Päckchen mit Folgen

Recht so! - Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der Arbeitswelt. | Folge 1 |

Von Peter Felixberger

Wissen ist gut. Doch zu viel Wissen führt mitunter ins Verderben. Das musste ein junger, dynamischer Vertriebsmitarbeiter leidvoll erfahren, der sich von einem eigennützigen Gewerkschaftssekretär vor den Karren hat spannen lassen.

Die Wissensgesellschaft hat zweifellos so ihre Tücken und Fallstricke. Überall trifft man auf wissbegierige Zeitgenossen, die nach immer mehr Wissen streben. Doch Vorsicht: Zu viel Wissen führt mitunter ins Verderben. Was ein junger, dynamischer Vertriebsmitarbeiter kürzlich leidvoll erfahren musste. Mit von der Partie zudem ein eigennütziger Gewerkschaftssekretär. Zur Geschichte: Herr V. hatte gerade bei einem regionalen Stromunternehmen angeheuert. Voller Tatendrang stürzte er sich in seine neue Aufgabe. Offenbar ein Stück zu weit, denn er wurde bald darauf von einem Bekannten angesprochen, den er übers Plakatekleben für seinen Partei-Ortsverband kennen gelernt hatte. Der wiederum witterte alsbald eine Chance und fragte an, ob Herr V. ihm die Daten und Adressen aller Mitarbeiter des Stromhändlers auf Diskette speichern wolle. Hintergrund: Die böse Chefetage hätte sich bisher gegen die Etablierung eines Betriebsrates gewehrt. Das fand Herr V. ebenso verabscheuungswürdig und kopierte in geheimer Mission auf seinem Bürolaptop alle nötigen Daten aus dem Intranet. Auf Geheiß der Gewerkschaft, wie er später zu argumentieren versuchte.
Per Post versandte er alles wie abgesprochen an den Gewerkschaftssekretär. Das Päckchen landete schließlich in einem Briefkasten, der aber just an diesem Tag per Brandanschlag außer Gefecht gesetzt wurde. Zufall hin, Zufall her. Die Realität kennt nur das Unmögliche. Das angekokelte Schreiben und die ramponierte Diskette wurde an den Absender zurückgeschickt. Mit der Bitte um eine saubere Neuzustellung. Da Herr V. aber zuvor die Frankiermaschine des Stromhändlers benutzt hatte, landete alles offiziell auf dem Schreibtisch des Chefs von Herrn V. Der wiederum konnte 1 + 1 schnell zusammenzählen, war stinksauer und bestellte Herrn V. zum Rapport.
Ein kurzes Gespräch, wie man vermuten kann. Herr V. räumte alles unumwunden ein, ließ aber jedes Unrechtsbewusstsein vermissen. Das Ende vom Lied: Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis in der Probezeit fristlos. Herr V., immer noch inspiriert von der Richtigkeit seines Tuns, erhob seinerseits Klage beim zuständigen Arbeitsgericht. Der Richter wies den pflichtbewussten Arbeitnehmer samt Gewerkschaft jedoch in die Schranken. Die Weitergabe der persönlichen Daten seiner Kollegen, so die Argumentation des Gerichts, widerspreche nicht nur den Statuten des Anstellungsvertrages, sondern verstoße außerdem gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Hintergrund: Mit den Daten hätte die Gewerkschaft unschwer Arbeitnehmerdaten abgleichen können. Gerade dagegen will das Gesetz aber vorbeugen.
Herr V. pochte zwar bis zuletzt auf seine Arbeitnehmerpflicht, den Kollegen indirekt zu Hilfe geeilt zu sein. Schließlich gehöre ein Betriebsrat in jedes Unternehmen. Doch der Richter kannte keinen Pardon. Zu guter Letzt einigte man sich auf eine ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit mit einer Frist von zwei Wochen. Es wird seither gemunkelt, dass Herr V. und der Gewerkschaftssekretär nicht mehr so oft beim Plakatekleben gemeinsam anzutreffen sind.

Peter Felixberger ist Publizist und Lektor sowie Geschäftsführer der changeX GmbH.

Fachliche Beratung: Dr. Andreas Imping, Osborne Clarke, Köln.

Zur Übersicht aller erschienenen Folgen.

www.osborneclarke.de

© changeX Partnerforum [27.09.2002] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

changeX 27.09.2002. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

Artikeltools

PDF öffnen

changeX / Osborne Clarke

Weitere Artikel dieses Partners

Recht so!

Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 15 | zum Report

Recht so!

Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 14 | zum Report

Recht so!

Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 13 | zum Report

Autor

Peter Felixberger

Peter Felixberger ist Publizist, Buchautor und Medienentwickler.

nach oben