Total global

Der 11. Global Dialogue in Hannover.

Zwei Tage lang diskutierten in Hannover Praktiker der nachhaltigen Entwicklung mit dem Publikum über das problematische Miteinander der Kulturen. Mit dabei: Teilnehmer aus 20 Ländern.

Noch immer ist in Hannover die Erinnerung an die Weltausstellung EXPO 2000 nicht verblasst, dafür sorgt schon die Begrüßung auf dem Hauptbahnhof: "Willkommen in der Messe- und EXPO-Stadt Hannover!" Ein Hauch von Wehmut ist dabei, dass die Hauptstadt Niedersachsens heute nicht mehr auf globaler Ebene mitmischen kann, es zum Weltstadt-Flair eben doch nicht so richtig reichte. Für kurze Zeit durfte Hannover nun noch einmal im EXPO-Feeling schwelgen: Am 31. Oktober und 1. November griffen einige der ehemaligen Akteure eines der (zumindest offiziellen) Ziele der EXPO, den Fokus auf Nachhaltigkeit, noch einmal auf und erfüllten ihn mit Leben, indem sie eine der großen Veranstaltungsreihen von damals fortsetzten. Beim 11. "Global Dialogue" trafen sich Menschen aus 20 Nationen, viele von ihnen Visionäre und Praktiker der nachhaltigen Entwicklung, um gemeinsam mit Journalisten und Besuchern über das hochaktuelle Thema "Globalisierung der Kultur(en) im Zeitalter der Medien" zu diskutieren. Der Termin dafür war nicht zufällig gewählt: Ende Oktober 2000 ging das Riesenspektakel Weltausstellung zu Ende.

Ein Netzwerk wird reaktiviert.


Hinter der Veranstaltung stand der Verein Global Partnership, der aus den dezentralen "Weltweiten Projekten" der EXPO hervorgegangen ist und dieses bewährte Netzwerk weiterführt. Nicht zuletzt dem Engagement des Geschäftsführers Berend Hartnagel, aber auch vielen Förderern - darunter das Land Niedersachsen, Stadt und Region sowie GTZ, PricewaterhouseCoopers und der Nord/LB - ist es zu verdanken, dass nun auch die Konferenzreihe reaktiviert werden konnte. Mit ehrgeizigen Zielen: "Der 11. Global Dialogue will für die EXPO-Stadt und -Region eine neue Tradition aus der Taufe heben: Internationales Dialogforum mit den Gestaltern der Zukunft zu sein. Was wir wollen, ist eine Ideenbörse, ein Forum für Erfahrungsaustausch und Begegnung zwischen Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien", fasste Hartnagel die Vision der Beteiligten zusammen.
Insgesamt rund 400 Besucher fanden sich zum Zuhören und Mitdiskutieren im Alten Rathaus von Hannover ein - und konnten gleich feststellen, wie global es dort auf einmal zuging. Mit einer Zeremonie, die die Gemeinschaft verbindet, zelebrierte der Inuit-Schamane Agaangaq "Uncle" Lyberth (am nächsten Tag einer der Gäste auf dem Podium) die Eröffnung. Anschließend stellte der schwedische Stifter des alternativen Nobelpreises, Jakob von Uexküll, das aus den bisherigen Global Dialogues hervorgegangene Buch Auswege in die Zukunft vor und machte gleichzeitig Mut zum offenen und kritischen Dialog. Eine Herausforderung, die die Teilnehmer bei den beiden dreistündigen Foren am nächsten Tag annahmen. Nicht zuletzt die vielen Jugendlichen aus Gesamtschulen und Gymnasien aus Hannover und der Region meldeten sich oft zu Wort und sparten auch nicht an Kritik. Von einer angeblich passiven und nur an Unterhaltung interessierten Generation war auf dem Global Dialogue nichts zu spüren.

Globalisierung? Halb so wild.


Beim Konferenzthema Kampf der Kulturen drängte sich natürlich der Gedanke an den 11. September auf, an die Spaltung zwischen Islam und westlicher Kultur. Doch so richtig einigen konnten sich die Podiumsteilnehmer nicht, ob der Dialog durch dieses Ereignis abgebrochen worden ist oder ob es nie einen Austausch gab. Denn wie so mancher peinlich berührt feststellen konnte, wissen die meisten Muslime sehr viel mehr über den Westen als umgekehrt.
Auch die oft beklagte "McDonaldisierung" entlarvten die Teilnehmer schnell als Klischee. Statt einer kulturellen Invasion durch Amerika sieht der Journalist Sebastian Körber von der Zeitschrift KulturAustausch eher neue wirtschaftliche Effizienzansprüche an alle Länder - und ansonsten Einflüsse aus aller Welt. "Wir hören ja auch Musik mit afrikanischen Einflüssen, telefonieren mit Handys aus Finnland und tragen italienische Anzüge", erklärte er. Die Diagnose des Podiums: Die Globalisierung regiert nicht unbeschränkt. Selbst der Musiksender MTV, der ursprünglich den Ehrgeiz hatte, überall auf der Welt das gleiche Programm zu senden, regionalisiert sich inzwischen wieder. Auch Thiago de Oliveira Pinto vom Kulturinstitut Brasilien zeigte sich gelassen: "Brasilien erlebt die Globalisierung seit 500 Jahren. Wir nehmen Einflüsse auf und wandeln sie für uns ab. Das kleine Liedchen �Happy Birthday' zum Beispiel wird bei uns auch an Geburtstagen gesungen, aber mit spanischem Text und lateinamerikanischem Rhythmus."
Das Fazit der Diskussion: Am besten funktionieren immer noch persönliche Begegnungen. Fast nur über das gegenseitige Kennenlernen können Verständnis und Respekt für andere Kulturen entstehen. Und ohne diesen Respekt gibt es keinen Dialog, denn der setzt gleichberechtigte Partner voraus.

Medienschelte en gros.


Als es im nächsten Forum um die Rolle der Medien ging, machte Ashok Khosla aus Indien, der Vizepräsident des Club of Rome und Träger des renommierten Sasakawa-Preises, gleich deutlich, was für ihn im Argen liegt: "Dass die Welt in einem so schlechten Zustand ist, liegt nicht zuletzt an der kaum funktionierenden Kommunikation. Die Medien werden von Menschen kontrolliert, die sich nur für ihre Profite interessieren - das wirkt sich natürlich aus." Seine Hoffnung sind das Internet, das sich nun mal nicht kontrollieren lässt, und gemeinnützige Medien wie der Bürgersender WE-TV. Breite Zustimmung fand aber auch die Meinung der kolumbianischen Journalistin Constanza Vieira, die eine Tendenz erkennt, bei der regionale und lokale Medien an Bedeutung gewinnen und für die so wichtige Vielfalt sorgen könnten.
Reichlich Beschwerden gab es von den internationalen Teilnehmern über das Bild ihres Landes in den Medien. "Was der durchschnittliche Journalist über unser Land weiß, passt auf eine Briefmarke. Die Reporter fliegen hin, machen ihre Geschichte und hauen wieder ab", mokierte sich Zane Ibrahim vom Bush Radio Südafrika. Als Lösung schlug Klaus-Jürgen Schmidt von der Radiobridge Overseas Simbabwe vor, einheimische Kollegen in die Lage zu versetzen, ihre eigenen Geschichten zu erzählen. So kämen mehr authentische Stimmen in die Berichterstattung über Afrika.
Nach Ende der Foren erwies sich die Abschlussveranstaltung als Publikumsmagnet: Der bekannte Autor und Soziologe Ulrich Beck stellte sein neues Buch Macht und Gegenmacht im globalen Zeitalter im Gespräch mit SPD-Urgestein Erhard Eppler vor. Doch diesmal kam ein Dialog mit dem Publikum nicht mehr zustande, die Zeit reichte nicht.

Der Dialog geht weiter.


Hannover und der Verein Global Partnership werden auch in Zukunft einen Platz für den offenen, internationalen Dialog bieten. Im nächsten Jahr, genauer gesagt am 31.10.2003, möchte der 12. Global Dialogue neue Begegnungen aus aller Welt organisieren. In der Zwischenzeit geht das Gespräch per Internet weiter - unter www.globalpartnership.de und dialogue@globalpartnership.de kann jeder sich zu Wort melden, der mitdiskutieren möchte.

Lesen Sie dazu auch Impulse aus aller Welt - die Besprechung zum neuen Buch Auswege in die Zukunft von Ricardo Díez-Hochleitner und Andreas J. Harbig, das pünktlich zum 11. Global Dialogue in Hannover erschienen ist. Eine inhaltliche Zusammenfassung der ersten zehn Veranstaltungen während der EXPO 2000.

www.globalpartnership.de

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