Lehren im Virtuellen Klassenraum
Ein Interview mit der E-Learning-Expertin Gabriele Feldmeier über die Ausbildung zum E-Tutor.
In Zukunft werden Trainings nicht mehr nur in normalen Seminarräumen abgehalten. Sie finden zum Teil in virtuellen Klassenzimmern statt, die Teilnehmer tauschen sich per Forum und Chat aus. Für die Trainer eine neue Herausforderung.
Bei Siemens Business Services, Learning kann man sich seit einem halben Jahr zum "E-Trainer" und "E-Tutor" weiterbilden lassen. Denn der Trend zum E-Learning macht auch neue pädagogische Methoden nötig. changeX sprach mit Gabriele Feldmeier, Leiterin der Unit E-Learning von Siemens Business Services, Learning über die Trainer der Zukunft und das Lernen in virtuellen Klassenräumen.
Den meisten Menschen wird die Bezeichnung "E-Tutor" sicher
nicht viel sagen. Was für ein Beruf ist das?
Das ist eigentlich kein Beruf, sondern eine
Weiterqualifizierung für Trainer, die bisher im Präsenztraining
gearbeitet haben. Lehrer und Trainer haben zwar Kompetenz in der
Aus- und Weiterbildung, aber sie benötigen durch den Trend zum
E-Learning noch weitere Qualifikationen. Kurz, ihr Berufsbild
wird sich erweitern.
In unseren Kursen lernen die Trainer, mit den
elektronischen Medien, die im E-Learning verwendet werden,
umzugehen. Zum einen bedeutet das, die Software-Tools zu
beherrschen, zum anderen, zu wissen, wie Didaktik in virtuellen
Räumen funktioniert. Man muss ja Inhalte fürs Netz aufbereiten
können und mit Teilnehmern arbeiten, die man nicht persönlich
sieht.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Ihren
Kursangeboten "E-Trainer" und "E-Tutor"?
Der "E-Trainer" ist ein kleiner Teilbereich der
"E-Tutor"-Ausbildung; wenn jemand nur als Trainer im virtuellen
Klassenraum arbeiten will, dann reicht es aus, dieses Modul zu
absolvieren. In der deutlich längeren E-Tutor-Ausbildung erwirbt
man viel umfassendere Kompetenzen, zum Beispiel dafür, seine
Teilnehmer auch in Online-Foren zu betreuen.
Sollte in Zukunft jeder, der im Seminarbereich arbeitet, eine
solche Weiterbildung absolviert haben?
Da E-Learning sich immer weiter ausbreitet, ist eine solche
Weiterqualifizierung für Trainer auf jeden Fall sinnvoll. Auch im
Präsenztraining werden elektronische Medien mehr und mehr
eingeführt, da sich die "Blended Learning" genannten Mischformen
aus herkömmlichen Seminaren und E-Learning besonders bewährt
haben. Zum Beispiel kann ein Klassenraum-Training durch ein
Community-Tool ergänzt werden, sodass die Teilnehmer nach der
Präsenzphase im Online-Forum weitere Fragen stellen können. Der
Trainer kann für seine Teilnehmer Frequently Asked Questions
(FAQs) sammeln und im Netz verfügbar machen. Oder eine Aufgabe,
die in der Präsenzphase gestellt worden ist, wird in der
Online-Community weiterbearbeitet.
Wichtig ist eine solche Fortbildung natürlich vor allem für
diejenigen, die neue Kurse entwickeln. Sie sollten wissen, welche
Medien und Lernformen am besten zum jeweiligen Thema passen und
die Kurse entsprechend "stricken".
Werden viele Trainer in Zukunft nur noch in virtuellen
Klassenräumen arbeiten?
Ich glaube nicht, dass es nur den Klassenraum-Trainer hier
und den E-Learning-Trainer dort geben wird. Das wird sich
vermischen. Manche Menschen werden sich natürlich spezialisieren
und sagen: "Ich bevorzuge dieses Medium und arbeite
schwerpunktmäßig nur noch im virtuellen Raum." Aber wie schon
erwähnt, soll keine Konkurrenz geschaffen werden - der große
Mehrwert liegt in der Kombination verschiedener
Trainingsmöglichkeiten. Die bisherigen Trainings werden durch
zusätzliche Angebote erweitert, deshalb müssen die Kenntnisse der
Trainer ebenfalls erweitert werden.
Haben die Trainer und Seminarleiter das denn schon erkannt?
Gibt es genügend Interessenten für Ihre Ausbildung?
Es gibt noch Vorbehalte von Seiten der Trainer. Sie sind es
gewohnt, von Angesicht zu Angesicht zu unterrichten und im
Seminarraum eine besondere Rolle auszufüllen, die ihre ganze
Persönlichkeit erfordert. Es ist also verständlich, dass sie
zögern, sich mit dem Unterrichten auf Distanz anzufreunden. Aber
viele haben auch erkannt: Das ist nun mal ein neuer Trend, ich
werde mich eben fortbilden müssen.
Ein weiterer Grund für das Zögern besteht darin, dass
Schulungen mit E-Learning-Elementen im Moment noch nicht so
verbreitet sind. Je häufiger E-Learning eingesetzt wird, desto
höher wird das Interesse an dieser Qualifizierung sein.
Wie schätzen Sie den Stand der Dinge beim E-Learning ein?
Steckt es immer noch in den Kinderschuhen?
Den Kinderschuhen ist E-Learning auf jeden Fall entwachsen,
obwohl es sich noch immer rasant weiterentwickelt. Wir bei
Siemens Business Services, Learning setzen schon viele derartige
Lösungen ein - gerade auch mit der Mischung von Präsenzschulungen
und virtuellem Lernen haben wir gute Erfolge erzielt.
Zurück zu Ihrem Ausbildungsangebot. Wie ist es
strukturiert?
Da beim "E-Trainer" gelernt werden soll, wie man in
virtuellen Klassenräumen präsentiert und trainiert, wird der Kurs
komplett per Online-Training durchgeführt. Dadurch werden in den
vier Unterrichtsstunden die verschiedenen Methoden nicht nur
vermittelt, sondern gleichzeitig auch geübt. Der
"E-Tutor"-Lehrgang dauert sechs Wochen; pro Woche haben die
Teilnehmer einen Aufwand von etwa acht bis zehn Stunden. Auch bei
diesem Kurs müssen die Teilnehmer nicht in ein bestimmtes
Trainingszentrum fahren, sondern sie können sich die Zeit selbst
einteilen und die Lerneinheiten von zu Hause aus absolvieren.
Deshalb kann man die Weiterbildung sehr gut nebenberuflich
absolvieren. Zum Kurs gehören zwei Präsenzphasen, nämlich eine
Auftakt- und eine Abschlussveranstaltung. Doch der größte Teil
besteht aus Online-Phasen, während derer die Teilnehmer in Foren
und Arbeitsgruppen zusammenarbeiten. Dabei werden die beiden
klassischen E-Learning-Methoden vermittelt, das synchrone und das
asynchrone Betreuen der Teilnehmer.
Was heißt das genau?
Synchron heißt, dass alle Teilnehmer in einem virtuellen
Klassenraum versammelt sind, aber an unterschiedlichen Orten
sitzen. Asynchron bedeutet zum Beispiel, dass die Teilnehmer in
einem Forum oder einer Newsgroup Fragen stellen können und ein
Experte oder die anderen Teilnehmer können irgendwann darauf
antworten. Moderiert wird das Ganze vom E-Tutor.
Ist es denn für den Tutor schwierig, sich an eine solche Lehr-
und Lernsituation zu gewöhnen?
Es ist zunächst ungewohnt. Man muss bestimmte Dinge
beachten: Bei einer Session im virtuellen Klassenraum sitzen die
Teilnehmer nicht vor Ihnen. Also müssen Sie andere Techniken
entwickeln, um zu sehen, ob alle noch bei der Sache sind. Der
E-Tutor bindet die Teilnehmer ein, indem er sie auch ganz gezielt
anspricht und ihnen Fragen stellt. Außerdem strukturiert und
organisiert er natürlich den Ablauf.
Wie kann man sich einen solchen virtuellen Klassenraum
vorstellen?
Sie als Teilnehmer klinken sich über Ihren Browser in eine
virtuelle Arbeitsumgebung ein, die im Internet steht. Dann sitzen
Sie am PC und können per Headset mit den anderen Teilnehmern
sprechen und Fragen stellen. Da Sie auf dem Bildschirm die Namen
der Anwesenden sehen, wissen Sie genau, wer da ist. In dieser
Arbeitsumgebung kann der Trainer den Teilnehmern Präsentationen,
Videos, Filme oder Grafiken zeigen. Es ist aber auch möglich,
gemeinsam ein Programm zu benutzen und an einer Datei zu
arbeiten. Sogar in Arbeitsgruppen kann man sich aufteilen.
Natürlich könnte man auch eine Webcam einbinden, sodass Sie die
anderen Lernenden oder den Tutor sehen. Nötig ist das aber nicht.
Sie können auch virtuell die Hand heben, wenn Sie etwas sagen
möchten.
Wie macht man das?
Auf Ihrem Bildschirm ist ein Button mit einem Handsymbol.
Wenn Sie ihn anklicken, erscheint eine Nummer. Zum Beispiel eine
"1", wenn Sie der Erste sind, der eine Frage stellen möchte, oder
eine "2", wenn ein anderer Teilnehmer sich vor Ihnen gemeldet
hat. Wenn Sie dran sind, drücken Sie auf eine Taste und können
dann über das Mikro mit den Teilnehmern sprechen. Es ist
eigentlich eine Situation wie im Klassenraum - mit dem
Unterschied, dass die Teilnehmer nicht in ein und demselben Raum
sitzen.
Erzählen Sie doch mal, wie diese Kurse entwickelt wurden. Es
sind mit die ersten, die es zu diesem Thema gibt, oder?
Wir gehören zu den Ersten. Aber ein paar andere werden
inzwischen schon angeboten. Wir sind auf dieses Thema gekommen,
weil wir selbst virtuelle Klassenräume vermietet haben. Unsere
Trainer, die als Tutoren in solchen E-Learning-Communitys
arbeiten, haben sehr schnell gemerkt, dass man dafür spezielle
Kompetenzen braucht. Deshalb haben wir diese Erfahrungen in ein
Trainingsprogramm umgesetzt. Und so ist es als Produkt auch für
den freien Markt seit einem halben Jahr verfügbar.
Kontakt:
Gabriele Feldmeier,
gabriele.feldmeier@siemens.com
www.siemens.com/learning
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