusst Regeln brechen - oder Mikroprojekte aufsetzen: in vier mal zwei Tagen schaffen, was geht. Zeit vor Inhalt. Arbeitsstil: Leicht. Schlank. Direkt. Es zählen realisierte Lösungen, nicht Papier.
Schlankes Projektmanagement: Das Projektmanagement erstickt vielerorts an Formalisierung, Institutionalisierung und Zertifizierung. Wie kann es unternehmerisch, agil, zukunftsorientiert gehen? Begleitung und Coaching von Gremien und Projektleitern, die sinnvolle Ziele schnell realisieren wollen. Ermutigung, über die persönlichen Schatten und die Hürden der Organisation zu springen. Helfen, den zwischenmenschlichen Part in der Steuerung von Projekten gut zu meistern. Das, nicht das Gantt-Chart, ist entscheidend.
Die Realität in der Organisation aufnehmen: Mit ganz einfachen Fragen wichtige Einsichten an das Tageslicht holen: "Warum kommen die Kunden zu Ihnen?" - "Weil wir vernünftige Preise haben, oft pfiffiger sind als unsere Mitbewerber, gut erreichbar und zuverlässig, und weil die Zusammenarbeit mit uns Spaß macht." Aha. "Sie haben gerade Ihre lebendigen Wettbewerbsvorteile beschrieben." Ganz leicht. Wie kann das auch noch länger so sein? Messen Sie Ihr Denken und Handeln an dieser Erkenntnis? Für solche Fragen müssen Berater beharrliche und mutige Sparringspartner sein.
Gemeinsam auf die Reise gehen: Die "kritische Masse" der Stakeholder mit einbeziehen: "Was brauchen wir, damit uns das Projekt gelingt? Worauf müssen wir achten, damit es gut wird?" Workshops und Zusammenarbeit in entspannter, freundlicher und zugewandter Atmosphäre. Ernsthaftes Interesse am Austausch - ohne Hoheitswissen und Machtgehabe. So schaffen Sie sich eine Community für Ihr Anliegen. So werden Projekte ins richtige Ziel gesteuert. Als Berater gehen wir den gemeinsamen Weg mit, stützen und inspirieren ihn, ohne die für die Kunden wichtige Externalität aufzugeben, den anderen Blick, die unternehmensübergreifende Erfahrung, den professionellen Standpunkt.
Kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren: Frage an die Projektleiterin: "Warum arbeiten die Mitarbeiter in Ihrem Projekt so engagiert mit, warum erreichen Sie Ihre Ziele so gut?" - "Weil ich mit den Menschen spreche, weil sie ganz leicht mit mir sprechen können. Auf ein paar Punkte achte ich dabei: Ich mag keine Vorwürfe, keine Rechtfertigungen, auch nicht in Konfliktsituationen. Die würden es schwer machen. Weil sie nur belasten, aber nicht helfen." Lassen Sie wichtige Führungskräfte und Projektmanager coachen, damit sie wichtige Aufgaben leichter lösen. So formulierte der CEO einer Bank sein wichtigstes Performance-Programm: "Von der Angst zum Dialog, vom Rückzug zur Mitgestaltung, von der Frustration zum Gelingen."
Situationen vor Strukturen schaffen: "Was muss funktionieren, damit es dem Unternehmen gut geht?" - "Wo tut es weh?" - "Worüber beklagen sich die Mitarbeiter?" Mit den Fachleuten vor Ort die Situationen und Interaktionen neu gestalten und Erfolgserlebnisse schaffen. Mit den Organisationsexperten die Prozesse bauen, in denen diese Situationen schlüssig eingebettet sind. Die Menschen und ihre Erfahrungen respektieren, Motivationen entfalten, Resultate wertschätzen. Als Berater für diese Haltung und Arbeitsweise stehen und die Führungskräfte darin unterstützen.
Projekte als Vorboten der neuen Organisation: Weg mit großen Konzepten und langen To-do-Listen, die sowieso keiner mehr abarbeitet. Projekte sind Kulturwandel. Die neue, leichtere Organisation muss am ersten Tag spürbar werden. Die Menschen müssen die Perspektive sehen. Dann wird auch ein mühsamer Weg leichter. Und wenn es sehr anstrengend wird, besprechen Sie das ganz offen mit Ihrem Team und überlegen gemeinsam, wie sie trotzdem Freude und Lust behalten. Berater, die nur die Planung und Steuerung von Veränderungsprojekten unterstützen, springen zu kurz. Die ganze, gute Bewegung der Organisation gilt es zu unterstützen, immer wieder neu und kreativ anzuregen.
Das Ergebnis: spürbarer Kulturwandel, höhere Zufriedenheit der Mitarbeiter, weniger Ausfall, mehr Engagement, höhere Kundenzufriedenheit, höherer Wirkungsgrad der Organisation, besserer Einsatz der knappen Ressourcen auf dieser Welt. Und wie es ein Mitarbeiter sagte: "In unserer Organisation ist es erlaubt, glücklich zu sein."
Unsere Konsequenzen
"Was uns in unserer Arbeit als Berater bewegt: Menschen in Organisationen, ihre Arbeit und Zusammenarbeit, ihre gemeinsame Wirksamkeit und das Gelingen."
Wir als Berater der Integrated Consulting Group haben aus der kontinuierlichen Diskussion dieser Inhalte immer wieder wertvolle Schlüsse für unsere Arbeit gezogen. Weil uns die Zukunft in den Organisationen bewegt, ihre Profitabilität und Zukunftsfähigkeit, das sinnvolle Tun, gute Führungs- und Zusammenarbeitskultur, gemeinsames Gelingen, die Erwartungen und Möglichkeiten im digitalen Zeitalter. Und weil uns vor allem die Menschen "dahinter" zu wichtig und wertvoll sind, als ihnen unnötige Schwere aufzubürden.
Wir haben uns deshalb entschlossen, an unseren Leistungen und Herangehensweisen in dieser Richtung weiterzuarbeiten: gemeinsam mit den Menschen - leicht, schlank, direkt. Dazu gehören schnellere Formate für interessante Management Reviews, erfolgreiche Rapid-Result-Projekte und Mikroprojekte, Unterstützung von strategischen Programmen auf Wirksamkeit statt Fleißarbeit. Damit helfen wir auch den Managementteams und ihren Projekten, die Führungskultur und die Organisation der Zukunft nach vorne zu bringen. Wir haben ein Lab gegründet, in dem wir gemeinsam mit Kunden und Partnern und Freunden forschen, lernen und Beiträge zu Themen wie Digital@Work, Grooving Organization oder New Learning Modes entwickeln.
Die Disruption ist unser Freund. Sie nimmt Last, Gewicht weg. So wird es leichter.
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Dieter HaselbachDieter Haselbach, Soziologe und Coach, arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Kulturberater und Kulturforscher in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Seit 1990 ist er als Hochschullehrer an renommierten Universitäten in Kanada, England, Österreich und Deutschland tätig. Heute ist er Managing Partner bei der ICG Deutschland. Seine Schwerpunkte liegen in der Entwicklung von Unternehmenskonzepten, Planungsprozessen, Strategieentwicklungen für Institutionen und Gebietskörperschaften, dem Change-Management in der öffentlichen Verwaltung und dem Führungs- und Konfliktcoaching.
Autorin
Marion KingMarion King, Studium der Betriebs-wirtschaftslehre mit Schwerpunkt International Marketing und Personal. Langjährige Arbeit im Marketing, im Projekt- und Account Management für nationale wie internationale Marken sowie als Head of Human Resources in diversen Werbe-, Design- und Interactive-Agenturen. Ausbildungen in systemischer Beratung, Change Management, Organisationsaufstellung und Transaktionsanalyse. Managing Partner bei Integrated Consulting Group Deutschland und seit 2005 Beraterin für Organisationsentwicklung, in Change-Prozessen und im Bereich Human Resources sowie Trainerin und Coach für Führung und Zusammenarbeit. Hauptthemen sind dabei die Organisation der Zukunft und die Veränderungen der Arbeitswelt, die der digitale Wandel mit sich bringt. marion.king@integratedconsulting.de
Autor
Frank KühnDr. Frank Kühn, Studium Maschinenbau mit Schwerpunkt Arbeitswissenschaft, Promotion im Bereich Ergonomie. Leitende Funktionen in Forschung und Industrie: Arbeitswirtschaft, Logistik, Organisation, Produktionsstrategien, Projektmanagement. Mitgründer Integrated Consulting Group Deutschland. Als Berater arbeitet Frank Kühn seit über 20 Jahren mit Führungskräften und Managementteams, die zukunftsfähige Organisations-, Führungs- und Kooperationskonzepte, schnellere Prozesse und wirksameres Projektmanagement realisieren wollen. Coaching umfangreicher Veränderungsprojekte und Effizienzprogramme in Handel, Industrie, Dienstleistung, Wissenschaft. Zahlreiche Publikationen, Lehrauftrag für Industrielles Projektmanagement. frank.kuehn@integratedconsulting.de