Die Geburt einer neuen Technologie
50 Jahre Halbleiter - Rückblick auf ein Stück Technikgeschichte.
Der Laie sieht nur sein Terminal und die Tastatur, der Experte weiß vielleicht noch, wie es im Inneren des Computers aussieht. Doch wie sieht es im Inneren eines heutigen Mikrochips aus? Und wie kam es eigentlich zur Erfindung der so genannten Halbleiter?
Selten hat sich jemand so geirrt:
Ende der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts prognostizierten
Wissenschaftler der Harvard University, dass sechs elektronische
Digitalrechner den Bedarf der USA befriedigen würden. Der
IBM-Gründer Watson schätzte die Zahl sogar noch niedriger.
Verständlich. Für damals - auf der Grundlage der damals
verfügbaren Technologie und des damaligen Wissens - war die
Prognose sicher richtig. Elektronische Digitalrechner bestanden
aus Abertausenden von Vakuumröhren, von denen täglich mehrere
ersetzt werden mussten. Allein diese Röhren wogen über zehn
Tonnen und verbrauchten über 100 Kilowatt Strom.
Wie hätten die Forscher, die sich mit den sperrigen und
beschränkten "Elektronengehirnen" herumplagen mussten,
voraussehen können, was Großrechner einmal beherrschen würden?
Heute analysieren Hochleistungscomputer Molekülstrukturen und
-bewegungen, Atome und Elementarteilchen. Sie prognostizieren das
Wetter, werten medizinische Daten während einer Operation in
Echtzeit aus, simulieren Atomversuche, steuern die maschinellen
Abläufe industrieller Produktion. Ihre kleinen Brüder, PC und
Laptops, sind heute auf nahezu jedem Schreibtisch zu finden und
agieren als Multimediamaschinen. Sie sind das Sinnbild der
Wissensgesellschaft - und das technische Rückgrat der Vernetzung.
Ihre Geschichte - und die der in ihnen steckenden Technik
- ist die Chronik einer Entwicklung auf der Überholspur. Jede
Generation übertrifft die Leistung ihrer Vorgängergeneration um
ein Vielfaches. Immer mehr Daten werden in immer kürzerer Zeit
verarbeitet. Die Schnelligkeit, in der die Prozessoren - die
Herzstücke der Maschinen - Zahlen und Informationen miteinander
verknüpfen, überschreitet längst die menschliche
Vorstellungskraft. Gemessen wird sie in Gleitkommaoperationen pro
Sekunde, die FLOPS (floating point operations per second). Längst
kommt diese Leistungskennzahl heute mit Vorsilben wie Giga für
Milliarde und Tera für Billion ergänzt. Durch diese schiere
Rechengeschwindigkeit können die Computer mit "brute force", wie
die Wissenschaftler sagen, ihren "Denkvorsprung" vor dem Menschen
bewahren. Als ein Superrechner wie IBMs Deep Blue den
Schachweltmeister Kasparov matt setzen konnte, lag dies nicht an
einer überragenden Intelligenz seiner Chips, sondern an der
riesigen Zahl vorausberechneter Spielzüge.
Treibende Kraft war das Telefonnetz.
All das ist bekannt. Wenige
Menschen dagegen wissen, woher der Zwang zur Entwicklung einer
neuen Technologie kam: Ausgerechnet die begrenzte
Leistungsfähigkeit der Telefonnetze war der Anstoß zum Siegeszug
der Computer. Zur Jahrhundertwende entwickelte sich in Amerika
das Telefonnetz mit mehreren Millionen Teilnehmern zu einem
wichtigen Industriebereich. Zur Gesprächsvermittlung waren
schnelle Verstärker notwendig, um schwache Steuerströme in
Signale umzuwandeln. Immer kleinere mechanische Relais für mehr
Vermittlungsmöglichkeiten zu bauen war nicht möglich - und die
seit den 30er Jahren alternativ benutzten Elektronenröhrchen
waren zu schwer, zu groß, zu langsam und zu zerbrechlich. Also
suchten Forscher mit Hochdruck nach neuen Möglichkeiten. Und
stießen auf den Transistor.
Das Transistorprinzip - Vorgänger und Weichensteller zur
Halbleitertechnologie - beruht auf einer Entwicklung der
Wissenschaftler John Bardeen, Walter Brattain und William
Shockley. Brattain arbeitete seit 1929 in den Bell-Laboratories
in Murray Hill, New Jersey. 1931 begann er, Halbleiter zu
erforschen. Die Erfolge der Quantenmechanik bei der Erklärung von
Vorgängen in Festkörpern regten Brattain an, die Verstärkung des
elektrischen Stroms innerhalb von Kristallen zu realisieren.
Bardeen trug eine Theorie der Halbleiteroberflächen bei.
Shockley, der dritte im Bunde, war Theoretiker und grübelte über
die Verstärkung elektrischer Signale mithilfe von Halbleitern
nach. Er entwickelte seine "Feldeffekt-Transistor" genannte
Anordnung, auf deren Verwirklichung die Halbleiterforschung
aufbaute. Gemeinsam planten die Forscher, den Stromtransport im
Halbleiterkristall über die Anzahl der Elektronen zu
kontrollieren. Ein auf die Halbleiteroberfläche gebrachtes
aufgeladenes Metall sollte je nach Polung die
Halbleiterelektronen anziehen oder abstoßen.
Am 16. Dezember 1947 führte das Team um Shockley das
entscheidende Experiment durch. Auf zwei, einem Germaniumkristall
im Abstand von 0,1 mm aufgedampften Goldpünktchen brachte er je
eine Nadelspitze an, durch die Strom zugeführt werden konnte.
Spannung an einem der beiden Kontakte sollte zur Verdrängung
positiver Ladungen im Germanium-Kristall führen. Die positiven
Ladungen gelangten direkt aus dem Germanium in die Goldschicht.
Diese Injektion bewirkte eine Stromverstärkung durch die 0,1 mm
entfernte Nadelspitze in die Halbleiter. Wenn man die Entfernung
auf 0,005 mm reduzierte, brachte das eine hundertfache
Verstärkung des Stromes. Es war geschafft, elektrische Signale
ließen sich auf diese Weise tatsächlich verstärken! Am 23.
Dezember 1947 stellte das Team die Versuchsergebnisse dem
Vorstand von Bell vor. Da die Endsilbe "istor" für
Elektronikbausteine üblich war und der Strom durch Halbleiter
geleitet wird, taufte man den neuen Baustein Transistor.
Halbleiter wie Germanium oder Silizium befinden sich im
Periodensystem zwischen Metallen und Nichtleitern, so genannten
Isolatoren. Sie sind bei -273
�C, bei so genannter absoluter
Nullpunkttemperatur, elektrisch isolierend. Führt man Halbleitern
dagegen Wärme oder Licht zu, werden sie elektrisch leitend. Legt
man nun ein elektrisches Feld an, strömen Elektronen durch den
Halbleiter.
Aus Transistoren wird ein Chip.
Zehn Jahre später stellte Jack S.
Kilby mehrere Transistoren auf einem Halbleiterplättchen zu einer
einfachen Schaltung zusammen und begann damit die Entwicklung des
Mikrochips als Grundelement der heutigen Mikroelektronik. Mit der
Erfindung des Transistors wurde die Konstruktion immer kleinerer
elektronischer Bauteile möglich. Doch ein Problem war, dass diese
immer winzigeren Transistoren noch verlötet werden mussten. Das
setzte der Verkleinerung Grenzen und schuf eine Fehlerquelle.
Also entwickelte Kilby einen integrierten Schaltkreis aus
Germanium. Für heutige Verhältnisse war er riesig, fast so groß
wie sein kleiner Finger. Doch technisch war es ein wichtiger
Durchbruch.
Andere Forscher schliefen nicht. Gleichzeitig entwickelte
Robert Noyce einen integrierten Schaltkreis aus Silizium. Er
schichtete nicht - wie Kilby - einzelne Ebenen übereinander,
sondern ätzte sie in ein mehrschichtiges Material ein - eine
Methode, mit der heute immer kleinere und intelligentere Chips
hergestellt werden. Ein moderner Mikroprozessor enthält mehr als
50 Millionen Transistoren. Inzwischen ist es sogar möglich,
einzelne Atomlagen übereinander zu dampfen, so dass die aktiven
Schichten eines Chips nur noch hauchdünn sind. Um solche feinen
Strukturen überhaupt bearbeiten zu können, muss man spezielle
Laserstrahlen benutzen, deren Wellenlänge kürzer ist als die zu
bearbeitende Struktur selbst. Die weitere Verkleinerung hängt nun
davon ab, Laser mit immer kürzeren Wellenlängen einsetzen zu
können. Die Mikroelektronik geht allerdings langsam in die
Nanotechnologie über, in der Größen von Millionstel Millimetern
ins Spiel kommen.
Susanne Eyrich ist Senior Manager Social Responsibility & Citizenship bei der Infineon Technologies AG.
www.infineon.com
www.campeon.de
© changeX Partnerforum [02.08.2002] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
changeX 02.08.2002. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
Artikeltags
Infineon Technologies AG
Weitere Artikel dieses Partners
Innovative Entwicklungen von Infineon könnten die Medizin revolutionieren. zum Report
Mit Hilfe von Trend- und Zukunftsforschung bereitet sich Infineon auf zukünftige Herausforderungen vor. zum Report
Neurochips sind eine spannende neue Technologie. zum Report