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Roald Hoffmann, Chemienobelpreisträger
Wer ist schöner? Wer ist besser? In
Reality-Shows wie "Germany's Next Topmodel" oder "America's Next
Top Model" muss der ständige Vergleich ausgehalten werden. Es
geht um das Wenige, das in der Welt des schönen Scheins alles
ist: um die Schönheit. Ohne zu hinterfragen, was als schön gilt
oder gelten soll. Diejenige jedoch, deren Schönheit erst mal
feststeht, kann sich eines sicher sein: ihres Wertes. Genau darin
jedoch sieht Erika Pluhar, Schauspielerin, Chansonsängerin,
Autorin und "Gegnerin des gestylten Lebens", das "Ja zur totalen
Selbstentwertung". Denn die Schönheit der Reality-Shows ist nicht
mehr Wirklichkeit, Lebendigkeit. Ist nicht echt, lebt nicht mehr.
Dieses Nicht-identisch-Sein mit sich selbst machte auch
Wolfang Joop bereits vor einigen Jahren zum Thema seines Romans
Im Wolfspelz. Dessen Hauptfigur ist besessen vom Gedanken
an das wahre Leben, das er ironischerweise durch Puppenspiel und
den Kampf um Aufmerksamkeit zu realisieren sucht. Es ist eine
kalte, fragwürdige Wahrheit, die sich in Kleiderpuppen ohne
geistige Substanz manifestiert. Die Nachahmungen sind tot, tun
aber so, als wären sie lebendig. "Puppen müssen funktionieren. Je
abstrakter ihre Persönlichkeit ist, desto leichter kann ein
Puppenspieler, ihr Mieter für einige Stunden, seine Vorstellung
von Wirklichkeit auf sie projizieren. Was dann entsteht, nennt
sich Zeitgeist." Dieser Zeitgeist jedoch verdrängt die
Wirklichkeit, gaukelt vor, entfremdet. Setzt Inszenierung
anstelle von Authentizität. Was zählt, ist der Applaus, der den
Puppen schon vor ihrem Auftritt das Leben ausgehaucht hat. Und
die Puppen, das könnten wir sein. "Nicht der sorglose Genuss,
nein, die Sorge, dass die andern auch schauen", schreibt Georg
Franck in seinem Bestseller
Ökonomie der Aufmerksamkeit, werde "zum tragenden
Lebensgefühl in der Wohlstandsgesellschaft".
Zerrbild einer normierten Schönheit.
Die Mär vom stolzen Schwan ist ein
Traum, der noch längst nicht ausgeträumt ist. Denn das
gegenwärtige Zerrbild einer normierten Schönheit verwandelt fast
jeden in das hässliche Entlein, das sich nichts sehnlicher
wünscht, als aus dem eigenen Albtraum endlich aufwachen zu
dürfen. Und sei es durch einen Schnitt ins eigene Fleisch. Den
Preis dafür zahlen ja die anderen, könnten die Kandidatinnen der
Reality-Show "The Swan" gedacht haben, die das Versprechen der
Schönheit angelockt hat. Psychologisch "betreut" schnitten
plastische Chirurgen in der 2004 im amerikanischen Fernsehen
ausgestrahlten Show junge Frauen zurecht und nähten das
Kandidatinnen-Material neu zusammen. Jede der Kandidatinnen bekam
ein Team von Spezialisten zur Seite gestellt - ein Coach, ein
Therapeut, ein Schönheitschirurg und ein Zahnarzt -, die die
Runderneuerung des Menschenmaterials zu ihrer Aufgabe machten.
Die Zuschauer erlebten eine narzisstische Wiedergeburt. Je größer
der Schnitt zwischen Sein und Schein, umso besser. Und das
Transformationsteam applaudierte schlussendlich den
Kandidatinnen. Vielmehr jedoch sich selbst und der schneidigen
Fähigkeit, Menschen zu Puppen gemacht zu haben.
"Wir verlieren unsere Werte", sagt denn auch Deutschlands
bekanntester Schönheitschirurg Werner Mang. Die Menschen hingen
am schönen Schein und fänden so nicht mehr zu sich selbst. "Man
achtet immer mehr auf Äußerlichkeiten und übernimmt keine
Verantwortung." Das unausgesprochene Diktum: Was wahr ist, kann
nicht schön sein.
Dabei fielen Wahrheit und Schönheit für das griechische
Denken noch zusammen. Ebenso in der Mitte des 18. Jahrhunderts,
als Mode noch als Erweiterung des Körperausdrucks galt: Sie
sollte die Person repräsentieren, wie sie "in Wahrheit" ist. Die
natürliche Welt jenseits der Pose wurde als höhere Wahrheit
verstanden. "Schönheit ist Wahrheit, Wahrheit Schönheit, das ist
alles, was ihr auf Erden wisst, was ihr zu wissen braucht",
schrieb der englische Dichter John Keats.
Eigenart und Mannigfaltigkeit.
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Denn Schönheit hat nicht nur mit Aussehen zu tun, sondern mit der gesamten Persönlichkeit. Mit der Ruby-Kampagne, die sich gegen gängige Schönheitsideale richtete und für mehr Selbstbewusstsein und Wohlbefinden eintrat, hat The Body Shop International im Jahr 1998 Millionen von Frauen angesprochen. Auch Nivea arbeitet mit ähnlichen Inhalten. Die jüngste Kampagne "Schönheit ist Liebe" liefert die entsprechenden Definitionen gleich mit: "Mal liegt sie an der Oberfläche, mal strahlt sie von innen." Oder: "Schönheit ist das Einzige auf der Welt, was wir sowohl mit den Augen als auch mit dem Herzen sehen." Sie ist "individuell, vielfältig und wunderbar wie das Leben selbst".
Das veränderte auch die Repräsentanten der Schönheit. "Keine Models, aber straffe Kurven." Mit diesem Satz schrieb Jörg Herzog, Kreativdirektor der Agentur Ogilvy & Mather in Düsseldorf, Werbegeschichte. Als er früher bei einer Plattenfirma arbeitete, kam er angesichts eines Fotos der ungeschminkten Madonna vor weißem Hintergrund auf die Idee, anstelle des Popstars mollige Frauen mit starker Ausstrahlung ins Bild zu rücken - die Grundidee der Dove-Kampagne war geboren. Doch es dauerte noch einige Zeit, bis es so weit war. Aus dem Konzept, mit "normalen" Menschen zu werben, entstand dann die Idee der "Dove-Aktion für mehr Selbstwertgefühl". Sie wirbt für wahre Schönheit und stellt überzogene Schönheitsideale infrage. Erklärtes Ziel: "Kindern und Jugendlichen zu helfen, ein realistisches Bild von Schönheit zu gewinnen und mit einem gesunden Selbstbewusstsein im Umgang mit dem eigenen Äußeren aufzuwachsen". Die Aktion lädt ein, "eine breitere Definition von Schönheit zu unterstützen und zu fördern". Damit zeigte Dove, dass es gut ist, zu dem zu stehen, wie frau ist. Und zu zeigen, dass sie trotzdem eine positive Ausstrahlung und Sex-Appeal hat - selbst wenn vielleicht ein paar mehr Kilo zu viel "drauf" sind. Die authentische Werbung, die normale Frauen mit "Problemzonen" und Falten zeigte, war richtungweisend. Der Kosmetikhersteller änderte die Sicht auf Frauen und ihr Älterwerden.
Natürliche Schönheit.
So verwundert es auch nicht, dass der Markt für
große Größen (ab Konfektionsgröße 44) 2008 überdurchschnittlich
gewachsen ist. Schon 2007 hat er innerhalb der
Damenoberbekleidung eine rasante Entwicklung genommen und wird
auch künftig von den Beteiligungsgesellschaften der Arcandor AG
ausgebaut. So führt Karstadt die erfolgreiche Lifestylemarke
MyLine und Quelle Meine Größe. Beide Marken wollen Identifikation
stiften. So heißt es in der Markenphilosophie von MyLine: "MyLine
ist für starke Frauen, die sich nicht wegen ihrer Figur
verstecken möchten, sondern selbstbewusst, lebensbejahend, aktiv
und attraktiv erscheinen möchten." Und weiter: "MyLine-Kundinnen
sind sich ihrer Sinnlichkeit bewusst." Sinnlichkeit ist nicht von
Schönheitsidealen abhängig, sondern eingebunden in ein besonderes
Körpergefühl. "Echte" Frauen wie die Schauspielerin Christine
Neubauer, die Autorin Susanne Fröhlich, die Sängerin Angelika
Milster, die Politikerin Renate Schmidt oder die TV-Moderatorin
Tine Wittler haben ihren Typ akzeptiert und verschwenden keinen
Gedanken daran, dass Attraktivität eine Frage der - schmalen -
Figur sein könnte. In jedem Pölsterchen steckt Leben, und das
sollte man(n) nicht wegschneiden. "Die Erscheinung verbirgt nicht
das Wesen, sondern sie enthüllt es: Sie ist das Wesen." Jean-Paul
Sartres Erkenntnis ist so wahr wie die von ihnen verkörperte
Schönheit. Sie möchten ihr Selbst nicht verhüllen, sondern
betonen.
Das gilt auch für Marken, deren Inhalt überzeugt. Für
Sabina de Castro, Bereichsleiterin Marketing, Produkt-PR,
Kooperationen und Sponsoring bei der Karstadt Warenhaus GmbH, hat
eine wirkliche Marke "ein Innenleben, eine Aura, eine Geschichte
und löst Emotionen aus - deswegen wird sie schließlich gekauft,
nicht weil es ein austauschbarer Baumwollfetzen ist. Für die
Nachhaltigkeit muss ein einzigartiger Markenwert geschaffen
werden, der kurzfristige Trends und Modeströme überdauert." Davon
ist auch Annett Koeman überzeugt, die Leiterin des Designcenters
Norintra House of Fashion in Hongkong, in dem unter anderem Mode
für Karstadt, Quelle und Neckermann designt wird. Auch für MyLine
wird hier gearbeitet. Die Marke steht für
honest fashion, eine aufrichtige Haltung und
Unverwechselbarkeit. Der dahinter stehende Prozess wird von den
Norintra-Designern mitgestaltet - gemäß der Beschreibung von
Walter Gropius: "Die Mission des Designers ist es, einem Produkt,
tot geboren aus der Maschine, eine Seele einzuhauchen."
"Be yourself!" So lautet das Versprechen der Schönheit
heute. Damit wird sie wieder das, was sie sein sollte:
natürlich.
Dr. Alexandra Hildebrandt ist Leiterin Gesellschaftspolitik bei der Arcandor AG.
Fotos: Peter Stumpf, Düsseldorf.
Kontakt:
Arcandor AG
Dr. Alexandra Hildebrandt
Leiterin Gesellschaftspolitik
Theodor-Althoff-Straße 2
D-45133 Essen
Tel.: +49 (0)201/ 727-96 62
Fax: +49 (0)201/ 727-69 96 62
alexandra.hildebrandt@arcandor.com
www.arcandor.com
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