Willkommen bei der Ullstein Uni, einer Inhouse-Fortbildungsveranstaltung der Ullstein Buchverlage für ihre Mitarbeiter. Dies ist ein Experiment. Ein Versuch, neue Wege zu gehen bei der Fortbildung. Wege, die dazu führen, dass das Gelernte auch hängen bleibt. Und nicht im Alltag schnell verpufft, wie dies so häufig passiert. Wenn das Seminar keinen praktischen Bezug hat, zum Beispiel. Oder wenn die Teilnehmer keine Lust haben. Am ersten Tag geht es um die Themen Verhandlungsführung und Pitching. "Pitching" heißt in der Buchbranche die Kunst, das Alleinstellungsmerkmal eines Titels in kürzester Zeit zu präsentieren. Das ist heute sehr wichtig geworden. Denn, so Michael Wieser, Geschäftsführer der Mayerschen Buchhandlung, in seiner Keynote Speech am Abend des zweiten Tages: Es kommt auf die Performance an. Die Mayersche kaufe 5.000 Titel pro Halbjahr. Und die Entscheidungen für diese Titel fallen innerhalb von dreieinhalb Wochen. "Ich lese kein Buch, auch keinen Vorspann", sagt er. Die Entscheidung falle aus dem Bauch heraus. Das Cover sei dabei wichtig und der Name des Autors.
Vorbild Kinderstunde.
Motiviert sind die Teilnehmer von Michael Rossiés Seminar "Sprechen und Präsentieren in den Medien" ganz sicher. Um nicht zu sagen: gebannt. Denn Rossié, der einmal Schauspieler war, benutzt den Raum als Bühne. Er geht in die Situationen und Charaktere hinein, von denen er spricht. So wird er groß, wenn er König ist, oder windet sich, wenn er die Rolle des Überforderten spielt. Souveränität im Unplanbaren, so seine Botschaft, ist der Königsweg bei einem Fernsehinterview. Ein Beispiel gefällig? Rossié wirft einer Freiwilligen das Stichwort "Tunesien" hin. Was fällt ihr dazu ein? "Tunesien ist ein Land in Nordafrika", beginnt sie nach kurzem Zögern. "Das wissen wir alle", meint Rossié. "Was würden Sie auf einer Party sagen?" "Tunesien ist mir zu warm", sagt eine andere, "aber ich war neulich in Skandinavien �" Rossié ist begeistert: Ganz genau so geht es. Und hier sind seine Regeln: Persönlichen Bezug herstellen, Nichtwissen zugeben, laut Nachdenken, wenn man Zeit braucht. Wenn man über ein Thema nicht reden möchte, redet man nicht darüber. Oder, zusammengefasst und in Rossiés eigenen Worten: "Geben Sie sich um Gottes willen keine Mühe!"
Bauch, Beine, Po.
Zur Sache geht es im Computerkurs
"Effektiv arbeiten mit dem Computer". Jeder Teilnehmer sitzt vor
einem Laptop, vorne steht ein Riesenbildschirm, auf dem
Computerspezialist Ray Wiseman seine Folien präsentiert. Thema
ist vor allem, wie man Vorgänge durch Tastaturkombinationen
steuern und abkürzen kann. Bei den Fragen aus dem Teilnehmerkreis
dreht es sich um konkrete Probleme. So hat eine Teilnehmerin
immer Schwierigkeiten mit ihrem Outlook-Programm: "Meine Inbox
ist immer so voll, dass ich keine Mails mehr verschicken kann",
klagt sie, sie könne die Mails aber auch nicht löschen. Auslagern
in "Eigene Dateien", lautet der Tipp des Trainers, denn der
Speicherplatz auf dem Server sei sicher begrenzt.
Im Stimmtrainingskurs "Was wir vom Gorilla lernen können"
von Eva Loschky wird gerade viel gelacht. Sie zeigt den stabilen
"Gorilla-Stand": Gewicht nach vorne verlagern, Knie leicht
beugen, Po und Bauch entspannen. Ein Teilnehmer steht in seiner
üblichen Haltung im offenen Kreis. Loschky drückt gegen seine
linke Hüfte. Er kippt nach rechts. Auf, Gorilla-Stand üben! Er
beugt die Knie ein wenig. Sie drückt. Er kippt. "Bauch und Po
entspannen!", rät sie. Wieder drückt sie gegen seine linke Hüfte.
Diesmal bleibt er fest stehen. Prima! Und los, Partnerübung! Die
Teilnehmer streuen sich in Pärchen über den Raum. "Das fühlt sich
so schlaff an", kichert eine. "Also das nächste Treffen hältst du
dann im Gorilla-Stand ab", scherzt einen andere mit ihrer
Kollegin.
Ganz anders arbeiten da die Führungskräftetrainer. Ihr
Werkzeug: PowerPoint-Folien und mündlicher Vortrag. Brigitte
Witzer erzählt in ihrem Seminar "Die Zeit der Helden ist vorbei.
Postheroisches Management" die Geschichte vom 18. Kamel: Kommt
ein Mullah bei drei traurig aussehenden Männern mit einer Horde
Kamele vorbei. Was ist passiert?, fragt er. Ach, sagt einer der
drei, unser Vater ist gestorben und hat uns 18 Kamele
hinterlassen. Der Älteste soll die Hälfte bekommen, der Zweite
ein Drittel und der Jüngste ein Neuntel. Aber das geht nicht auf.
Ganz einfach, lacht der Mullah und teilt dem Ältesten neun, dem
Zweiten sechs und dem Jüngsten zwei Kamele zu. Auf dem
Überschüssigen aber reitet er davon. "Das ist ein Beispiel für
eine postheroische Haltung", sagt Witzer. Denn der Mullah habe
einfach gehandelt.
Gut für Wissen und Klima.
Und was bleibt nun von diesen beiden Tagen, nach deren Abschluss die Menschen noch bis spät abends bleiben und Kontakte vertiefen? Nun, zunächst einmal folgt eine Auswertung, was die Fortbildungen gebracht haben, gibt Organisatorin Rebecca Roscher Auskunft. Ihr Gesamteindruck aber lässt vermuten, dass die Ullstein Uni Zukunft hat. Eine rundum gelungene Veranstaltung sei es gewesen, schwärmt sie. "Die Mitarbeiter waren begeistert, da hat sich wirklich etwas bewegt!" Mit positiven Auswirkungen nicht nur auf das Wissen in den Köpfen, sondern auch auf das Klima der Zusammenarbeit im Verlag. Jürgen Diessl indes bekam die Wirkung der Veranstaltung ganz unmittelbar zu spüren. Tags drauf kamen Mitarbeiter in sein Büro und baten um Bücher der Referenten, um darin weiterlesen zu können. Schnell waren seine Bestände vergeben. "Wir bestellen jetzt nach", sagt er schmunzelnd.
Annegret Nill ist Journalistin in Berlin und schreibt als freie Autorin für changeX.
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Autorin
Annegret NillAnnegret Nill arbeitet als freie Journalistin, Autorin und Moderatorin in Berlin. Sie schreibt als freie Autorin für changeX.