Beruf = Privat = Beruf
Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 9 |
Ausbildung, Beruf, Rente. Dieser Dreiklang gilt nicht mehr. Denn heutzutage muss Wissen stets neu erworben werden. Nicht nur während der Arbeitszeit, sondern auch in der Freizeit. Für Finanzbeamte ein schwieriges Pflaster. Denn sie müssen entscheiden: privates Vergnügen oder berufliche Fortbildung. Und je nachdem: steuerlich absetzbar oder nicht.
Oliver B. ist Gärtner. Und er liebt seinen Beruf.
Nicht nur weil es für ihn nichts Schöneres gibt, als Bäumen und
Sträuchern beim Wachsen zu helfen. Er kümmert sich auch gerne um
den Nachwuchs. Um Jugendliche, die nicht so genau wissen, wo sie
hingehören. Und die Natur leistet ihm dabei gute Dienste. Deswegen
arbeitet B. auch nicht in einer Gärtnerei, sondern bei einem
gemeinnützigen Verband zur Förderung benachteiligter Jugendlicher.
Fünf Jahre ist er nun schon dabei. Trifft sich zweimal die
Woche mit seinen Kids, läuft mit ihnen durch den Park, spielt
Volleyball, sammelt Wildkräuter oder legt für die Gemeinde einen
Baumpfad an.
Am Anfang war alles einfach, die Jugendlichen waren
neugierig und für die Abwechslung dankbar. Doch schon wenige Wochen
später regte sich der erste Frust. Die Kids langweilten sich,
pöbelten Passanten an oder zogen sich zurück. Ein Kollege riet B.,
sich fortzubilden, einen Kurs zu besuchen. Schließlich sei er
Gärtner und kein Sozialarbeiter. Er müsse einfach noch mal auf die
Schulbank. Ein Schicksal, das nicht nur ihn treffe. In der heutigen
Zeit könne es sich keiner mehr leisten, eine Grenzlinie zwischen
Ausbildung und Beruf zu ziehen.
B. befolgte den Rat und buchte drei Kurse: Lauftraining für
Jugendliche, Mediation und Gesprächsführung. Die Kosten setzte er
von der Steuer ab - als Werbungskosten. Doch sein zuständiger
Sachbearbeiter wiegelte ab. Nach einigem Hin und Her reichte B.
seine Klage ein - mit Erfolg. Der Richter gab ihm Recht:
"Aufwendungen können als Werbungskosten geltend gemacht werden", so
seine Ausführungen, "wenn sie mit steuerpflichtigen Einnahmen in
einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dies ist
insbesondere hinsichtlich solcher Anwendungen der Fall, die
beruflich veranlasst sind und subjektiv zur Förderung des Berufes
getätigt werden." Und das sei bei Herrn B. eindeutig der Fall. Auch
wenn sich seine Frau über das neu gewonnene Einfühlungsvermögen
ihres Mannes sicherlich gefreut haben wird. (Az.: 1 K
93/99)
Gerd Hoor ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Osborne Clarke, Köln.
Mit einer Illustration von Limo Lechner.
Zur Übersicht aller erschienenen Folgen.
© changeX Partnerforum [22.11.2002] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
changeX 22.11.2002. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
Artikeltags
changeX / Osborne Clarke
Weitere Artikel dieses Partners
Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 15 | zum Report
Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 14 | zum Report
Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 13 | zum Report