Eingetütet
Neues aus den Forschungslabors von Infineon Technologies.
Werden Supermarkt-Kassiererinnen bald überflüssig? Ein neu entwickelter Plastik-Chip kann direkt in die Lebensmittelverpackung integriert werden. Das Schlangestehen an der Kasse wäre damit passé - man muss seinen Einkaufswagen nur noch durch eine elektronische Schleuse schieben, die den Inhalt automatisch registriert.
Zur Zeit müssen die Kunden im
Supermarkt noch mühsam jeden Artikel über einen Scanner ziehen
lassen. Vielleicht ist schon in ein paar Jahren Schluss mit dem
lästigen Schlangestehen - dank neuartiger Chips aus den
Entwicklungsabteilungen von Infineon. Zum ersten Mal ist es einem
Forscherteam des Münchner Halbleiterunternehmens gelungen,
elektronische Schaltkreise aus Plastik auf eine handelsübliche
Verpackungsfolie zu integrieren. Chips aus Plastik? Der Laie
staunt. Der Experte nicht minder, wenn auch aus anderen Gründen.
Auch bisher waren solche Chips schon möglich, allerdings war ihre
Produktion nur mit sehr hochwertigen Kunststoffen zu schaffen.
Jetzt ist eine wichtige Voraussetzung geschaffen, um
kostengünstige Chips in großer Zahl zu produzieren. Die
Massen-Herstellung nach dem neuen Verfahren wäre ein Anblick, der
mit der herkömmlichen aufwendigen Chip-Produktion im Reinraum
nicht viel zu tun hat: Ähnlich wie beim Zeitungsdruck läuft die
Folie in Form von großen Bahnen mit Hochgeschwindigkeit durch
mehrere Beschichtungs- und Strukturierungsvorgänge. Der Trick:
Wissenschaftler bringen die aktive und empfindlichste Schicht des
Dünnfilm-Transistors nicht als erste der einzelnen Chip-Schichten
auf, sondern zuletzt.
Dass Kunststoffe existieren, die je nach Molekülstruktur
auch halb leitende Eigenschaften haben können, ist seit 1977
bekannt. Seither ist ein Wettlauf um die praktische
Einsatzfähigkeit entbrannt. Für den Durchbruch in den
Infineon-Labors ist neben der Schichten-Anordnung auch die
Materialwahl entscheidend. Die Forscher setzen auf so genannte
niedermolekulare Verbindungen. Im Gegensatz zu den sonst
verwendeten Polymeren zeichnen sich diese aufgrund ihrer höher
kristallinen Anordnung zueinander durch eine bessere
Ladungsträgerbeweglichkeit aus.
Ein Chip auf jeder Tüte.
Anwendungen für die neue Methode
gibt es viele. Am interessantesten erscheint es, damit flexible
Funk-Etiketten aus Kunststoff herzustellen, die die wohl
bekannten Strichcodes ersetzen. Denn die neuen Chips lassen sich
auf Lebensmittelverpackungen jeder Art, sogar auf die Tüten von
Kartoffelchips, drucken. Die Tüten von Chio & Co. eignen sich
sogar besonders gut dafür: Normalerweise dient die
Aluminiumschicht als Sauerstoffbarriere, damit die Knabberei
frisch bleibt. Aber sie kann zugleich für die elektronischen
Schaltungen als Leiterbahnebene verwendet werden. Mit fünf
Mikrometern Größe wären diese Leiterbahnen etwa zehnmal dünner
als ein menschliches Haar. Für die Anwendung im Supermarkt reicht
das - normale Chips haben noch sehr viel feinere Strukturen und
rechnen wesentlich schneller als die eher simplen
Plastik-Schaltungen.
Für die Vermarktung der neuen Technologie sind laut
Infineon mehrere Wege denkbar. Die Plastik-Chips werden in Form
eines fertigen Etiketts entweder auf die Verpackungen geklebt
oder der Halbleiter-Hersteller liefert die mit elektronischen
Bausteinen vorbereitete Folie zur Weiterverarbeitung. Um die
Entwicklung zur Marktreife zu führen, ist nicht zuletzt die
Verpackungsindustrie gefordert. Letztendlich sollen die
Plastik-Chips zusammen mit der normalen Produktinformation auf
die Verpackung gedruckt werden. Denn rentabel ist die Technologie
nur in großen Stückzahlen; mehr als ein Cent darf ein solches
Etikett nicht kosten, das ist klar.
Kassiert wird im Vorbeigehen.
Setzt sich das neue System durch,
müsste der Kunde den gefüllten Einkaufswagen einfach nur noch zum
Ausgang schieben - sobald er eine elektronische Schleuse
passiert, wird ihm die Rechnung aus den Funksignalen der
einzelnen Produkte automatisch zusammengestellt. Eine
Sichtverbindung zwischen Etikett und Lesegerät ist nicht mehr
nötig.
Damit diese Vision sich bewahrheitet, müsste allerdings
jeder neu produzierte Artikel mit dem Folien-Chip ausgestattet
werden - 500 Milliarden Stück pro Jahr. Ein gigantischer neuer
Markt für die Chiphersteller. Wenn die Supermärkte und
Lebensmittelhersteller tatsächlich dafür votieren, Kassiererinnen
abzuschaffen.
© changeX Partnerforum [27.11.2002] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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