Es beginnt bei jedem selbst
Ein zweitägiges Seminar lotet die Tiefe von Unternehmensverantwortung aus - eine Kooperation zwischen der Arcandor AG und der Fachhochschule Münster.
Von Suzanne von Melle
Wie stehen Verantwortung und Nachhaltigkeit zueinander in Beziehung? Welche Verantwortung tragen Unternehmen? Und welche Menschen wie du und ich? Angehende Betriebswirte einer Fachhochschule haben diese Fragen diskutiert und kommen zu dem Ergebnis: Verantwortung beginnt bei jedem selbst. /21.04.09
Ökonomie und Menschlichkeit in Verbindung bringen will Macarena Chaves (Bild links). LOHAS neu definiert: Paloma Schmidt, Anja Trenkamp und Jennifer Pieper beschäftigten sich mit dem Lifestyle of Health and Sustainability (Bild rechts).
Ökonomie und Menschlichkeit in Verbindung bringen will Macarena Chaves (Bild links). LOHAS neu definiert: Paloma Schmidt, Anja Trenkamp und Jennifer Pieper beschäftigten sich mit dem Lifestyle of Health and Sustainability (Bild rechts).
Sonntag. Für viele Menschen gehört dazu ein ausgiebiges Frühstück mit einem Frühstücksei. Aber wie lange muss das Ei kochen, um genau richtig zu sein? Darüber scheiden sich die Geister - wohingegen die Frage nach der Herkunft des Eis selten Gegenstand der Diskussion ist. Für den Studenten Caspar Thier ist das aber sehr wohl ein Thema: Er möchte den Eiervertrieb seiner Eltern übernehmen. Dass sich damit auch ethische Fragestellungen in Verbindung bringen lassen, ist ihm bewusst - nicht zuletzt durch die Debatte Käfighaltung versus Boden- oder Freilandhaltung. Thier erkennt Chancen und Gefahren der Implementierung von Werten in das eigene Unternehmen. Seine Anregung ist ambitioniert: Werte gezielt zum eigenen Vorteil zu nutzen. "Ein verantwortungsvoller und bewusster Umgang mit Werten kann dazu dienen, sich einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern zu sichern, und in Zeiten schwindender Margen den entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen." Sagt er.
Caspar Thier ist einer der Studierenden der Fachhochschule Münster, die ihre Position zum Thema Unternehmensverantwortung im Rahmen eines zweitägigen Seminars verdeutlichten. "Zwischen Wandel und Beständigkeit: Mehrwert durch Unternehmensverantwortung", so der Titel der Veranstaltung, die von Dr. Alexandra Hildebrandt, Leiterin Gesellschaftspolitik der Arcandor AG, in Zusammenarbeit mit der Mediatorin Suzanne von Melle durchgeführt wurde.

Verantwortung des Einzelnen.


Konzentriert bei der Arbeit: Eine Teilnehmerin.
Konzentriert bei der Arbeit: Eine Teilnehmerin.
Initiiert wurde die Kooperation zwischen der Fachhochschule Münster und der Arcandor AG von Prof. Frank Dellmann, Dekan des Fachbereichs Wirtschaft, um den praktischen Austausch zwischen Forschung und Unternehmen zu fördern. "Vernetzung spielt in der heutigen Zeit für Hochschulen und Studierende sowie für Unternehmen eine immer zentralere Rolle", beschreibt Dellmann das Motiv. Er sagt: "Unternehmenskooperationen geben Themen Raum, die im klassischen BWL-Studium nicht vorkommen." Das Ziel: Neue Perspektiven zu ermöglichen und Bewusstwerdungsprozesse anzuregen. Während die Studierenden eingangs ihre Erwartungen formulierten, kristallisierte sich schnell der Schwerpunkt des Seminars heraus: Wie kann der Einzelne konkret Verantwortung tragen?
Hierauf fanden sich unterschiedliche Antworten, so unterschiedlich wie die Teilnehmer selbst. Die gelernte Steuerfachangestellte Jennifer Pieper, die im sechsten Semester an der Fachhochschule Münster studiert, sagt dazu: "Verantwortung tragen bedeutet für mich, vorausschauend zu handeln, Tag für Tag, und Pflichtbewusstsein gegenüber meinen Mitmenschen zu haben." Sie will diese Botschaft auch über den Rahmen der Veranstaltung hinaustragen - in ihre Familie und in ihren Freundeskreis. Diesen Ansatz kann Paloma Schmidt, 21 Jahre alt, nur unterstützen. Sie studiert im zweiten Semester und sieht ihre Verantwortung darin, selbstverantwortlich zu handeln und alle damit verbundenen Konsequenzen zu akzeptieren. Dem schließt sich die 21-jährige, aus Argentinien stammende Macarena Chaves an. Sie studiert im fünften Semester an der Fachhochschule und geht immer wieder der Frage nach, wie Ökonomie und Menschlichkeit miteinander in Verbindung gebracht werden können. Ihre Kollegin Lena Berkon weiß, dass eben nicht das Unbeständige und Temporäre zählen darf: "Verantwortung zu tragen bedeutet für mich, langfristig und bewusst Dinge wahrzunehmen." Und der Student Caspar Thier gibt an, dass Verantwortung zu tragen für ihn bedeute, Traditionen zu wahren, Werte zu halten und Leben zu schützen. Anja Trenkamp, Studentin der Betriebswirtschaftslehre im fünften Semester und 23 Jahre alt, bringt die Thematik mit ihrem Statement auf den Punkt: "Ich trage Verantwortung, auch wenn mir das nicht bewusst sein mag: im Studium, auf der Straße, im Alltag, zu jeder Zeit."

Keine Plastikbegriffe.


Betriebswirtschaft mal anders: die Teilnehmer des Seminars "Mehrwert durch Unternehmensverantwortung".
Betriebswirtschaft mal anders: die Teilnehmer des Seminars "Mehrwert durch Unternehmensverantwortung".
Das ist Verantwortung, wie sie die Seminarteilnehmer erleben - eine Sicht, die auch dem Unternehmen selbst zugutekommt. Denn das gäbe auch der Gesellschaftspolitik eines Unternehmens wieder jene Frische, die das Thema Verantwortung brauche, sagt Hildebrandt. "Es ist kein Plastikwort, sondern eines, das ständig mit Leben gefüllt werden muss." Ähnlich wie die anderen Kunstbegriffe, die im Rahmen der Nachhaltigkeitsdebatte fallen. Zum Beispiel der Begriff Lohas, der Lifestyle of Health and Sustainability, der die in den letzten Jahren entstandene Konsumentengruppe beschreibt, die den Einklang von Gesundheit und Genuss sowie Lebensstil und Verantwortung anstrebt. So entstand während des Seminars ein intensiver Austausch zum Thema Verantwortung mit dem Ziel, Standardantworten zu entlarven, die niemanden berühren. Kreativ und mit eigenen Ideen und Gedanken brachten sich die Studierenden nicht nur in die Diskussion mit ein, sondern auch ganz konkret in das Teddy-Projekt "Verantwortung tragen": Sie konnten sich mit dem als Symbol für diese Initiative stehenden Teddybären ablichten lassen und Stellung zu dieser Thematik beziehen.
Dass die beiden Tage keine Zeitverschwendung, sondern ein Gewinn an Sinn waren - eine Investition, die man nicht sofort sieht, aber nachhaltig spüren würde - das war auch Hildebrandt wichtig, hervorzuheben. Kooperationen von Unternehmen und Hochschulen würden dabei massiv an Bedeutung gewinnen. Denn nur im Dialog könne es gelingen, auch Themen der Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung umfangreich und glaubwürdig zu kommunizieren. Dementsprechend ist Nachhaltigkeit nichts Abstraktes, wie ein Student richtig feststellte, sondern hat mit jedem selbst zu tun. Genau darauf komme es an, bestätigt Hildebrandt: "Das Große im Kleinen wieder zu finden, um seine Rolle in der Welt besser zu verstehen und Mut zur Veränderung zu haben."
Dass Verantwortung nicht nur im Unternehmen beginnt, sondern bei jedem Einzelnen und in diesem Fall ganz konkret bei den zukünftigen Betriebswirten selbst, wird den Studierenden bewusst geworden sein. Damit verhält es sich wohl mit der Unternehmensverantwortung und der Verantwortung des Einzelnen wie mit dem sprichwörtlichen Ei des Kolumbus: Die Lösung liegt oft näher als gedacht. In diesem Fall: bei jedem selbst.

 

"Wenn wir mit Studenten zusammenkommen, erfahren wir sehr direkt, dass es keine Trennungen unserer Themen gibt - alle sind miteinander verbunden. So sind die Studenten selbst oder deren Familien Kunden von uns, zum Teil sogar Mitarbeiter, auch werden zuweilen Produkte dieser Stakeholder, zum Beispiel Lieferanten, bei uns angeboten. Deshalb reicht es nicht aus, wenn wir lediglich mit anderen Konzernen und NGOs kommunizieren. Wenn wir mehr über uns und unser Tun erfahren wollen, müssen wir zu denen gehen, die uns aus einer anderen Perspektive sehen."
 
Alexandra Hildebrandt, Leiterin Gesellschaftspolitik der Arcandor AG

 

"Die Frage nach der Unternehmensverantwortung wird im Zusammenhang mit der Finanzkrise immer häufiger gestellt. Es geht eben nicht, dass nur Sorge für das eigene Unternehmen oder den eigenen Konzern getragen wird. Viele Firmen agieren zu kurzsichtig und fügen sich und der Gesellschaft dadurch Schaden zu."
 
Prof. Frank Dellmann, Dekan Fachbereich Wirtschaft an der Fachhochschule Münster


Suzanne von Melle, ausgebildete Diplom-Pädagogin, ist Mediatorin in Essen und arbeitet als freie Mitarbeiterin für die Arcandor AG.

Fotos: Suzanne von Melle.

Kontakt:
Arcandor AG
Dr. Alexandra Hildebrandt
Leiterin Gesellschaftspolitik
Theodor-Althoff-Straße 2
D-45133 Essen
Tel.: +49 (0)201/727-96 62
Fax: +49 (0)201/727-69 96 62
alexandra.hildebrandt@arcandor.com
www.arcandor.com

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