Drei Liter - Hubraum statt Verbrauch.
Obwohl die Konzerne schwarze Zahlen
schreiben, machten die meisten wegen der geringen Produktivität
im Verhältnis zum Lohn an deutschen Standorten nur wenig Gewinn,
so Becker. Und dass diese Probleme von den Unternehmen auf die
Zulieferer abgewälzt werden, führe zu Qualitätsverlusten.
Paradebeispiel für die Sanierung eines Autokonzerns auf Kosten
seiner Zulieferer ist das Wirken von José Ignacio L�
pez und
seiner "Krieger" in den Jahren 1993 bis 1996 bei VW. Das Beispiel
habe leider Schule gemacht, beklagt Becker. Die Folge: Ein
Zulieferer nach dem anderen gehe am Preisdruck zugrunde und es
bleibe kaum Spielraum für wirklich konkurrenzfähige Innovationen.
Das Management der Autokonzerne dagegen sei häufig zu sehr mit
sich selbst beschäftigt und verschlafe so manche wichtige
Entwicklung. Zum Beispiel die Klimadebatte.
Im Vergleich zu den Japanern etwa steht die deutsche
Autoindustrie, die früher als umweltfreundlich galt, derzeit
ziemlich dumm da. Die freiwillige Selbstverpflichtung, den
Kohlendioxid-Ausstoß zu senken, war nicht eingehalten worden.
Stattdessen hatte man bei VW, Porsche, BMW und Audi auf den
falschen Trend gesetzt und musste sich für die Produktion
luxuriöser Zwei-Tonnen-Ungetüme wie dem Porsche Cayenne oder dem
VW Touareg rechtfertigen. Die Entschuldigung, "der Markt" und
"die Verbraucher" würden sich nun mal viel mehr für diese
Luxusgeschöpfe interessieren, ließ jedoch kaum jemand gelten.
Während Toyota seinen umweltfreundlichen Hybrid angeblich auch
mit Verlust produzierte, um die Kunden mit der Technik vertraut
zu machen, nahmen VW und Audi ihre Drei-Liter-Autos Lupo und A2
kleinmütig aus der Produktion. Dazu bemerkte Klimaforscher Hans
Joachim Schellnhuber: "Sarkastisch könnte man sagen, die deutsche
Automobilindustrie arbeitet am Drei-Liter-Auto, nur leider nicht
mit drei Liter Kraftstoffverbrauch, sondern mit drei Liter
Hubraum im Flottendurchschnitt."
Verschwendungssucht gepaart mit Größenwahn.
Aber auch die Gesinnung der
Führungskräfte gefährde die Zugpferde der deutschen Wirtschaft,
kritisiert Becker. Ein gefundenes Fressen das Beispiel
Volkswagen: "In den Topetagen bei VW bestach und erpresste fast
jeder jeden, und alle zusammen plünderten sie das Unternehmen
aus, das sie ohnehin fürstlich bezahlte. Zusammengeschweißt wurde
das 'Team' von Managern und vorgeblichen Kontrolleuren durch
Geld, Machtmissbrauch und gemeinsame Rotlichtabenteuer. Viele
Topmanager des Konzerns und ihre Co-Manager von der IG Metall
spielten den Playboy, VW bezahlte." Schlimm hätten sich auch die
Visionen der Mercedes-Bosse Edzard Reuter und Jürgen Schrempp
ausgewirkt: Reuters Idee vom "integrierten Industriekonzern" und
Jürgen Schrempps gescheiterte "Welt-AG" sollen den Konzern 100
Milliarden Euro gekostet haben. Statt andere Unternehmen
einzukaufen, wäre es besser gewesen, die Konkurrenz mit besseren
Produkten auf Distanz zu halten, so Becker.
Denn der Konkurrenzdruck aus dem Fernen Osten hat sich
gewaltig erhöht. Angesichts dieser Herausforderung sei es umso
wichtiger, dass sich deutsche Unternehmen wieder auf ihre
Kernkompetenzen besännen und durch Innovationen Maßstäbe setzten.
Noch ist dafür Zeit. Die Krise ist jedenfalls auch als Chance zu
begreifen. Wie sagte der ehemalige BMW- und VW-Vorstand
Pischetsrieder: "Wenn man ein großes Unternehmen verändern will,
benötigt man dafür nicht nur Zeit, sondern eventuell auch eine
kleine Krise." Beckers Recherchen und sein Hintergrundwissen
leisten einen Beitrag dazu, das Bewusstsein für diese Krise zu
schärfen. Das tut auch not, denn auf den Wachstumsmotor
Autoindustrie kann die deutsche Wirtschaft nicht
verzichten.
Sigmar von Blanckenburg ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Helmut Becker:
Ausgebremst.
Wie die Autoindustrie Deutschland in die Krise fährt,
Econ Verlag, Berlin 2007,
391 Seiten, 22.90 Euro,
ISBN 978-3-430-30019-3
www.econ.de
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Helmut Becker: Ausgebremst. . Wie die Autoindustrie Deutschland in die Krise fährt. . Econ Verlag, Berlin 1900, 391 Seiten, ISBN 978-3-430-30019-3
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Sigmar von BlanckenburgSigmar von Blanckenburg schreibt als freier Autor für changeX.