Schlecht gepokert
Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 10 |
Wer sich zu billig verkauft, ist selbst schuld. Und darf sich nicht ärgern, wenn neue Kollegen mit einem dickeren Scheck aus den Verhandlungen gehen. Ein Recht auf monetäre Gleichstellung gibt es nicht. Das wurde vom Bundesarbeitsgericht nun noch mal bestätigt.
Ludwig M. ist sauer. Seit drei Jahren
ist der nun schon in dem Unternehmen. Immer bereit, sein Bestes zu
geben - und das, obwohl die Bezahlung nicht gerade üppig ausfällt.
Doch mehr Geld ist angesichts der Marktsituation eben nicht drin.
Und damit hat sich M. abgefunden. Bis er auf einem Betriebsfest
erfahren hat, dass seine vier neuen Kollegen mehr verdienen wie er.
Ein Schlag ins Gesicht.
Gleich am nächsten Tag klopfe M. bei seinem Chef an und
forderte eine Gehaltserhöhung - und zwar um genau 3,2 Prozent. Dann
wäre er mit den Neulingen gleichauf. Und das wäre das Mindeste.
Doch sein Chef wiegelte ab. Kein Geld. Und außerdem sei er nicht
verpflichtet, seine Mitarbeiter finanziell gleichzustellen. Er
könne frei entscheiden, wie viel er jedem Einzelnen zahle.
M. ging zurück in sein Zimmer, packte seine Tasche und fuhr
nach Hause. Er wollte schlafen und morgen noch mal in aller Ruhe
mit seinem Vorgesetzten reden. Doch seine Frau stachelte ihn an: Er
solle vor Gericht ziehen. Eine solche Ungerechtigkeit könne er
nicht auf sich sitzen lassen. Nicht nach so vielen Jahren. Also
suchte sich M. einen Anwalt und eröffnete den Rechtsstreit - jedoch
ohne Erfolg. Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz.
Der Chef von Ludwig M. hatte Recht: Arbeitgeber müssen ihre
Mitarbeiter nicht gleichbehandeln. M. hätte nur eine Chance, wenn
sein Vorgesetzter ihm willkürlich, aufgrund "sachfremder
Erwägungen", die Gehaltserhöhung verweigern oder ganze Gruppen
schlechter beziehungsweise besser stellen würde. Doch das sei nicht
der Fall. Es handelt sich bei den vier neuen Mitarbeitern um
individuell vereinbarte Löhne. Und das müsse M. akzeptieren - und
bei seiner nächsten Anstellung einfach besser verhandeln (BAG, Az.:
5 AZR 713/02).
Annabel Hoene ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Osborne Clarke, Köln.
Mit einer Illustration von Limo Lechner.
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