Neuronen in Aktion
Neurochips sind eine spannende neue Technologie.
Lange galt eine direkte Kommunikation zwischen Gehirn und Computer als unmöglich. Nun ist es gelungen: Das Max-Planck-Institut für Biochemie und der Halbleiterhersteller Infineon stellen die ersten Chips vor, die mit lebenden Nervenzellen Signale austauschen. Das Interesse der Öffentlichkeit ist enorm.
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"Cells'n'Chips" hatte das Max-Planck-Forum die Veranstaltung genannt, bei der in München Infineon-Chef Dr. Ulrich Schumacher und Peter Fromherz mit Patrick Illinger, dem Ressortleiter Wissenschaft der
SZ
diskutierten. "Das soll zeigen, dass die Verbindung von Zellen und Computerchips einmal so zum Alltag gehören soll wie Fish and Chips, der britische Lieblings-Snack", erklärt Dr. Barbara Bludau, Generalsekretärin der Max-Planck-Gesellschaft, mit einem Augenzwinkern.
Ein riesiger potenzieller Markt.
Doch noch ist es bis dahin ein
weiter Weg, bisher ist die Technologie noch im Versuchsstadium.
Viele Millionen Euro Investition und viele Jahre hat es gekostet,
so weit zu kommen. "Lange Zeit haben wir die Chips selbst gebaut
und fleißig Schnecken geschlachtet, weil sie besonders große
Hirnzellen haben", erzählt Fromherz von den Anfängen des
Neurochips, von der mühsamen Grundlagenforschung. "Aber wenn man
nicht nur Einzelzellen studieren möchte, sondern Hunderte oder
Tausende, die miteinander interagieren und Neuronennetze bilden,
dann braucht man komplexe Chips. Dabei konnte Infineon uns
helfen."
Beim Halbleiterhersteller Infineon, der lange Erfahrung mit
Chiptechnologie hat, geht die Erfindung nun in die industrielle
Entwicklung. Mit Blick darauf, dass solche grundlegenden
Innovationen der Markt von morgen sein könnten. "Das Thema
Gesundheit beschäftigt alle Menschen und Nationen - es ist also
ein lohnendes Feld für die Forschung und hat viel Potenzial",
erklärt Infineon-Chef Schumacher. Langfristig soll die
Entwicklung auf jeden Fall etwas einbringen, schließlich ist
Infineon ein Wirtschaftsunternehmen. Aber der Zeithorizont ist
noch unbestimmt. "Es kann noch fünf oder zehn Jahre dauern, bis
sich aus diesen neuen Entwicklungen ein Markt
herauskristallisiert. Aber solche Dinge können auch sehr schnell
gehen." Gerade aus der Zusammenarbeit zwischen
Grundlagenforschern, die vom Staat finanziert wird, und der
Industrie lässt sich für ihn oft ein optimaler Markterfolg
ableiten - denn die Hightech-Branche lebt von Innovationen.
Noch erlauben sich weder Infineon noch das
Max-Planck-Institut, weiter als ein paar Jahre in die Zukunft zu
blicken, doch beiden ist klar, dass sie die Geburtsstunde einer
komplett neuen Technologie miterleben, mitprägen. Auch die Medien
sind sofort auf den Zug aufgesprungen, träumen von einem Chip im
Gehirn, der mit Hilfe eines Computers vor dem geistigen Verfall
bewahrt oder den menschlichen Intellekt erweitert. Für all das
ist eine Technologie, die direkte Kommunikation zwischen
Nervenzellen und Mikrochips möglich macht, die
Voraussetzung.
Neuronale Netze in Aktion.
Einfach war die Entwicklung dieser
Technologie nicht, obwohl Chips und Zelle beide elektrisch
funktionieren. Im Silizium tragen Elektronen den Strom, in
Nervenzellen Ionen. Die Elektronen aus dem Silizium können aber
nicht in die Zellen, die Ionen aus der Nervenzelle nicht in den
Halbleiter. Dieses Kommunikationshindernis überwinden die
Physiker, indem sie den Chip mit einer dünnen Quarzschicht
isolieren, also vor der Feuchtigkeit schützen, und dann die
Nervenzelle so nah heranbringen, dass der Chip das elektrische
Feld der Nervenzelle "spürt". So gelingt es, die Signale der
Zelle zu belauschen. Aber es funktioniert auch in der
Gegenrichtung: Per Chip lassen sich in Nervenzellen jene
elektrischen Erregungen stimulieren, mit denen die Zellen auch im
Körper Informationen austauschen.
Ziel der Forschungen ist auch, mehr darüber herauszufinden,
wie komplexe Netzwerke aus Nervenzellen funktionieren. Denn
bisher war es Forschern kaum möglich, sie "in Aktion" zu
beobachten. "So wird es uns vielleicht gelingen, ein neues,
besseres Bild vom Gehirn zu gewinnen - und einen besseren
Vergleich für seine Funktionsweise zu finden als den Computer",
meint Peter Fromherz. Denn obwohl das Hirn eines Menschen eine
Million mal langsamer arbeitet als ein Computer, ist die Maschine
in vieler Hinsicht "dümmer".
Auch Infineon-Chef Schumacher kann dem Vergleich von Gehirn
und Computer wenig abgewinnen. "Das Gehirn ist von Grund auf
anders konzipiert, es arbeitet mit Intuition und Erfahrung.
Deshalb ist es für uns auch kein sinnvolles Ziel, Computer zu
einer Art Ersatzgehirn weiterzuentwickeln."
Hände weg vom Forschungsbudget!
Wie kam es zum Neurochip, wie kommt
es überhaupt zu solchen Innovationen? Auch das war Thema bei der
Cells'n'Chips-Diskussion in München. "Es war auch eine Portion
Spieltrieb dabei - ausprobieren, was geht", berichtet Fromherz.
"Mit primitiven Methoden und einer Hand voll Doktoranden
verrückte Dinge ausprobieren, obwohl einen die Umgebung auslacht
... das wird es zum Glück immer geben."
Und gar nicht so selten kommt dabei etwas Brauchbares
heraus. Aus diesem Grund hält es Ulrich Schumacher für wichtig,
dass es auch in den Unternehmen Freiräume und Spielwiesen für
Entwickler gibt. Trotz des Drucks, daraus möglichst schnell ein
Produkt zu machen. "Oft führt die Motivation Neugier zu
Innovationen. Diesen Freiraum muss man dem Menschen im
Unternehmen geben und auch in schweren Zeiten bewahren", erklärt
er. "Forschung kann man nicht an- und ausschalten, es muss eine
Kontinuität da sein. Deshalb haben wir das Forschungsbudget
selbst in der schlechten Phase zur Zeit kaum angetastet."
"Man kann nur wünschen, dass Sie das durchhalten", lächelt
Fromherz.
Aber was ist mit technischen Grenzen? Immer winziger und
winziger werden die Bauteile auf den Chips, bald, so unkt
mancher, geht es einfach nicht mehr kleiner. Doch auch darauf hat
Schumacher eine Antwort parat: "Alle Experten erklären schon seit
18 Jahren, auf welche Hindernisse und natürlichen Grenzen wir
bald stoßen werden. Das ist eine sehr verbreitete Denkhaltung.
Aber bis jetzt haben wir die Barrieren immer durchbrochen oder
umgangen."
Den Beweis dafür, dass es wieder einmal geklappt hat,
halten die Besucher der Diskussion staunend in Händen:
durchsichtige Plastikdöschen, in denen Kontakte glitzern und
unsichtbare Nervenzellen pulsieren. Erste Vorboten einer neuen
Technologie.
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Einen detaillierten Bericht über
Infineons Neurochips finden Sie unter:
Es lebt! - Infineon hat einen
bahnbrechenden Bio-Neuro-Chip entwickelt.
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