"Allgemein täte unserem Land ein Mentalitätswechsel gut – Freiheit und Verantwortung gehören zusammen," sagt Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Er weist darauf hin, dass die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung auch im Sinne der Unternehmen selbst sei: "Mit der Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung erzielen die meisten Unternehmen langfristig einen beträchtlichen Mehrwert, auch wenn damit zunächst Kosten und Risiko verbunden sind." Dies ist ein Strang, der sich durch die Diskussionen auf dem Forum zieht: Die Bedeutung der Reputation eines Unternehmens, auf die über 40 Prozent der Marktkapitalisierung zurückgehen, wie das World Economic Forum schätzt.
Gesunder Respekt vor NGOs.
Dass Unternehmen heutzutage
zunehmend über ethische Prinzipien nachdenken, ist auch eine
Folge der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die in
Kampagnen auf ethische Verfehlungen von Unternehmen aufmerksam
machen. Patricia O'Hayer von Unilever beispielsweise, die als
Best Case-Vorbild zum Referat geladen ist, denkt mit Schrecken
daran zurück, wie ihr Unternehmen ins Kreuzfeuer von Greenpeace
geriet, weil in einigen seiner Produkte Palmöl enthalten war –
und wegen des Anbaus von Palmöl werden große Flächen von
Regenwald abgeholzt. Das Image sank, die Kurswerte auch. Da
Unilever sich als nachhaltiges Unternehmen versteht, mussten sie
schnell handeln – ein Effekt, auf den Greenpeace natürlich
gesetzt hat. Stefan Löbbert von der HypoVereinsbank, der auch so
seine Erfahrungen mit der Arbeit von NGOs gemacht hat, rät
deshalb in der rein männlich besetzten Forumsdebatte "CSR in der
Krise? – Wie sich professionelles CSR-Management bezahlt macht":
"Jedes Unternehmen sollte einen gesunden Respekt vor NGOs haben"
– und im Übrigen von ihnen und ihrer Expertise lernen. Patricia
O'Hayer geht in ihrem Vortrag noch einen Schritt weiter: Sie
sieht die Zusammenarbeit mit NGOs wie Greenpeace als den Weg der
Zukunft.
Procter & Gamble beschreitet diesen Weg bereits. Das
Unternehmen hat ein niedrigpreisiges Produkt zur Säuberung von
Trinkwasser entwickelt, das nun von Hilfsorganisationen wie USAid
und UNICEF in denjenigen Gegenden der Entwicklungsländern
verteilt wird, die mit verunreinigtem Wasser und den damit
einhergehenden Erkrankungen zu kämpfen haben. Zwei Drittel des
Absatzes läuft über diese Organisationen – und Kunden, die die
positiven Wirkungen des Produkts kennengelernt hätten, blieben
meist treu, auch wenn die Hilfsorganisationen abzögen, erklärt
Marina Franke, Manager Global Sustainability bei Procter &
Gamble, die Vorteile einer Kooperation.
Kultur als Säule vier.
Alexandra Hildebrandt, Leiterin der Abteilung "Gesellschaftspolitik" bei Arcandor, geht das nicht weit genug. Sie vertritt in ihrem Workshop zum Thema "CSR-Berichterstattung" ein Viersäulenmodell, das den Bereich Kultur mit umschließt. Unter Kultur versteht sie dabei den Prozess, der aus dem Handeln der Menschen besteht – im Unternehmen, in der Gesellschaft, im Umgang mit Kunden und Partnern. Deshalb mag sie die Bezeichnung CSR auch nicht für ihre Abteilung anwenden: "Die Begriffe CSR oder Nachhaltigkeit begrenzen die Themenvielfalt zu sehr", meint sie und erklärt, warum Arcandor sich für seine besondere Abteilungsbezeichnung entschieden hat: "Gesellschaftspolitik fasst alle Stakeholder-Schnittstellen zusammen und spiegelt die verschiedenen Beziehungen zwischen Unternehmen – wozu die Mitarbeiter gehören –, Politik und Wirtschaft, NGOs, Kultur und Wissenschaft wider." Und das findet sie wichtig für die Kommunikation von Verantwortung, denn: "Die Bezeichnungen müssen größer sein und tiefer gehen als Modebegriffe. Sie dürfen das Tun von Menschen nicht auf enge Bereiche reduzieren."
CSR als Teil der Unternehmenskultur.
Auf dem Forum wurde indes auch
klar, dass CSR teilweise noch einen schweren Stand in den
Unternehmen hat. Nicht jedes Unternehmen hat dafür eine eigene
Abteilung, manchmal ist die PR-Abteilung für CSR zuständig. Das
kann zum Problem werden. Denn, wie Heiko Kretschmer von der
Kommunikations-Agentur Johannsen + Kretschmer sagt: "CSR ist
keine Kommunikation. Sie braucht aber Kommunikation" – und zwar
als Diskurs auf Augenhöhe mit Stakeholdern wie Kunden, Anwohnern
und Lieferanten. Die PR-Abteilung kommuniziere zwar auch mit den
Stakeholdern, habe aber andere Vorgaben von der
Unternehmensführung – nämlich die wirtschaftlichen Interessen des
Unternehmens durchzusetzen. Doch selbst wenn es eine eigene
Abteilung gibt, kann sich der Kontakt zur Marketingabteilung
schwierig gestalten. Denn dort sei häufig die Einstellung
vorzufinden: "Ach, jetzt kommen wieder die Esoteriker", berichtet
HypoVereinsbank-Manager Löbbert.
Gerade jetzt in Krisenzeiten aber zeigt sich, welche
Unternehmen wirklich ernsthaft und verantwortungsvoll in die
Zukunft denken. Denn diese Unternehmen nutzen die Krise als
Chance – und verankern CSR in ihrer Unternehmenskultur.
Annegret Nill ist Journalistin in Berlin und schreibt als freie Autorin für changeX.
Fotos:
Moritz Vennemann, Helios Media (Bundesminister
Karl-Theodor zu Guttenberg) und
Jesse Benjamin, Helios Media (Alexandra
Hildebrandt).
© changeX Partnerforum [19.05.2009] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Annegret NillAnnegret Nill arbeitet als freie Journalistin, Autorin und Moderatorin in Berlin. Sie schreibt als freie Autorin für changeX.