Kritischer Erfolgsfaktor

Gutes Wissensmanagement ist für Hightech-Unternehmen ein Muss.

Von Berit Grasnick

Für Hightech-Unternehmen wie Infineon, die viel forschen und unter einem hohen Innovationsdruck stehen, ist kaum etwas wichtiger als der Produktionsfaktor Wissen. Mithilfe von "Communities of Practice" versuchen die hausinternen Wissensmanager der Herausforderung zu begegnen und den globalen Erfahrungsaustausch im Unternehmen anzukurbeln.

Wie wichtig Wissen und der Umgang damit sind, kann man gar nicht genug betonen. Es ist ein kritischer Erfolgsfaktor für innovative und zukunftsorientierte Unternehmen. Fünf Punkte belegen, wie wichtig das Thema für Infineon ist:

  1. Der globale Wettbewerb erhöht den Leistungsdruck
    Gerade die Halbleiterindustrie ist außergewöhnlich dynamisch und der Wettbewerbsdruck ist und bleibt hoch. Wer seine Wettbewerbsvorteile halten will, muss auf Performance, Produktivität und Innovation setzen. Eine entscheidende Rolle hierbei spielt das Wissen der Organisation, im Besonderen das der Mitarbeiter.

  2. Strategisch wichtiges Wissen ist global verteilt
    Die Produktions- und Entwicklungsstandorte von Infineon sind weltweit verteilt. Oft sind wichtige Kompetenzen nur lokal begrenzt vorhanden. Weltweite Netzwerke aus Experten sind entscheidend, um verfügbares, strategisch wichtiges Wissen innerhalb der Organisation zu verteilen.

  3. Hochkomplexe und sehr wissensintensive Produkte
    Der Entwicklungs- und Produktionsprozess für Mikrochips erfordert ein hochspezialisiertes und häufig interdisziplinäres Wissen, das nur über Jahre durch Erfahrung erworben werden kann. Die Geschwindigkeit, in der neue Technologien entwickelt werden, ist immer noch steil ansteigend, was zu einer sehr kurzen Halbwertszeit des Wissens führt. Hier ist eine Erhöhung der Lernkurven unbedingt notwendig.

  4. Permanente Reorganisationen unterbrechen Wissensflüsse
    Der enorme Marktdruck, dem sich Infineon ausgesetzt sieht, und das zyklische Geschäft der Halbleiterbranche haben in Zeiten von Konjunkturab- und -aufschwüngen starke Auswirkungen auf die Organisationsstruktur. Zusätzlich verändert sich die Organisation durch ihre Akquisitions- und Outsourcing-Aktivitäten. Die Folge: Gewachsene Wissensflüsse werden unterbrochen, die Transparenz über das eigene Wissen ist nicht mehr gegeben. Ein themenorientiertes Wissenskonzept bietet hier Stabilität, um dieser Herausforderung zu begegnen.

  5. Verwischen der Unternehmensgrenzen
    Strategische Allianzen und Joint Ventures sind notwendig, um Risiken zu minimieren und gleichzeitig Zeit- und Kostenvorteile zu erzielen. Doch jedes Hightech-Unternehmen muss sich der Frage stellen, welches Wissen geteilt werden sollte und welches nicht. Denn Wissen ist für Infineon extrem wertvoll, bisher hat das Unternehmen für neue Produkte und Produktionsprozeduren 31.000 Patente erhalten (zum 31. Dezember 2001).

Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, muss Infineon einen Ansatz wählen, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt. In einem so komplexen und dynamischen Umfeld sind Lösungen, die sich rein auf die Dokumentation von Wissen stützen, wenig sinnvoll. Zum einen aus Kosten-Nutzen-Aspekten, zum anderen aber auch, weil nur zehn Prozent des Wissens, das in der Organisation gebraucht wird, überhaupt dokumentierbar sind. Wenn man Wissen als die "Fähigkeit zum Handeln" (Peter Senge) versteht, wird deutlich, dass es auf die Erfahrungen und das Know-how ankommt.

Wissen teilen in Communities of Practice.


Die Herausforderung liegt darin, implizites Wissen zu teilen. Hierzu sind intensive Dialoge notwendig. Nur so lässt sich die Grundvoraussetzung für den Wissenstausch - Vertrauen - herstellen. Wichtig ist also eine Verlagerung: weg von der technikorientierten Sichtweise, wie sie charakteristisch für ein Hightech-Unternehmen ist, hin zu einem lebendigen globalen Erfahrungsaustausch, aus dem heraus sich neues Wissen entwickeln kann.
Eine mögliche Antwort, wie man so etwas umsetzen kann, ist das Konzept der "Communities of Practice". Eine solche Community ist eine Gruppe von Menschen, die auf Basis eines gemeinsamen Interesses an einem geschäftsrelevanten Themengebiet über die Grenzen von Organisationseinheiten hinweg Wissen austauschen und sich gegenseitig unterstützen. Solche Wissensgemeinschaften sind flexible, selbstorganisierte Netzwerke, an denen sich Entwickler freiwillig beteiligen. Ihr Vorteil ist, dass in ihnen eine aktive Wissensentwicklung stattfindet, und auch implizites Wissen sehr schnell ausgetauscht werden kann. Da es um bestimmte Themen geht, überleben sie die permanenten Reorganisationen ohne Probleme.
Unser Ziel im Wissensmanagement von Infineon ist die Implementierung von Communities of Practice im gesamten Unternehmen. Durch dieses globale Networking könnte man Verbesserungs- und Innovationspotentiale permanent evaluieren und schnell bekannte Lösungen, Erfahrungen und Wissen austauschen. Er wäre leicht, denjenigen Spezialisten ausfindig zu machen, der über ein bestimmtes Wissen verfügt. Nicht nur die Lernkurven würden sich erhöhen, sondern man könnte auch ein höheres Wissensniveau für eine größere Zielgruppe erreichen. Damit haben die Communities of Practice eine Hebelwirkung für gleich mehrere geschäftskritische Themen:

  • Verkürzung der Produktentwicklungszyklen,
  • Verbesserung der Produktivität und Qualität,
  • Erhöhung des Innovationspotentials und
  • höhere Kundenzufriedenheit.

Darüber hinaus leisten Communities of Practice aber auch einen erheblichen Beitrag zu einer besseren Unternehmenskultur.

Wissensmanagement ist nicht gleich Datenbank anlegen.


Um Wissensmanagement erfolgreich durchführen zu können, muss im Unternehmen Akzeptanz für einen Ansatz da sein, der den handelnden Menschen im Mittelpunkt sieht. Es gilt aber auch, kontinuierlich gute Strategien zu entwickeln, um Barrieren abzuschwächen - zum Beispiel Bereichsegoismen oder das Zögern, Wissen zu teilen.
"Wissensmanagement bedeutet nicht, eine Datenbank zu implementieren!" Diesen Satz habe ich bereits sehr oft von mir gegeben und werde dies erstaunlicherweise auch noch häufiger tun müssen. Auch wenn viele, die sich mit Wissensmanagement auseinander setzen, es schon nicht mehr hören können: Innerhalb der Organisation ist wohl die größte Aufgabe, das Thema Wissensmanagement begreif- und erlebbar zu machen. Häufig werden ja schon seit Jahren Instrumente des Wissensmanagements benutzt, ohne dass man sich dessen überhaupt bewusst ist. Deshalb fragen viele auch zu Recht: "Was ist denn jetzt so neu daran?"
Zum einen liegt das Neue darin, sein Geschäft und sein Unternehmen aus einer anderen Perspektive, der Wissensperspektive, zu betrachten und dementsprechend zu handeln. Zum anderen liegt es darin, fokussiert, systematisch und vor allem konsequent Aktivitäten zum Teilen, Anwenden und Entwickeln von Wissen zu ermöglichen. Möchte man dies umsetzen, muss sich das Unternehmen auf allen Ebenen wandeln, um diese Wissensprozesse gezielt für die geschäftlichen Strategien einzusetzen.

Berit Grasnick ist Knowledge Management Officer bei der Infineon Technologies AG.

www.infineon.de
www.campeon.de

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