Päckchen mit Folgen
Recht so! - Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der Arbeitswelt. | Folge 1 |
Wissen ist gut. Doch zu viel Wissen führt mitunter ins Verderben. Das musste ein junger, dynamischer Vertriebsmitarbeiter leidvoll erfahren, der sich von einem eigennützigen Gewerkschaftssekretär vor den Karren hat spannen lassen.
Die Wissensgesellschaft hat zweifellos
so ihre Tücken und Fallstricke. Überall trifft man auf
wissbegierige Zeitgenossen, die nach immer mehr Wissen streben.
Doch Vorsicht: Zu viel Wissen führt mitunter ins Verderben. Was ein
junger, dynamischer Vertriebsmitarbeiter kürzlich leidvoll erfahren
musste. Mit von der Partie zudem ein eigennütziger
Gewerkschaftssekretär. Zur Geschichte: Herr V. hatte gerade bei
einem regionalen Stromunternehmen angeheuert. Voller Tatendrang
stürzte er sich in seine neue Aufgabe. Offenbar ein Stück zu weit,
denn er wurde bald darauf von einem Bekannten angesprochen, den er
übers Plakatekleben für seinen Partei-Ortsverband kennen gelernt
hatte. Der wiederum witterte alsbald eine Chance und fragte an, ob
Herr V. ihm die Daten und Adressen aller Mitarbeiter des
Stromhändlers auf Diskette speichern wolle. Hintergrund: Die böse
Chefetage hätte sich bisher gegen die Etablierung eines
Betriebsrates gewehrt. Das fand Herr V. ebenso verabscheuungswürdig
und kopierte in geheimer Mission auf seinem Bürolaptop alle nötigen
Daten aus dem Intranet. Auf Geheiß der Gewerkschaft, wie er später
zu argumentieren versuchte.
Per Post versandte er alles wie abgesprochen an den
Gewerkschaftssekretär. Das Päckchen landete schließlich in einem
Briefkasten, der aber just an diesem Tag per Brandanschlag außer
Gefecht gesetzt wurde. Zufall hin, Zufall her. Die Realität kennt
nur das Unmögliche. Das angekokelte Schreiben und die ramponierte
Diskette wurde an den Absender zurückgeschickt. Mit der Bitte um
eine saubere Neuzustellung. Da Herr V. aber zuvor die
Frankiermaschine des Stromhändlers benutzt hatte, landete alles
offiziell auf dem Schreibtisch des Chefs von Herrn V. Der wiederum
konnte 1 + 1 schnell zusammenzählen, war stinksauer und bestellte
Herrn V. zum Rapport.
Ein kurzes Gespräch, wie man vermuten kann. Herr V. räumte
alles unumwunden ein, ließ aber jedes Unrechtsbewusstsein
vermissen. Das Ende vom Lied: Der Arbeitgeber kündigte das
Arbeitsverhältnis in der Probezeit fristlos. Herr V., immer noch
inspiriert von der Richtigkeit seines Tuns, erhob seinerseits Klage
beim zuständigen Arbeitsgericht. Der Richter wies den
pflichtbewussten Arbeitnehmer samt Gewerkschaft jedoch in die
Schranken. Die Weitergabe der persönlichen Daten seiner Kollegen,
so die Argumentation des Gerichts, widerspreche nicht nur den
Statuten des Anstellungsvertrages, sondern verstoße außerdem gegen
das Bundesdatenschutzgesetz. Hintergrund: Mit den Daten hätte die
Gewerkschaft unschwer Arbeitnehmerdaten abgleichen können. Gerade
dagegen will das Gesetz aber vorbeugen.
Herr V. pochte zwar bis zuletzt auf seine
Arbeitnehmerpflicht, den Kollegen indirekt zu Hilfe geeilt zu sein.
Schließlich gehöre ein Betriebsrat in jedes Unternehmen. Doch der
Richter kannte keinen Pardon. Zu guter Letzt einigte man sich auf
eine ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit mit einer Frist
von zwei Wochen. Es wird seither gemunkelt, dass Herr V. und der
Gewerkschaftssekretär nicht mehr so oft beim Plakatekleben
gemeinsam anzutreffen sind.
Peter Felixberger ist Publizist und Lektor sowie Geschäftsführer der changeX GmbH.
Fachliche Beratung: Dr. Andreas Imping, Osborne Clarke, Köln.
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Autor
Peter FelixbergerPeter Felixberger ist Publizist, Buchautor und Medienentwickler.