Gut, dann gehen Sie doch mit uns ein wenig vor die Tür und lernen Sie unsere Welt kennen: Der Himmel strahlt in leuchtendem Blau, die Wiesen erstrecken sich in saftigem Grün, ein Bächlein plätschert friedlich glitzernd vor sich hin. Passanten, die uns begegnen, grüßen freundlich, bevor sie uns in ein ermutigendes Gespräch über unsere tolle Zukunft verwickeln. Bei aufregenden, positiven, zukunftsweisenden Begegnungen merken wir, dass jetzt eine gute Zeit ist, um etwas Neues anzupacken. Eine Zukunft, die uns alle braucht. Ausnahmslos.
Geben Sie die Hoffnung nicht auf: Sie können etwas tun!
Wir möchten eine andere Sicht der Finanzkrise mit Ihnen teilen. Eine, von der wir glauben, dass sie Bestand hat.
- Die wirkliche Krise liegt nicht etwa darin, dass Milliarden von egal welcher Währung verschwunden sind (oder gewandert - denn "weg" sind sie ja nicht!).
- Es ist keine Krise, dass Manager hohe Gehälter und unverschämt großzügig erscheinende Abfindungen erhalten.
- Die Krise besteht auch nicht darin, dass viele jetzt wieder von vorne anfangen müssen, für die Ausbildung der Kinder, die Altersvorsorge oder das neue Auto zu sparen.
- Und es ist bestimmt keine Krise, dass ganze Staaten drohen, an der kollektiven Dummheit der vergangenen Jahre ärmer zu werden.
Die eigentliche Krise ist, dass
partout nichts aus der Krise gelernt werden will. Derzeit wird
versucht, Schuldige auszumachen, um diese - wenn möglich - zu
bestrafen. Ist das geschehen, dann können wir wieder so tun, als
hätten wir alles unter Kontrolle. Um dann genauso weiterzumachen
wie bisher.
Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass wir uns den
Abgrund, der uns aus allen Zeitungen, Radios und
Nachrichtensendungen hämisch entgegenlacht, selbst zuzuschreiben
haben? Dann gehen Sie mit uns auf eine gedankliche Reise in eine
Welt jenseits von Dotcom-Blasen und Immobilien-Zockern. Schauen
wir uns einmal die scheinbar Schuldigen an und lernen wir
gemeinsam Alternativen zum heutigen Denken kennen.
Buhmänner im Maßanzug.
Sie sind die supermächtigen und
superreichen Gestalter unserer Welt. So scheint es zumindest. Von
der weiten Mehrheit nicht unbedingt als die Sympathieträger
schlechthin gesehen, kommt man offenbar doch nicht ohne sie aus.
Sie scheinen ein notwendiges Übel zu sein, man braucht Topmanager
und Notenbanker. Schließlich muss es jemanden geben, der schuld
ist. Wenn was wirklich Schlechtes passiert, dann liegt's an
"denen da".
Dabei wissen wir alle ganz genau: Das ist totaler Quatsch.
Es gibt keine geheime Kaste der Manager, die charakterlich
einheitlich und durch und durch versaut wäre. Auch nicht im
Bankwesen. Bei Managern ist es wie bei anderen Berufen auch: Wenn
einer etwas Falsches tut und dabei erwischt wird, dann hat er
unangenehme Konsequenzen zu tragen: Wenn Manager ihren Job,
weitreichende Entscheidungen für "ihre" Unternehmen zu treffen,
schlecht machen, erhalten sie geringe bis stattlich hohe
Abfindungen und mehr Freizeit, als ihnen lieb ist.
"Schweinerei eben!", hören wir jetzt jemanden rufen, doch
so einfach ist es nicht. Topmanager machen schlicht das, was wir
alle von ihnen erwarten. Und es kommt noch schlimmer, sie machen
das, was andere eben nicht tun wollen. Das ist so wie mit der
Straßenreinigung oder mit dem Bäckerjob. Manager tun bestimmte
Dinge. Unter anderem entscheiden sie, denn das gehört zu ihren
typischen Aufgabenbereichen. Sie entscheiden oft auch auf die
Gefahr hin, dass die Entscheidung falsch ist. Nicht selten sogar
im Wissen, dass ihre Entscheidungen mit ziemlich großer
Wahrscheinlichkeit falsch sind. Weil es nun mal nicht anders
geht. Denn niemand sonst will diesen Job, will diese
Entscheidungen fällen. Das würde sich erst dann ändern, wenn sich
der große Rest der Menschen bereit erklären würde, selbst zu
entscheiden.
Die meisten von uns haben leider verdrängt, dass wir alle
nicht nur in der Lage sind, zu entscheiden, sondern dass wir dies
ständig tun. Aktiv oder passiv. Und dass wir es bewusst und
leidenschaftlich tun sollten, nicht nur zu Hause und im
Vereinsleben. Nein, auch und gerade dort, wo wir die meiste wache
Zeit verbringen: bei der Arbeit.
Wenn mehr Menschen entscheiden würden, anstatt darauf zu
warten, dass das andere für sie tun - Bankberater beispielsweise,
Vorgesetzte und Politiker -, dann wäre vieles sicher nicht
passiert, was uns die derzeitige Krise beschert hat. Mal ehrlich:
Es gibt doch immer jemanden, der monate- wenn nicht jahrelang vor
den großen Krisen gewarnt hat. Es gibt immer Tausende von
Signalen für die Krise und jeder von uns sieht auch welche davon.
Wir wissen also um die Missstände und Risiken. Wir warten halt
nur ab. Tun nichts, lassen "die da oben" erst mal falsch
entscheiden. Und das tun sie dann auch. Zuverlässig.
Bezahlt, um zu entscheiden.
Würden wir kollektiv dazu stehen,
dass wir Entscheidungen nicht gerne selbst treffen wollen und sie
oft lieber an andere abgeben, ja dann ... Doch das ist eine
andere Geschichte, hier soll es erst einmal um die Manager gehen.
Und um die Finanzkrise. Hier also eine These:
Nicht die vermeintlich schlechten Manager sind schuld an
der Misere.
Vielmehr ist das Management als Institution, als Idee die
Wurzel der Krise!
Stellen wir uns einmal versuchsweise vor, wir hätten keine
Vorgesetzten in Organisationen. Anstelle der Vorgesetzten hätten
wir stattdessen Anspruchsgruppen wie Kunden, Lieferanten, Banken
und so weiter. Leute, die uns sagen, ob unsere Arbeit irgendwem
etwas bringt oder nicht. Was würde passieren? Ganz einfach. Wenn
wir keine Vorgesetzten hätten, dann müssten wir selbst nachdenken
und selbst entscheiden. Das Gute dabei ist: Wir können das. Es
liegt in der Natur des Menschen, Entscheidungen treffen zu
können, und auch, vorher darüber nachzudenken!
"Aber so ganz ohne Führung - das geht ja nun auch wieder
nicht!", mögen Sie jetzt einwenden. Stimmt. Ganz ohne Führung
geht es nicht. Ohne festgelegte Führungskräfte geht es allerdings
schon: Eine andere, pfiffigere Form, sich zu organisieren,
macht's möglich.
Sie kennen die Hierarchie als Organisationsform.
Vielleicht auch noch die "Matrixorganisation", eine Spielart
hierarchischer Organisation, in der die Linienhierarchie noch
eine zweite Linienorganisation als Zwillingsschwesterchen
bekommt. Das sind so die üblichen Organisationskonzepte in der
Praxis. Hierarchie lässt sich noch aufpeppen mit Stabsbereichen,
Divisionalstrukturen, Center-Konzepten und weiterem
Schnickschnack. In allen Fällen gilt: Hier wird Organisation nach
Machtkriterien gebaut und gestaltet. Oben ist mächtig, unten ist
ohnmächtig. Informationen fließen nach oben. Entscheidungen nach
unten. Das Ganze wird zusammengehalten durch Weisung und
Kontrolle.
Organisationen ohne Vorgesetzte, dafür braucht man ein
anderes, dem hierarchischen Management gegenläufiges Konzept.
Stellen Sie sich ein Netzwerk eigenverantwortlicher und doch
voneinander abhängiger Teams vor. Wir nennen diese Teams gerne
Zellen. Warum Zelle? Nun, das hat dieses Organisationskonzept bei
den Biologen abgeschaut. Die nennen wilde, aber funktionierende
Vernetzungen von Zellen gerne Organismen. Eine organische
Organisation kann nur ein Zellstruktur-Netzwerk sein. Was uns an
der Idee der Zellstrukturen für Organisationen aller Art und
Unternehmen begeistert: Es braucht keine festgelegten Manager. In
einer solchen Struktur sind alle Organisationsmitglieder zusammen
verantwortlich. Hier folgt Führung der Situation. Jeder muss mit
seinen Kollegen zusammenarbeiten. Jeder muss denken. Jeder muss
unternehmerisch handeln. Es gibt keinen Sündenbock (Manager), auf
den man diese Verantwortung abladen kann.
Ist das die Illusion einiger Träumer? Weit gefehlt: Es
gibt eine Bank, die von der derzeitigen Finanzierungskrise
praktisch nicht betroffen ist und die genau so seit gut 35 Jahren
organisiert ist: Svenska Handelsbanken. Diese Bank hat schon
vielen Krisen getrotzt. Denn wenn es keinen Chef gibt, an den man
das Denken und Entscheiden "wegdelegieren" kann, dann denkt und
entscheidet man eben wieder selbst. Hätten das in den letzten
paar Jahren mehr Bankberater getan, gäbe es jetzt sicherlich
weniger marode Kredite.
Mythos Vorhersagbarkeit und Kontrolle.
Unvorhersehbare komplexe Systeme
wie unsere Wirtschaftswelt brauchen Grundannahmen, damit wir
Menschen mit ihnen umgehen können. Eine der gängigen
Grundannahmen in unserer Wirtschaft lautet: Vorhersagbarkeit und
Kontrolle.
Diese Annahme ist aber kein Naturgesetz, auch wenn das der
eine oder andere Betriebswirt so sehen möchte. Die Annahme hat
ihre Beständigkeit daher, dass man mit ihr Wirtschaftssysteme -
wie zum Beispiel Unternehmen - berechenbar machen kann. In Euro
und Cent. Solche Berechenbarkeit ist schön, denn so können sich
Menschen in Unternehmen damit beschäftigen, wie es in der Zukunft
aussehen wird. Und das gefällt den Menschen - vor allen Dingen
denjenigen mit einer Neigung zur Analytik und einem ausgeprägten
Sicherheitsbedürfnis. Diese illusionären Zukunftsprognosen geben
uns ein gutes Gefühl. Sie wirken beruhigend.
Man glaubt zu wissen, was passiert. Damit steigt dann die
Überzeugung, dass man handlungsfähig bleibt.
Leider ist die ganze Vorhersagerei aber ein Trugschluss.
Eine Illusion. Wenn wir ehrlich sind, kommen rationale
Begründungen für egal was immer erst zustande, wenn etwas schon
passiert ist. Unsere Prognosen liegen meistens daneben. Unsere
Vorhersagen sind häufig ungenauer als die der Wetterfrösche. Und
unsere vorauseilenden Kalkulationen in Unternehmen sind in
besonderem Maße unbefriedigend - denn sie stimmen nur in den
seltensten Fällen!
Die weite Mehrheit hat sich mit dieser Tatsache abgefunden
und fühlt sich pudelwohl damit, dass trotzdem allüberall
geweissagt wird. Das funktioniert dann so: Irgendjemand glaubt,
er oder sie sei besonders intelligent und kenne die Zukunft.
Dieser Jemand macht aus den eigenen Annahmen und Vermutungen über
die Zukunft einen Zahlenapparat, der anderen dabei hilft, mit
diesen Zahlen etwas im Sinne der eigenen Interessen zu tun.
Andere zu managen, beispielsweise. Das Problem dabei ist:
Die Gewöhnung an Zukunftsprognosen und Planung verändert
uns. Sie verändert Verhalten. Wir vergessen beispielsweise
bei all der Vorhersagerei, auf die tatsächlichen Veränderungen zu
achten. Wir entwickeln zudem Angst davor, etwas zu tun, was
außerhalb der scheinbar so rationalen Zahlenwelt der
Zukunftsgestalter liegt und nicht so leicht rational begründ-
oder belegbar wäre. Es ist darum einfacher, der Prognose
entsprechend zu handeln, als sie argumentativ infrage zu stellen
und vom so vorgezeichneten Kurs abzuweichen. Selbst wenn
Abweichung von der Prognose im Licht der Umstände "besser" wäre.
Die Konsequenz: Wir halten oft - sehr oft! - daran fest, das
Vorhergesagte zu erreichen. Egal, was real passiert. Konkret
heißt das: Wir vergeben so lange faule Kredite an
höchstwahrscheinlich zahlungsunfähige Kunden, bis unsere Bank
wirklich und unwiederbringlich über den Jordan geht. Dann, und
erst dann, sind wir echt und ganz ehrlich wirklich überrascht,
wie das passieren konnte - wo doch die Prognose und die Zahlen
... also, wer hätte das gedacht!
Nicht wissend ins Ungewisse.
Wir alle sind mit Fähigkeiten
ausgestattet, mit dem Ungewissen umzugehen. Dazu gehört die
Intuition. Diese Fähigkeiten kann man trainieren und den eigenen
Umgang mit ihnen verbessern. So kann es gelingen, dass wir kein
Trugbild mehr brauchen, um uns zu beruhigen angesichts einer
turbulenten Welt. Wir können ihr entgegentreten und ihre
Vielseitigkeit genießen - weil wir uns nicht mit der Plackerei
auf Zahlenfriedhöfen und deren Begrünung beschäftigen müssen, um
uns in Sicherheit zu wähnen.
Wir wissen, dass man nicht alles wissen kann, und sollten
das endlich akzeptieren. Genauso wie wir die Wirklichkeit
verleugnen können, um den Zahlen des Plangenies gerecht zu
werden, könnten wir damit umgehen, nicht alles zu wissen. So
hätten wir Zeit, die Chancen in Veränderungen zu erkennen,
anstatt jede Veränderung per se als Gefahr zu bekämpfen.
Genau wie die Fähigkeit zu denken und zu entscheiden sind
auch Intuition und der bewusste Umgang mit Nichtwissen jedem von
uns eigen. Das Bewusstsein um unsere eigene Begrenztheit bewahrt
uns unsere Demut gegenüber dem großen Ganzen. Die vorgegaukelte
Vorhersagbarkeit dagegen macht uns gierig, größenwahnsinnig und
leichtsinnig - und gibt uns die verrückte Überzeugung, wir hätten
zu jedem Zeitpunkt alles unter Kontrolle.
Aber wir gehen noch einen Schritt weiter: Dieses
Nichtwissen, diese Unsicherheit ist nicht alleine ein Problem,
das wir zähneknirschend akzeptieren müssen. Wie eine ekelhafte
Kröte, die es zu schlucken gilt. Nichtwissen kann sogar eine
enorme Ressource im Wirtschaftsleben sein. Alle Errungenschaften
unserer Welt, vom Kühlschrank bis zum Magnetresonanztomografen
sind das Ergebnis davon, dass irgendwann engagierte und mutige
Menschen aus dem "Ozean des Nichtwissens" ein klein wenig
abgeschöpft und daraus zunächst Fragen entwickelt haben - um erst
dann Antworten darauf zu suchen. Der Umgang mit Nichtwissen ist
lebendig. Der Umgang mit Prognosen und Vorhersagen dagegen ist
meistens mausetot, weil wir dazu neigen, nicht über sie
nachzudenken, sondern an sie zu glauben. Nichtwissen ist wie die
leere Leinwand für den Maler oder die Stille für den Komponisten:
Es ist die Grundlage für große Schöpfungen.
Für Organisationen und Unternehmen wie Banken ergeben sich
daraus diverse Konsequenzen. So wäre es vernünftig,
organisatorische Prinzipien anzuwenden, die sich nicht auf die
Illusion vollständiger Information und auf Vorhersagbarkeit
stützen, sondern die stattdessen zur Ungewissheit der Zukunft
stehen. Diese Prinzipien machen Organisationen in der Gegenwart
handlungsfähig, ohne sich dafür auf eine scheinbar sichere
Zukunft zu verlassen. Anstatt auf Hochmut setzen diese
Organisationen auf das Wissen um die eigene Begrenztheit. Statt
auf Prognosen vertrauen sie auf die Fähigkeit ihrer Menschen, mit
der Ungewissheit ganz natürlich und erfolgreich umgehen zu
können. Denkend und unternehmerisch handelnd.
Verlogene Visionäre.
Mit Geld allein kann man fast
niemanden mehr dazu verleiten, sich für ein bestimmtes
Unternehmen zu verdingen. Diese Überzeugung hat sich weitgehend
durchgesetzt. Darum gibt es heute in praktisch jedem Unternehmen
auch eine formulierte Vision. Aus diesen Visionen werden dann
Ziele abgeleitet, denn - so lautet eine weitere Überzeugung -
erst Ziele stellen sicher, dass die ambitionierten Visionen auch
verfolgt und erreicht werden. Damit keiner danebenhaut, werden
die Ziele dann noch mit dem Einkommen der Mitarbeiter gekoppelt:
in Form von Anreizen, Bonifikationen und dergleichen. Damit haben
Organisationen dann eine direkte Wirkungskette von der Vision
über das Ziel bis hin zum Geldbeutel hergestellt. Wir nennen
diesen Mechanismus: fixierte Leistungsverträge. Die Theorie des
"Management by Objectives" sagt: Das ist gut und funktioniert.
Wir behaupten das Gegenteil: Management per fixierten
Leistungsvertrag funktioniert nicht. Denn: Jede Verbindung
zwischen Vision und Geldbeutel, die Verknüpfung also zwischen
jedweder Form von Identitätsstiftung und monetären Anreizen ist
schlicht und einfach die sechsspurige Autobahn in die Korruption.
Der gerade Weg in unethisches, verbrecherisches, falsches und
kurzsichtiges Handeln. Finanzkrisen wie die aktuelle wären ohne
Mauschelei, die letztlich auf eine Kultur der Anreizung
zurückzuführen ist, gar nicht möglich. Die nicht abreißenden
Schreckensmeldungen der letzten zwölf Monate aus der
internationalen Wirtschaft sprechen eine deutliche Sprache: Hier
haben nicht einfach Einzelne etwas falsch gemacht, sondern da hat
ein System versagt. Man könnte es das System von Zuckerbrot und
Peitsche nennen. Wenn Menschen per Zuckerbrot (Gehalt, Boni,
Beförderungsversprechen, Incentives, Firmenwagen ...) und
Peitsche (Strafandrohung, Bonusentzug, Mobbing ...) dazu
angereizt werden, ihre prognostizierten Ziele zu "machen" - dann
werden sie das vermutlich auch tun. Sie werden sich darum
kümmern, Leistung nachzuweisen, anstatt Kunden zu befriedigen.
Sie werden auch bizarre Wachstumsvorgaben einzuhalten versuchen.
Koste es, was es wolle. Denn wer per Vergütungssystem und Drohung
erpresst und bestochen wird, der lässt sich mit der Zeit
korrumpieren, oder er geht. Die Ziele werden "gemacht" - auch
wenn die Firma dabei draufgeht. Sie hat's ja so gewollt. Nicht
wahr?
Wirtschaft, die Sinn macht.
Dass es auch anders geht, zeigen
Organisationen wie dm-Drogeriemarkt, Toyota, Southwest Airlines,
W. L. Gore (Gore-Tex), Whole Foods, Google und andere. Es gibt
sie, die Organisationen, die gezielt eine identitätsstiftende
Kultur aufbauen, um sinnvolles und ethisch sowie moralisch
integres Verhalten bei ihren Mitarbeitern hervorzubringen. Die
bewusst auf finanzielle Belohnung oder Bedrohung ihrer
Mitarbeiter durch Ziele mit daran gekoppelten fixen
Leistungsvereinbarungen verzichten. Die Mitarbeiter danach
aussuchen, welche Einstellungen sie mitbringen und wie sie ins
Team passen. Und die dagegen die Frage der fachlichen
Qualifikation als weitgehend trivial ansehen. Was haben diese
Unternehmen gemein? Sie gehören über Jahrzehnte zu den besten
ihrer Branche! Sie haben Risiken und Marktschwankungen weitgehend
mühelos überstanden. Sie wachsen gesund und wirtschaften maßvoll,
anstatt den schnellen Euro zu suchen. Nicht zuletzt verlassen sie
sich darauf, dass ihre Mitarbeiter sinnvoll handeln. Einfach so.
Diese Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern aber auch eine
Identifikationsfläche jenseits des Einkommens an und ermöglichen
es ihnen damit, persönlichen Sinn mit der Existenz des
Unternehmens zu verbinden.
Wir nennen diesen Mechanismus Sinnkopplung. Ist Menschen
klar, wofür und warum ihr Unternehmen existiert, dann können sie
ihre persönliche Sinnfindung mit dem Daseinszweck des
Unternehmens koppeln. Wenn das geschieht, dann kämpfen diese
Menschen ganz automatisch für Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit,
Wirtschaftlichkeit und ein gutes Leben.
Visionen allein können keine positive Wirkung entfalten.
Visionen sind nicht jetzt, sie sind immer in der Zukunft. Doch
eine Vision braucht eine in der Gegenwart gültige Begründung,
warum es eine Organisation geben muss. Dieser Zweck kann durchaus
ganz banal sein, doch erst er stiftet Sinn und gibt einen Grund
für das Dasein der Organisation an. Menschen fordern einen
solchen Daseinszweck, mit dem sie sich identifizieren können.
Begründet sich dieser Zweck auf materielle Dinge wie Geld, dann
ist er von Beginn an korrumpiert und wird vor allem Menschen
anziehen, die bereit sind, sich entsprechend zu verhalten. Haben
Unternehmen einen Sinn-vollen Daseinszweck, müssen sie sich nicht
vom Apfel des schnellen Geldes verführen lassen, und ihre
Mitarbeiter haben keinen Grund, sich zu langfristig
Sinn-entkoppeltem Verhalten wie dem ungebremsten Verkauf
schlechter Kredite hinreißen zu lassen.
Verantwortung übernehmen. Nicht abschieben.
In dieser Krise scheinen die
Politiker das Ruder in der Hand zu haben. Gut, dass sie da sind,
um uns zu retten! Oder nicht? Die Politik kann diese Krise zwar
vielleicht beeinflussen und mit ihr umgehen helfen, an den
Gründen für die Krise kann sie nichts ändern. Dass das Gleiche
wie jetzt in fünf, sieben oder zehn Jahren wieder passiert, liegt
außerhalb ihres Einflussbereichs. Da helfen keine "Renaissance
sozialdemokratischer Ideen", kein modischer Appell an die Ethik
und keine Verdammung bestimmter Berufsstände. Es braucht weitaus
mehr als entschlossene Politiker, um ein für allem Mal zu lösen,
was hinter dieser Finanzkrise und anderen Wirtschaftskrisen der
Vergangenheit steht.
Wir alle tragen nämlich Verantwortung. Wir können uns
einerseits damit zufriedengeben, dass uns die Politiker jetzt
"retten", gewissermaßen als Ausgleich dafür, dass sie die
Deregulation des Finanzmarktes mit ermöglicht haben. Dass jetzt
Topmanager ein wenig gescholten und ihre Gehälter begrenzt
werden. Dass vielleicht auch ein paar neue Gesetze zum Verhalten
von Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfern erlassen werden.
Während die Politik sich darin gefällt, die Massen zu
beruhigen, ein wenig zu predigen und zu maßregeln, während also
die Politiker sich in der Rolle des heldenhaften Ritters mit der
glänzenden Rüstung sehen, der im letzten Moment angeritten kommt,
um alles zum Guten zu wenden, ist das eigentliche Problem, das
letztlich zu dieser Krise geführt hat, nicht annähernd gelöst. Es
ist noch nicht einmal benannt. Die Gefahr ist, dass nach dieser
Krise, die nichts weiter als ein Symptom eines grundlegenden
Problems unserer Wirtschaft ist, keine wahrhafte Veränderung
stattfindet und wir alle genauso weitermachen wie bisher.
"Das ist nicht meine Entscheidung." "Sollen die mal
machen." Eine solche abwartende Haltung bringt uns nicht weiter.
Wir alle stützen ein falsches System des Managements von
Organisationen. Vielleicht, weil wir bisher die Alternative nicht
sehen oder nicht anpacken wollten. Da müsste man ja raus aus der
eigenen Komfortzone! Da müsste man selbst Verantwortung
übernehmen. Da müsste man ja anfangen zu denken - und zwar über
mehr als nur die eigene Freizeitgestaltung und darüber, warum man
selbst immer noch ein zu geringes Einkommen hat. Da müsste man
die Fähigkeiten und Talente der anderen erkennen und einfordern,
anstatt sie zu verleugnen und schlechtzumachen. Da müsste man
einfach zu viel von dem anders machen, was wir gelernt haben und
"immer schon so" gemacht haben.
Es ist nicht so, dass wir das nicht könnten. Die Alternativen
gibt es.
Wollen Sie etwas ändern? Wollen Sie die Alternative
kennenlernen und mit aufbauen? Wollen Sie die Symptome der
aktuellen Krise angehen und sich die Welt nicht von anderen
schönreden lassen? Kommen Sie mit uns in das Land der grünen
Wiesen und der glitzernden Bäche, wo Menschen sich auf
aufregende, positive und zukunftsweisende Begegnungen einlassen,
privat und bei der Arbeit. Wir wollen mehr tun und glauben fest
daran, dass wir etwas ändern können.
Management go home! Was wir ändern müssen.
Unsere These lautet:
Es fehlt auf den globalen Finanzmärkten weder an angemessener Gesetzgebung.
Noch an "guten" Bankern.
Noch an Aufsicht.
Noch an Kontrollen.
Noch an generellem Instrumentarium für Transparenz.
Noch an vernunftbegabten und zu ethischem Handeln fähigen Menschen.
Es gibt einen entscheidenden Grund für die derzeitige Krise auf den Finanzmärkten. Und der heißt: Management. Nicht die Manager stehen einem besseren Wirtschaften und einer besseren Finanzwirtschaft im Wege (denn mit den wenigen Kriminellen wird die Weltwirtschaft leicht fertig) - sondern die Art, wie Organisationen heute immer noch gemanagt werden:
- Management als Funktion droht Mitarbeitern fortwährend durch die direkte Beziehung zwischen Zielen und Geldbeutel - und behandelt sie dadurch wie postmoderne Sklaven.
- Management verhindert bewusst und gewollt den eigenverantwortlichen Umgang mit Informationen, Wissen und Nichtwissen.
- Management ist in sich ein korruptes Machtspielchen in Schwarzer-Peter-Manier, bei der es einfacher ist, einen anderen anzuschwärzen, als selbst gut zu sein.
- Management bedeutet, Menschen anhand formeller Machtkriterien zu beherrschen. Die Macht ist fest verteilt und wer Macht hat, bedarf keiner sinnvollen Gründe für sein Handeln.
- Management muss immer den Eindruck aufrechterhalten, die Kontrolle zu haben. Selbst wenn, wie zurzeit, alles aus den Fugen ist. Management nennt das dann "Vertrauen bilden", handelt aber zutiefst misstrauisch.
- Management steht sinnvollen Veränderungen in der Führung und Steuerung von Organisationen entgegen - weil es weiß, dass es selbst das Problem ist, zu dessen Lösung es sich berufen fühlt.
Die Alternative funktioniert so:
- Ziele und Einkommen konsequent voneinander trennen - und damit die Anwendung "relativer" Ziele und Leistungsverträge, die keinerlei Anreiz zu egoistischem, kurzfristigem und unethischem Verhalten geben.
- Informationstransparenz herstellen, die alle dazu zwingt, ihre Fähigkeit zu denken einzusetzen, und die konsequent Machtspielchen aufgrund von Informationsmanipulation erstickt.
- Einen klaren, ungefilterten Blick auf die Zugkräfte herstellen, die eine Organisation beeinflussen - von jeder Stelle in der Organisation aus.
- Eine konstruktive Kultur des Nichtwissens etablieren: Zukunft ist nie voraussagbar. Und Nichtwissen ist nicht nur ein Problem, sondern auch Ressource. Jede gute Antwort ist die Folge einer noch besseren Frage.
- Die Balance zwischen unserem Verstand und unserer Intuition herstellen: Dazu muss unsere Intuition professionalisiert und die Unternehmenskultur befreit werden vom illusionären Glauben an Planzahlen, Zielen und anderen sogenannten Fakten.
- Aus einer Gemeinschaft heraus den selbstbewussten Blick auf den externen Wettbewerb richten, ohne ständig der Angst ausgesetzt zu sein, dass man intern politisch angegriffen wird oder im nächsten Soll-Ist-Vergleich wieder schlecht dasteht.
- Sinnvoll und begründet handeln, wie es im Hier und Jetzt notwendig ist, ohne Furcht, dass nachträglich Schuld zugewiesen wird und Köpfe rollen, wenn mal etwas schiefgeht.
- Führung aus der Situation heraus entstehen lassen - nicht den immer selben Menschen zuordnen.
Ein Aufruf an uns selbst.
Angesichts der Finanzkrise bedarf
es einer anderen Form der Führung und Steuerung. Wir sollten uns
nicht damit aufhalten, nach Schuldigen an der derzeitigen
Finanzkrise zu suchen. Denn das bringt uns nicht weiter. Was wir
brauchen, ist ein "Management ohne Management", sodass
unternehmerisches Denken und Handeln allgegenwärtig sind, wodurch
dann auf Weisung und Kontrolle verzichtet werden kann.
Diese neue Art zu führen existiert bereits - in einigen
Ausnahmeorganisationen ist sie Standard. Viele
Management-Vordenker haben sie treffend beschrieben. Es ist die
Kunst, ohne Manager zu führen, ohne zentrale Machtkonzentration,
ja sogar ohne Planung. Stattdessen mit dezentraler Verantwortung,
mit Transparenz und Sinn-voll denkenden und handelnden Menschen.
Wir stehen für die Veränderung von Herrschaftsstrukturen in
Unternehmen. Wir kennen Wege aus der Misere und freuen uns, sie
mit Ihnen zu teilen.
Jetzt kommt es auf uns alle an. Wir haben eine Zeit
erreicht, die Veränderung möglich macht. Wir wollen sie nutzen.
Sie auch?
Was können Sie tun?
Leiten Sie den offenen Brief weiter. Schreiben Sie uns
eine Nachricht, rufen Sie uns an, geben Sie uns allen die
Möglichkeit, Teil eines großen Ganzen zu sein!
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Von links:
Gebhard Borck ist Berater, Großgruppenmoderator und
Speaker. Er ist Experte für Sinn-gekoppelte und grundlegende
Veränderung von Organisationen. Borck arbeitet für multinationale
Konzerne ebenso wie für KMU und Einzelunternehmer.
Niels Pfläging ist Direktor des Beyond Budgeting Transformation Network (BBTN), Speaker und Berater. Sein zweites Buch Führen mit flexiblen Zielen. Beyond Budgeting in der Praxis gewann 2006 den Wirtschaftsbuchpreis von Financial Times Deutschland und getAbstract in der Kategorie Leadership.
Dr. Andreas Zeuch ist Berater, Speaker, Trainer, Autor und Podcaster. Er ist Experte für Intuition und Nichtwissen im Management. In seiner Promotion erforschte er das Training professioneller Intuition. 2007 folgte das erste deutsche Buch über Nichtwissen in Unternehmen. Zu seinen Kunden zählen KMU und Konzerne aus verschiedenen Branchen.
Kontakt
Gebhard Borck -
gb@gberatung.de
Niels Pfläging -
niels@metamanagementgroup.com
Dr. Andreas Zeuch -
az@a-zeuch.de
Für mehr Informationen:
Website des Beyond Budgeting Transformation Network:
www.bbtn.org
Diskussionen über Beyond Budgeting:
www.xing.com/net/beyondbudgeting
Intuition & Nichtwissen:
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Gebhard BorckGebhard Borck ist Unternehmer, Geschäftsführer und Berater für eine menschliche Betriebswirtschaft. Vor zwölf Jahren begann er als freiberuflicher Projektmanager. 2007 hat er die GB KOMMUNIKATION GmbH gegründet. Seither begleitet er kleine und mittlere Unternehmen dabei, mit Fokus auf die Menschen gelassener, zufriedener und sinngekoppelter zu wirtschaften. Er ist überzeugt: Arbeit kann en gros Spaß machen, für Wohlstand sorgen und sinnvoll sein. Sein Motto: Wir wollen denken! Website seines Unternehmens: www.gb-komm.de Website seines Blogs: www.affenmaerchen.de
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Andreas ZeuchDr. Andreas Zeuch ist Gründer und Partner der unternehmens-demokraten. Das Berliner Unternehmen begleitet Menschen und Organisationen auf dem Weg zu mehr und besserer Partizipation. Zeuch veröffentlicht regelmäßig Artikel, Blogbeiträge und Bücher zum Themenfeld Unternehmensdemokratie und Selbstorganisation. Zuletzt erschienen: Alle Macht für niemand. Aufbruch der Unternehmensdemokraten bei Murmann, Hamburg 2015.
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