Offen für Inspiration
Neugierde, Offenheit und Lust auf Neues sind die Grundlagen kreativer Arbeit - ein Gespräch mit der Modedesignerin Angel Wong Pui Shan.
Von Alexandra Hildebrandt
Neues entsteht nicht allein aus einer genialen, kreativen Idee im Kopf. Wichtiger noch ist die ständige Konfrontation mit neuen Einflüssen in seinem Umfeld. Sagt eine preisgekrönte Modedesignerin aus Hongkong. Sie bezieht ihre Inspiration daraus, neue Dinge zu suchen und zu erkunden: Also neue Informationen, Einflüsse, Meinungen, Eindrücke aufsaugen, neue Dinge ausprobieren, offen sein. Denn in einer globalisierten Welt wird es immer wichtiger, die Bedürfnisse und Interessen der Menschen in unterschiedlichen Kulturen zu verstehen. / 31.08.07
Am 6. September 2007 wird in Berlin der Deutsche Kulturförderpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft verliehen. Bereits seit 1951 setzt sich der Kulturkreis als Bindeglied zwischen Wirtschaft und Kunst für eine prosperierende Kulturlandschaft am Wirtschaftsstandort Deutschland ein. Prämiert werden in den Kategorien kleine, mittlere und große Unternehmen kreative Förder- und Sponsoringkonzepte, die Risikobereitschaft zeigen und auf Nachhaltigkeit angelegt sind. Als neues Mitglied im Kulturkreis unterstützt die Arcandor AG diesen Wettbewerb, dessen Gewinner für herausragende unternehmerische Kulturförderung ausgezeichnet werden. Mit dieser Unterstützung will Arcandor ein Signal setzten, um die fundamentale Bedeutung unternehmerischer Kulturförderung in Deutschland und Europa hervorzuheben. Die Preisverleihung im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin wird mit Unterstützung der Arcandor AG ausgerichtet. Präsentiert wird in diesem Rahmen erstmalig die aktuelle Couture Evening Collection der anwesenden chinesischen Modedesignerin Angel Wong. Sie arbeitet für das konzerneigene Designzentrum Norintra in Hongkong, das mit seiner Abendgarderobe die breite Thematik der kulturellen Vielfalt künstlerisch aufgreift. Mit Angel Wong sprach Alexandra Hildebrandt.
Angel Wong Pui Shan Angel Wong Pui Shan ist Modedesignerin. Sie lebt und arbeitet in Hongkong. Nach einer Design-Ausbildung hat sie an der Polytechnischen Universität Hongkong Modedesign studiert . Sie ist Gewinnerin des Hongkong Young Fashion Designers' Contest. Angel Wong arbeitet für Norintra House of Fashion in Hongkong, wo Mode für Karstadt Warenhaus, Quelle und Neckermann designt wird.
Frau Wong, was zeichnet Modedesigner aus?
Designer haben das Talent, durch Sehen, Denken, Fühlen und schöpferische Veranlagungen besondere Ideen hervorzubringen und sich anderen Menschen mitzuteilen. Ein Modedesigner hat stets einen eigenen Standpunkt und glaubt, dass seine Entwürfe seinem tiefsten Inneren entstammen. Er ist der festen Überzeugung, kein Mitläufer zu sein, sonst wäre er ja auch kein echter Schöpfer.
Wolfgang Joop ist überzeugt, dass ein Modedesigner über ein fühlendes Herz und Augen verfügen muss, die vieles gesehen haben. Sind Sie auch dieser Meinung?
Dem stimme ich zu. Den meisten Designern fehlt es jedoch an Gelegenheiten und Umsetzungsmöglichkeiten. Wichtig ist, dass ein Designer Neues ausprobieren und neue Entwürfe kreieren kann.
Karl Lagerfeld hat einmal gesagt: "Ich bin ein absoluter Egoist. Mein Motto war stets: Alles steht und fällt mit mir. Zur Hölle mit allen anderen." Ist dieser Egoismus kennzeichnend für diesen Beruf?
Verzeihen Sie, aber ich würde nie so egoistisch sein - aus Angst davor, alleine zu sein! Natürlich bewundere ich Menschen, die selbstbewusst sind und Verantwortung übernehmen; und der Satz "alles steht und fällt mit mir" zeugt von großer Verantwortung. Ich habe aber festgestellt, dass ein kreativer Job kein einsamer Job ist, sondern voller Energie unterschiedlicher Lebensweisen ist.
Sehen Sie sich als Vermittler zwischen Ihren eigenen Ideen und den Wünschen und Anforderungen der Kunden?
Ja, das ist eine Grundvoraussetzung. Designer haben das Recht auf Kreativität, müssen gleichzeitig aber Verantwortung für das Resultat übernehmen.
Ist das Entwerfen nicht wie eine Reise ins Unbekannte, bei der sich die Reiseroute ständig ändert?
Wenn die Designarbeit einen geplanten Effekt erzielen soll, dann steht natürlich im Vordergrund, dieses Ziel zu erreichen. Ist die Designarbeit hingegen von Flexibilität geprägt und bietet Raum für Kreativität, dann würden mich unerwartete Wendungen nicht stören, weil am Ende der Reise ein überraschendes Ergebnis auf mich wartet.
Was bedeutet Ihnen mehr: Reise oder Ankunft, Prozess oder Produkt?
Wenn für den Designprozess genügend Zeit gegeben ist, ist das immer ein echter Genuss für mich. Ich kann dann Neues versuchen. Ist die Zeit jedoch beschränkt, kann es durchaus vorkommen, dass ich neue Ansätze unversucht lasse, um rechtzeitig fertig zu werden. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich ganz klar für den Prozess entscheiden.
Welchen der beiden Leitsprüche würden Sie wählen: "Sich selbst geben" oder "sich selbst kennen"?
Zu Beginn meiner Design-Laufbahn war ich sehr daran interessiert, mich selbst zu kennen. In meiner Anfangszeit habe ich mir stets die Frage gestellt, wer ich bin. Ich wollte unbedingt mich selbst kennen lernen, wollte meine Stärken und Schwächen erkunden. Jetzt aber, mit einem bestimmten Menschen vor Augen - dem Kunden -, will ich meine Person in die Arbeit mit einfließen lassen und mich geben.
Fließt in einen kreativen Entwurf das ein, was Sie in sich selbst und was Sie vor sich sehen?
Ja, das ist so, weil der Ausgangspunkt aller Kreativität immer ein eigener Gedanke ist. Auch wenn der Entwurf kommerziellen Ansprüchen genügen muss, beginnt die Arbeit des Designers immer mit seiner persönlichen Vorstellung, die dann zusammen mit den kommerziellen Elementen in einem Entwurf umgesetzt wird. Um Kleidung zu etwas Besonderem zu machen, sollte ein Designer stets seinem Stil treu bleiben, dabei aber auch die Verkaufsargumente des Designs berücksichtigen.
Wie gehen Sie vor, um einen Entwurf zu verwirklichen? Basiert Ihre Arbeit vorwiegend auf Intuition, beginnt alles mit einem Gefühl?
Intuition und Gefühl sind bei mir immer der zweite Schritt. Zuhören, verarbeiten und fragen gehen meiner Arbeit grundsätzlich voran. Meine Designarbeit wird inspiriert durch Dinge, Personen und Geschehnisse in meinem Umfeld. Wenn ich mit dem Entwurf einer neuen Kollektion beginne, sammle ich zuerst alle relevanten Informationen aus verschiedenen Quellen: zum Beispiel aus dem Internet, aus Zeitschriften oder von Menschen in den Straßen. Oder auch Dinge, die ich gerade neu ausprobiere. Es ist wirklich eine sehr große Hilfe, während des Designprozesses nach neuen Dingen zu suchen und diese zu erkunden.
Wie bleiben Sie offen für Inspiration?
Indem ich mir das Vergnügen und die Neugier an den Ereignissen auf der ganzen Welt bewahre. Dazu gehört zum Beispiel, dass ich aktiv Gespräche mit Freunden suche und offen für andere Standpunkte bin. Ich bin froh, dass ich in einer so internationalen Stadt wie Hongkong lebe. Dadurch ist es sehr einfach für mich, jederzeit die aktuellsten Informationen aus der ganzen Welt zu erhalten. Dieser kulturelle Hintergrund hilft mir sehr, wenn es darum geht, die Bedürfnisse von Menschen aus unterschiedlichen Ländern zu verstehen.
Wie schaffen Sie den Übergang vom Nichts zur Idee?
Meiner Meinung ist das Wort "Nichts" im Wörterbuch eines Designers nicht vorhanden. Stattdessen sollte das Wort "Unbegrenztheit" stehen.
Arbeiten Sie jeweils immer nur an einer Idee?
Das ist für mich unmöglich.
Wann weiß ein Designer, dass sein Produkt vollendet ist? Wenn nichts mehr hinzuzufügen ist?
Eine sehr interessante Frage! Es ist richtig: Jeder fertige Entwurf vermittelt den Anschein, als wäre ihm nichts mehr hinzuzufügen, als gäbe es nichts mehr zu verbessern.
Was sehen Sie als die wichtigste Aufgabe eines Designers an?
Den richtigen Weg zu finden, das heißt: Die eigentliche Aussage des Entwurfes so zu gestalten, dass auch andere ihn verstehen. Allerdings erschließt sich aber nur dem Designer selbst die volle Bedeutung seines Entwurfs.
Beschreiben Sie Ihr Lieblings-Designstück!
Mit der richtigen Inspiration als Grundlage wird jeder Entwurf, an dem ich arbeite, zu meinem Lieblingsentwurf. Das ist wie eine aufregende Schatzsuche, die viel Schönes und Unerwartetes hervorbringt.
Haben Sie eine persönliche Lieblingsfarbe?
Meine Lieblingsfarbe ist Weiß. Weiß ist eine freundliche Farbe, die völlig problemlos mit allen anderen Farben auskommt.
Aus welchem Stoff sind Ihre Träume?
Meine Träume bestehen aus fünf Worten: Spaß, Genuss, Interesse, Teilen und Überraschung.
In Ihren Entwürfen findet sich oft ein Schwan, der seine Schwingen ausbreitet. Wie wichtig ist für Sie die romantische Welt der Poesie?
Ja, auch das habe ich im Kopf. Ich glaube, wenn Frauen zu einer Party gehen, haben sie auch romantische Gefühle - und sie erwarten, dass sie die nächsten Stunden genießen werden.
Wie gehen Sie mit dem Attribut "sexy" um?
Menschen bestehen aus Gefühlen. Wenn ich einen Entwurf anfertige, behalte ich den Charakter und die Gefühle der Menschen im Auge. Ich überlege mir immer, was die Menschen, die meine Entwürfe tragen werden, sich wünschen, und manchmal versuche ich mir vorzustellen, dass ich dieser Mensch bin. Ein Entwurf ist keine Sache, er ist voller Leben und natürlich kann die erotische Ausstrahlung eines Kleidungsstücks sich auf die Person, die es trägt, übertragen.
Was ist Ihrer Meinung nach für die Modeindustrie in den kommenden Jahren entscheidend?
Umweltschutz wird auch in den kommenden Jahren ein wichtiges Thema sein. Es ist ein gutes Verkaufsinstrument, neue Ideen für die Verwendung von umweltfreundlichen Materialien zu entwickeln. Außerdem wäre es gut, den Akzent bei einer Kollektion mehr auf den persönlichen Touch zu legen und nicht nur streng den Trends zu folgen.
Haben Sie die Freiheit, bei Norintra zu experimentieren und zu lernen?
Das kommt darauf an: Wenn Kunden spezifische Vorgaben haben, die ich genauestens eins zu eins umsetzen soll, dann bleibt nur wenig Freiraum für die eigene Kreativität. Werde ich jedoch aufgefordert, das umzusetzen, was sich die Kunden vorstellen, bin ich aktiv tätig und verfüge über einen entsprechenden kreativen Freiraum.
Empfinden Sie es als schwierig, als Designer für ein Unternehmen zu arbeiten und Objekte zu kreieren, die Ihre persönliche Note tragen?
Das ist für mich überhaupt kein Problem. Wenn ich für ein Unternehmen arbeite, dann besteht meine Rolle darin, Entwürfe zu kreieren, die die Anforderungen der Company erfüllen. Ich achte immer darauf, dass ich verstehe, was der Kunde tatsächlich haben möchte; dabei ist es wichtig zu wissen, wie ich persönliche Vorstellungen und Kommentare zu filtern habe. Aber es ist durchaus möglich, den persönlichen Touch mit dem Unternehmens-Design zu vereinen und daraus einen Unternehmens-Touch zu schaffen. Designer, die ausschließlich ihre eigene Mode kreieren wollen, sollten das unter ihrem eigenen Label tun. Die meisten Designer sehen sich übrigens nicht nur als Designer, sondern auch als Künstler.
Folgen Ihre Kreationen den Trends oder setzen Sie die Trends selbst?
Da meine Kreationen bei Norintra nicht für mein persönliches Label bestimmt sind, orientiere ich mich zuerst an den vom Kunden vorgegebenen Kriterien und stimme meine Arbeit darauf ab, um die entsprechenden Anforderungen zu erfüllen.
Inwiefern stellt Ihre Arbeit bei Norintra eine Herausforderung für Sie dar?
Im Weg von null bis zur Verwirklichung des Entwurfs steckt das Herzblut eines jeden Designers. Mit Norintra ist das ähnlich: Das Unternehmen wurde erst im März 2007 gegründet - von null auf jetzt. Ich sehe hier unzählige Möglichkeiten und Chancen, um mich zu verwirklichen.
Dr. Alexandra Hildebrandt ist Leiterin Kommunikation Gesellschaftspolitik bei der Arcandor AG.
Foto: � Norintra. House of Fashion
Kontakt:
Norintra. House of Fashion
Annett Koeman, Director
Room 1203-06, 12/F, One Peking
1 Peking Road
TST
Hongkong (SAR)
Tel.: +852 (3793) 6289
annett.koeman@norintra.com
Arcandor AG
Dr. Alexandra Hildebrandt
Leiterin Kommunikation Gesellschaftspolitik
Theodor-Althoff-Straße 2
D-45133 Essen
Tel.: +49 (0)201/727-96 62
Fax: +49 (0)201/727-69 96 62
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