Wasser ist Leben ... aber leider nicht immer
Der 12. Global Dialogue in Hannover hat dazu beigetragen, die Öffentlichkeit auf das "Jahr des Süßwassers" aufmerksam zu machen.
Die weltweit größte Tagungsreihe zum Thema Nachhaltigkeit, die zur EXPO gestartet und seither fortgesetzt wurde, hatte in diesem Jahr das Thema "Wasser ist Leben - nachhaltige Prävention eines globalen Konfliktpotenzials". In der Leine- und EXPO-Stadt trafen sich der Amazonas, der Baikal- und Tschadsee, der Orange-Fluss und die Donau, der Volta mit dem Rio Grande und der palästinensischen Westbank. Außerdem hochkarätige internationale Wissenschaftler und Wasserexperten mit Aktivisten, die den Zugang zu Wasser als ein Menschenrecht verteidigten.
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Viele Teilnehmer des Global Dialogues waren über diese Enthüllung schockiert und unterstützten Clements in seiner Absicht, die Angelegenheit vor einen Untersuchungsausschuss der Vereinten Nationen zu bringen.
Wasser im Nahen Osten.
Natürlich spielte auch das Thema
Nahost eine besondere Rolle. Mesopotamien, das biblische
Zweistromland, ist seit Generationen Schauplatz von
Auseinandersetzungen über das knappe Gut Wasser. Fadil Kawash,
stellvertretender Leiter der palästinensischen Wasserbehörde, und
Zach Tagar, Projektleiter bei der weltweit renommierten
Nichtregierungsorganisation Friends of the Earth (Middle East)
für das Thema Wasser, waren beide sichtlich bemüht, die enorme,
aber weitgehend unbekannte Bedeutung des Themas Wasser im
gewalttätigen Konflikt zwischen Israel und Palästina zu
versachlichen. Beide betonten die großen Kooperationschancen, die
das Thema Wasser bietet, räumten aber auch ein, dass es bis jetzt
keine wirklichen Fortschritte gibt. Kawash, der auch Delegierter
der Friedensverhandlungen ist, zeigte sich enttäuscht, dass es
bisher nicht möglich war, über Regelungen für das Wasser auch zu
weiteren Friedensvereinbarungen zu gelangen: "Wasserrechte waren
in dieser Region historisch immer ein Problem, aber die Menschen
haben es früher stets friedlich und gemeinsam lösen können."
Es blieb dem amerikanischen Fachjournalisten Alan Weisman
aus dem Wüstenstaat Arizona vorbehalten, dennoch den Finger in
die Wunde zu legen, indem er konstatierte, dass die verheerende
israelische Siedlungspolitik natürlich in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem "blauen Gold" steht: "Die meisten Siedlungen
werden dort errichtet, wo Süßwasserquellen verfügbar gemacht
werden können."
Experten aus vielen Ländern.
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Trotz eines kaum zu verstehenden Desinteresses der regionalen Presseorgane im Vorfeld dieser wichtigen Tagung über "nachhaltige Zukunftslösungen in der Gegenwart" waren am Starttag rund 150 Teilnehmer gekommen, um vor allem die Lesungen und das anschließende Gespräch der beiden "Wasserliteraten" zu hören. Und sie wurden nicht enttäuscht. Thiago de Mello, der 77-jährige Menschenrechtler und große Erzähler Brasiliens, proklamierte in ergreifender Weise sein berühmtestes Werk, die Statuten des Menschen. Der 37-jährige John von Düffel, derzeit Dramaturg an Hamburgs Thalia Theater, bestätigte seinen Ruf als einfühlsamer Autor des preisgekrönten Buches Vom Wasser und erwies sich als ebenbürtiger Gesprächspartner über die Bedeutung des Wassers in zwei unterschiedlichen Kulturen unseres Planeten. Diese großartige Einführung in die nachfolgende Tagung hat zweifellos ganz wesentlich zu einer sehr positiven Stimmung unter allen Teilnehmern des 12. Global Dialogues beigetragen. Bedauerlich und offenbar inkompetent, dass die Veranstaltung zuvor seitens einer großen hannoverschen Zeitung mit den Worten "zu abgehoben" kommentiert wurde. Franz Beckenbauer und eine WM-2006-Präsentation, die an diesem Abend als "Konkurrent" zum 12. Global Dialogue auftraten, werden dem Medienmann dieses Problem sicher nicht bereitet haben.
"Intellektueller Eiffelturm" der EXPO.
Vorträge und Grußworte des
Vorstandsmitglieds der Stadtwerke Hannover-enercity, Prof.
Hans-Jürgen Ebeling, des für den UN-Wasserbericht zuständigen
stellvertretenden Generaldirektors der UNESCO, Prof. Walter
Erdelen, sowie des stellvertretenden Generalsekretärs des
Goethe-Instituts, Dr. Wolfgang Bader, waren einmal mehr Beleg
dafür, dass der Global Dialogue sich als der "intellektuelle
Eiffelturm" der EXPO 2000 zu etablieren beginnt. Seine
Initiatoren hatten dies angesichts einer fruchtlosen Debatte
während der Weltausstellung über ein Symbolgebäude der EXPO als
richtiges Signal für eine nachhaltige Zukunft gefordert.
Neben der launigen und wie stets kenntnisreichen
Eröffnungsrede des Vorsitzenden des Veranstaltervereins, Ernst
Ulrich von Weizsäcker (MdB), wirkten die zentralen Themenvorträge
der schwedischen "großen alten Dame" der internationalen
Wasserszene Prof. Malin Falkenmark und des UNESCO-Repräsentanten
fast ein wenig überstrapaziert, und ohne die wundervolle
literarische Abrundung des Tages wäre mancher Teilnehmer
vielleicht "informationstrunken" davongegangen.
Als großer Erfolg für die mehr als 120 Teilnehmer am
zweiten Tag des Dialogs erwies sich der große Sitzungssaal des
hannoverschen Rathauses. Die Sitzanordnung dort in konzentrischen
Kreisen konnte nicht besser für den Dialog zwischen Kulturen,
Industrie, Versorgern, Studenten, Schülern und
Nichtregierungsorganisationen geeignet sein. Ganz so, wie die
Veranstalter und die Schöpfer dieser internationalen Tagungsreihe
es sich erhoffen. Man darf sich wünschen, dass die Stadt und der
Oberbürgermeister, der sich eine Begrüßungsansprache nicht nehmen
ließ, dieses Angebot auch in den kommenden Jahren
aufrechterhalten. Hans Mönnighoff, fachlich stets auf Augenhöhe
mitdiskutierender Umweltdezernent der Gaststadt, war derart vom
Niveau und der Stimmung der Tagung angetan, dass man mit ihm als
Fürsprecher sicher rechnen kann. Es bleibt abzuwarten, ob die
Region Hannover und das Niedersächsische Wirtschaftsministerium,
das erstmals als Hauptförderer (neben Umweltlotto Bingo! und
enercity) seitens der Landesregierung auftrat, ebenfalls zum
Ergebnis gelangen, dass der Veranstalter und sein Programm eine
Bereicherung für die Internationalität des Standortes
sind.
Neue internationale Partnerschaften.
Neue Partnerschaften für die
Zukunft zu schmieden und Hannover als eine gute Adresse für das
Thema nachhaltige Entwicklung international zu etablieren, dieses
Ziel des Global Dialogues hat sich erneut als realistisch
erwiesen: Das international tätige Beratungsunternehmen aqua
consult aus Hannover hat nun enge Kontakte zu den
Verantwortlichen für die Rettung des Tschadsees in Westafrika;
die Umweltbeauftragte der Deutschen UNESCO-Kommission war in
intensive Gespräche am Rande der Tagung mit der Leiterin des
Baikalsee-Informationszentrums vertieft und die erneut sehr
engagierten Oberstufenschüler zweier Schulen aus Hannover
erhielten Anfragen aus Nahost und Afrika für Partnerschaften mit
dortigen Schulen. Ihre Präsentation zum Thema Leine-Wasser, vor
allem aber die sehr pfiffige Idee einer Aktion "Schulvormittag
ohne Wasser aus der Leitung", die sehr schön dokumentiert wurde,
fanden ein positives Echo bei allen Dialogteilnehmern.
Dieses Projekt, das aus Anlass und in Vorbereitung auf den
12. Global Dialogue durchgeführt wurde, traf am Ende der Tagung
nochmals den Kern aller Dialoggespräche: Die kampagnenerfahrenen
Gastredner Clements, Kusum Athukorala (Sri Lanka) und Frank
Kürschner betonten erneut, dass zur Wasserproblematik auf unserem
blauen Planeten eigentlich alles gesagt ist - jetzt kommt es
darauf an, dass gehandelt wird. In den Mangelregionen der Dritten
Welt ebenso wie in den Industrieländern, deren Menschen dringend
verstehen müssen, dass das Lebenselixier Wasser ein endliches Gut
ist, das es sorgfältig zu schützen gilt und das allen Menschen in
guter Qualität und ohne Einschränkungen zur Verfügung stehen
muss. Das Recht auf Wasser ist ein Menschenrecht!
Berend Hartnagel ist Geschäftsführer des Vereins Global Partnership Hannover e. V.
© changeX Partnerforum [14.11.2003] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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