Schlecht gepokert

Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 10 |

Von Annabel Hoene

Wer sich zu billig verkauft, ist selbst schuld. Und darf sich nicht ärgern, wenn neue Kollegen mit einem dickeren Scheck aus den Verhandlungen gehen. Ein Recht auf monetäre Gleichstellung gibt es nicht. Das wurde vom Bundesarbeitsgericht nun noch mal bestätigt.

Ludwig M. ist sauer. Seit drei Jahren ist der nun schon in dem Unternehmen. Immer bereit, sein Bestes zu geben - und das, obwohl die Bezahlung nicht gerade üppig ausfällt. Doch mehr Geld ist angesichts der Marktsituation eben nicht drin. Und damit hat sich M. abgefunden. Bis er auf einem Betriebsfest erfahren hat, dass seine vier neuen Kollegen mehr verdienen wie er. Ein Schlag ins Gesicht.
Gleich am nächsten Tag klopfe M. bei seinem Chef an und forderte eine Gehaltserhöhung - und zwar um genau 3,2 Prozent. Dann wäre er mit den Neulingen gleichauf. Und das wäre das Mindeste. Doch sein Chef wiegelte ab. Kein Geld. Und außerdem sei er nicht verpflichtet, seine Mitarbeiter finanziell gleichzustellen. Er könne frei entscheiden, wie viel er jedem Einzelnen zahle.
M. ging zurück in sein Zimmer, packte seine Tasche und fuhr nach Hause. Er wollte schlafen und morgen noch mal in aller Ruhe mit seinem Vorgesetzten reden. Doch seine Frau stachelte ihn an: Er solle vor Gericht ziehen. Eine solche Ungerechtigkeit könne er nicht auf sich sitzen lassen. Nicht nach so vielen Jahren. Also suchte sich M. einen Anwalt und eröffnete den Rechtsstreit - jedoch ohne Erfolg. Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz.
Der Chef von Ludwig M. hatte Recht: Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter nicht gleichbehandeln. M. hätte nur eine Chance, wenn sein Vorgesetzter ihm willkürlich, aufgrund "sachfremder Erwägungen", die Gehaltserhöhung verweigern oder ganze Gruppen schlechter beziehungsweise besser stellen würde. Doch das sei nicht der Fall. Es handelt sich bei den vier neuen Mitarbeitern um individuell vereinbarte Löhne. Und das müsse M. akzeptieren - und bei seiner nächsten Anstellung einfach besser verhandeln (BAG, Az.: 5 AZR 713/02).

Annabel Hoene ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Osborne Clarke, Köln.

Mit einer Illustration von Limo Lechner.

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