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Pagel: Als wir angefangen haben, sogenannte Gastarbeiter zu rekrutieren, hat man Menschen völlig unterschiedlicher Kulturen nach Deutschland geholt. Ohne zu bedenken, dass diese Menschen bleiben und Familien haben werden. Keine Rede von Integration damals. Das war ein falscher Einstieg: Gäste lässt man in der Regel nicht arbeiten! Dennoch mussten sich Unternehmen früh mit Diversity beschäftigen, weil am Arbeitsplatz ganz unterschiedliche Mentalitäten und kulturelle Hintergründe aufeinandertrafen und Konflikte gelöst werden mussten. Deshalb ist die Wirtschaft teilweise weiter als die restliche Gesellschaft.
Jablonski: Deutschland macht Geschäfte mit der Welt, und interkulturell haben wir sicherlich noch einige Herausforderungen vor uns. Aber hinken wir wirklich hinterher? Vielleicht gegenüber manchen angelsächsischen Ländern. Nicht jedoch im Vergleich etwa zu Spanien, wo es zwar eine gute Gesetzgebung zur Vielfalt gibt, aber in Unternehmen sehr wenig gemacht wird. In Italien finden wir kaum Berater zum Thema Diversity. In Finnland gibt es nicht einmal eine nennenswerte gesellschaftliche Debatte. Bei uns beginnt das Gespräch darüber. Immerhin.
Hardenberg: Wir heißen Deutsche Bank, sind aber ein globales Institut: Wir beschäftigen Menschen aus über 130 Nationen in 75 Ländern. Wir haben kulturelle Vielfalt gleichsam in unserer DNA eingebaut. Der zweite Grund, sich mit dem Thema intensiv zu beschäftigen, sind unsere Kunden. Deren Bedürfnisse sind ebenfalls kulturell sehr vielfältig, und darauf gehen wir mit verschiedenen Konzepten und Produkten ein. Unter dem Namen "Bankamiz" hat die Deutsche Bank beispielsweise ein spezielles Beratungskonzept für türkische und türkischstämmige Kunden entwickelt, das bundesweit bislang in 26 Filialen angeboten wird. Die Kunden werden dort von zweisprachigen Beratern über das spezielle Leistungsangebot informiert. Die Beratung ist auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe zugeschnitten, Werbung und ausgewählte Produktbroschüren stehen auch in türkischer Sprache zur Verfügung. Ein Beispiel für kulturspezifische Produktangebote ist sicher "Islamic Banking". Solche Angebote werden vor allem im Nahen und Mittleren Osten verstärkt nachgefragt.
Schwarzenbart: DaimlerChrysler macht in über 100 Ländern dieser Welt Geschäfte. Deshalb brauchen wir Menschen in unseren Reihen aus vielen Ländern, mit vielfältigen kulturellen Kompetenzen. Nur so verstehen wir die Märkte in diesen Ländern. Aber auch hierzulande: Wir haben einen Mangel an Fachkräften. Wir sollten die Einwanderungsbedingungen für noch qualifiziertere Fachkräfte vereinfachen, um dieses Defizit auszugleichen. Gleichzeitig bedeuten mehr Migranten, dass ein gutes Diversity Management immer wichtiger wird.
Schwarzenbart: Management von Vielfalt braucht ein klares Commitment in der Chefetage. Bei DaimlerChrysler ist das gegeben. Sowohl aus wirtschaftlichen Gründen, als auch um soziale Verantwortung zu übernehmen. Die aktuellen gesellschaftlichen Debatten fordern von uns klare Programme wie Corporate Social Responsibility, das hat unser Thema Diversity stark unterstützt. Ich persönlich fühle mich davon ermutigt, manchmal sogar ein bisschen getrieben. Das Ziel lautet, noch schneller dafür zu sorgen, dass wir die Vielfalt bekommen, die wir brauchen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig abzusichern. Bei uns im Unternehmen gibt es einen regelrechten Hype: Diversity Management wird als wichtiges Instrument gesehen, um den notwendigen Kulturwandel zu beschleunigen.
Hardenberg: Auch bei uns erlebe ich einen Boom des Themas. Diversity ist kein Nischenthema. Wir haben zwar schon 1999 mit Diversity Management begonnen. Aber erst in den letzten Monaten wird auch dem Business immer deutlicher, welcher Mehrwert, welches Potenzial im Diversity Management steckt. Eine vielfältig zusammengesetzte Belegschaft und Führungsebene ist ein echter Wettbewerbsfaktor. Hierdurch wird erst die Voraussetzung geschaffen, die gesamte Vielfalt unserer Kunden erfolgreicher bedienen zu können. Im Ausland wird die Bank in der Regel von einem nationalen Management geführt und dieses wiederum von einem globalen Management unterschiedlicher Nationalitäten. Damit sichern wir gleichzeitig das lokale Know-how und die internationale Expertise in unserem Management.
Jablonski: Die Unternehmen, die hier mit am Tisch sitzen, leisten sich Diversity Management nicht als "Cinderella-Funktion" - also "nice to have". Die meinen das ernst. Deswegen gab es auch die Initiative der "Diversity Charta", die wir gemeinsam gestartet haben. Darin werden Unternehmen aufgefordert, Vielfalt als Geschäftsvorteil zu entdecken. Als Wettbewerbsfaktor. Als Kundenorientierung. Als Verantwortung für die eigene Belegschaft und auch der Gesellschaft gegenüber.
Pagel: Wir beschäftigen bei der Telekom immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund. Um die müssen wir uns kümmern und auch die anderen Beschäftigten für einen offenen Umgang sensibilisieren. Da auch wir in über 70 Ländern aktiv sind, ist Diversity Management schlichtweg eine Frage des Geschäftserfolges. Und drittens: Acht Prozent Menschen mit Migrationshintergrund heißen für uns acht Prozent mögliche Kunden. Für die müssen wir teilweise spezielle Produkte entwickeln.
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Pagel: Nein, es geht vielmehr darum, dass beispielsweise Studenten von Betriebswirtschaft oder Marketing auf den Umgang mit Diversity gar nicht vorbereitet werden. Denen muss vermittelt werden, wie konkret ökonomischer Erfolg davon abhängt. Ein Beispiel war unser Programm "Frauen ans Netz". Dabei wurden 180.000 Frauen in Deutschland, mit und ohne Migrationshintergrund, an Computern geschult. Das war nicht nur ein Image-, sondern auch ein Verkaufsgewinn. Oder wir schauen, wo denn unsere Filialen liegen, die T-Punkte. Wir müssen sicherstellen, dass etwa in Berlin-Kreuzberg Personal arbeitet, das Türkisch spricht und in dieser Kultur zu Hause ist. Damit zeigen wir Respekt gegenüber unseren Kunden.
Schwarzenbart: Manche glauben, dass Diversity jetzt hochkommt und als Thema in fünf Jahren wieder erledigt ist. In Wirklichkeit wird es den globalen Wettbewerb permanent begleiten. Damit kommen wir als Diversity Manager aus der sozialen Ecke raus.
Hardenberg: Diversity Management verstehen wir als laufende Verpflichtung und nicht lediglich als ein Projekt, um die sich daraus ergebenden Chancen für uns nutzen zu können. Wir begleiten die internen und externen Veränderungsprozesse, die heute in immer kürzeren Zyklen verlaufen. Und das wird auch so bleiben. Wir müssen permanent auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen reagieren, etwa auf die demografische Entwicklung und die weitere Globalisierung, was unsere Belegschaft als auch unsere Kunden betrifft.
Jablonski: Ich sehe Diversity Management als ein Instrument, das ich ähnlich wie das Qualitäts- und das Change Management einsetze. Der Managementansatz liegt darin, den Einfluss von Vielfalt auf das Geschäft zu analysieren und Prozesse darauf auszurichten. Es geht auch darum, welche Teile der Bevölkerung arbeiten, leben, kaufen in welcher Weise? Das kann etwa das Marketing inspirieren. Beispielsweise bei der Frage, welche Kundengruppe mit welcher Einstellung zur Tankstelle fährt. Wenn wir feststellen, dass im Allgemeinen Frauen nicht gerne zur Tankstelle fahren, dann müssen wir die Tankstellen anders gestalten. Wir wissen aus Umfragen, das viele Frauen helle und saubere Tankstellen bevorzugen und an unseren Aral-Stationen haben wir darauf reagiert. Oder wieder das Beispiel Berlin-Kreuzberg: Wenn dort ein türkischer Pächter eine Tankstelle betreibt, wird der ein ganz anderes Zeitungs- und Lebensmittelsortiment aussuchen als in einer Münchner Villengegend. All das sind neue Perspektiven, die ins Geschäft einfließen, wenn wir den Aspekt Vielfalt positiv nutzen.
Schwarzenbart: Es muss nicht alles, was gemanagt wird, auch als Management erkannt werden. Wenn wir in den Betriebsrestaurants spezielle Gerichte für unsere Mitarbeiter islamischen Glaubens anbieten oder ihnen Gebetsräume zur Verfügung stellen, dann reicht es mir, dass diese Menschen spüren: Wir sind Teil der Kultur dieses Unternehmens und erfahren Wertschätzung. Wichtig ist allerdings, das entsprechende Denken auch auf der unteren Managementebene zu fördern. Dort werden Entscheidungen vorbereitet, die später dazu führen, dass wir im Topmanagement auch die richtigen Verteilungen haben, ob nun nach Geschlechtern oder ob es um Menschen mit Migrationshintergrund geht. Also müssen wir unten anfangen mit dem ganzen Programm von Trainings, Informationen und Kommunikation.
Hardenberg: Unsere Bank ist nach Bereichen und in diesen über Ländergrenzen hinweg organisiert. Deshalb haben wir viele Teams, die virtuell zusammenarbeiten und die kulturell sehr vielfältig besetzt sind. In manchen Teams sind zum Beispiel Mitglieder aus New York, aus Bangalore und aus Berlin. Diese Teams müssen wir unterstützen, damit sie angesichts ihrer kulturellen Unterschiedlichkeit gut kooperieren können. Dieses geschieht mit Cross Cultural Workshops und Angeboten im Intranet, dem sogenannten Cross Cultural Navigator. Dort lernen sie etwas über Unterschiede im beruflichen Alltag. Schauen Sie doch mal, wie unterschiedlich Meetings in verschiedenen Ländern ablaufen. Es gibt Kulturen, da wollen Menschen ausgiebig diskutieren, und andere, in denen man schnell zu Entscheidungen kommen möchte. In einigen Ländern wird im Meeting entschieden, in anderen beim Essen vorher oder beim Drink danach. Wer diese Unterschiede nicht kennt und konstruktiv zu nutzen weiß, wird Konflikte haben, sich vielleicht gekränkt fühlen und entsprechend reagieren. Oder der Stil in E-Mails. Wenn wir Deutschen in bekannt direktem Ton einem Partner in den USA eine Erinnerung schreiben, er habe gestern nicht pünktlich geliefert, kann der sich, weil dort ein anderer Umgangston herrscht, leicht brüskiert fühlen. Hier müssen wir die Sensibilität für andere Mentalitäten auf beiden Seiten schärfen.
Pagel: Wir haben ein E-Learning-Tool in drei Sprachen entwickelt, das Beschäftigte egal welcher Führungsebene abfragen können. Dort finden sie solche kulturellen Unterschiede beschrieben.
Jablonski: Bei der BP ist Diversity Management von einer starken Verpflichtung des globalen Managements initiiert und unterstützt. In unserem Top-down-Prozess wird in diesem Jahr die nächste Managementebene, die "Top 6000", involviert und verpflichtet. Außerdem machen wir Unterschiede in Mitarbeiternetzwerken sichtbar, im Rahmen des Bottom-up-Prozesses. Die Netzwerke machen sensibel für Fragen wie: Womit muss ich mich auseinandersetzen, wenn ich in Aserbaidschan tätig bin? Wenn ich muslimische Geschäftspartner habe? Welche Feiertage gibt es? Die Verteilung interkultureller Kalender und das Wissen um die Bedeutung der Feiertage vermeiden, dass Meetings oder Konferenzen auf Feiertage Andersgläubiger gelegt werden oder dass ein Projektabschlussessen im Ramadan ohne den muslimischen Kollegen stattfindet.
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Hardenberg: Ja, man muss darauf achten, keine Schubladen aufzuziehen. Bei Diversity Management geht es darum, Menschen ganz umfassend für Unterschiedlichkeit und deren positive Seiten zu sensibilisieren.
Jablonski: Der erste Schritt besteht darin, sich überhaupt erstmal bewusst zu machen, dass bei jedem Menschen Stereotype wirken, und dann zu fragen, wie damit umgegangen werden kann. Letztendlich geht es darum, den Menschen, der vor mir sitzt, so zu sehen, wie er tatsächlich ist - nicht überlagert von irgendwelchen Schablonen. In der Fähigkeit, sich auf andere Menschen gut und schnell einzustellen, sehe ich eine wichtige Zukunftskompetenz für Unternehmen. Denn bei der Geschwindigkeit, mit der heute fusioniert und "entfusioniert" wird, überall auf der Welt, ist diese Kompetenz ein entscheidender Vorteil.
Hardenberg: Beim Umgang mit dem Anderssein braucht man auch den Mut, sein Gegenüber etwas Persönliches zu fragen - beispielsweise nach der Herkunft seines Namens, nach seinen Essgewohnheiten, nach religiösen Geboten. Das trauen sich viele nicht. Wir müssen Menschen ermutigen, Unsicherheit im Umgang mit kulturellen Unterschieden zu überwinden und offen auf andere zuzugehen.
Jablonski: Diversity Management bei BP basiert auf einem Modell mit vier Stufen kultureller Fähigkeiten. Erstens die unbewusste Inkompetenz - ich weiß nicht, dass ich was falsch mache. Dann die bewusste Inkompetenz - ich weiß, dass ich ein Problem habe, aber noch keine Lösung. Dann ist Hilfestellung wichtig, um auf die nächste Stufe zu kommen: die bewusste Kompetenz; dort kenne ich einen Katalog von Möglichkeiten, mit Vielfalt umzugehen. Auf der letzten Ebene, der unbewussten Kompetenz, ist der sensible, offene Umgang mit dem anderen in Fleisch und Blut übergegangen.
Schwarzenbart: Vor zehn Jahren noch organisierte sich Arbeit in einem kleinen, zwischenmenschlich überschaubaren Rahmen. Aber heute telefonieren Manager morgens mit China, warten mittags darauf, dass die Amerikaner aufwachen, schicken abends Projekte zur Weiterbearbeitung nach Indien. Die Außenkontakte, die so jemand zu pflegen hat, sind vielfältiger denn je. Und deshalb ist es nicht mehr egal, wenn in China der sprichwörtliche Sack Reis umfällt. Das Geschehen und die Menschen dort betreffen und berühren mich.
Pagel: Aber auch dort, wo Mitarbeiter am meisten mit Herrn Huber und Frau Maier zu tun haben, profitieren sie von einem Management, das für Unterschiede sensibilisiert worden ist. Auch sie erfahren dann mehr Akzeptanz und Wertschätzung.
Jablonski: Die Medien prägen leider oft Stereotype und stürzen sich auf Probleme. Es gibt viel zu wenige Beiträge, die auf sensible Weise kulturelle Unterschiede sichtbar machen. Deshalb frage ich mich: Wie ist es eigentlich um kulturelle Kompetenz bei den Redakteuren und Verlegern selbst bestellt? Da gibt es vermutlich noch große Herausforderungen.
Pagel: In vielen Medien wird von "den Türken" und "den Russen" gesprochen. Stereotype! Da wird nicht differenziert nach ganz unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und Lebensstilen innerhalb einer Nationalität. Das ist oftmals eindimensional.
Hardenberg: Eine Diskussion in der Öffentlichkeit und in den Medien könnte dazu beitragen, Vorurteile abzubauen. So sind beispielsweise Initiativen wie die "Charta für Vielfalt", die wir mit der Bundeskanzlerin Merkel und Staatsministerin Böhmer ins Leben gerufen haben, bislang noch relativ unbekannt. Sie eignen sich aber als Grundlage für eine sehr breite, konstruktive und zukunftsweisende Diskussion des Themas.
Jablonski: Ich freue mich darüber, dass Unterhaltungsmedien unsere Themen aufgreifen. Etwa wenn sie in Serien das Zusammenleben von Deutschen und Türken positiv beschreiben. Oder Menschen mit Behinderung oder Homosexuelle in Vorabendserien vorkommen. Das sind populäre Formate, die durchaus den Diversity-Gedanken unterstützen.
Pagel: Hierarchie ist nicht das Problem. Es geht darum, Menschen zu integrieren und ihnen Wertschätzung und Respekt zu zeigen. Als Resultat haben Sie zufriedenere Mitarbeiter, und die sind motivierter und produktiver, sie werden erwiesenermaßen seltener und kürzer krank. Das ist eine Win-win-Situation zwischen Unternehmen und ihren Mitarbeitern.
Jablonski: Unternehmen sind sicher hierarchisch organisierte Institutionen. Diversity Management soll sicherstellen, dass ganz unterschiedliche Informationen und Perspektiven in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Einseitig gefällte Entscheidungen haben in der Vergangenheit in der Wirtschaft immer wieder zu teuren Irrwegen geführt. Heute schaffen wir heterogenere Teams und bekommen tragfähigere Entscheidungen - für einen breiteren Markt, für mehr Zielgruppen, für mehr Länder und das Ganze mit einer breiteren Belegschaft.
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Jablonski: Die Charta der Vielfalt setzt erstmalig einen Standard in Sachen Diversity Management und zeigt den Vorteil für jeden Einzelnen und die Unterzeichnenden auf. Deshalb auch der Titel "Diversity als Chance". Die unterzeichnenden Unternehmen bekennen sich zu den Möglichkeiten von Diversity und nutzen deren Potenziale. Wie die Umsetzung der Charta stattfindet, bleibt den einzelnen Firmen überlassen. Je nach Unternehmensumfeld und Geschäftsstrategie wird es andere Schwerpunkte geben.
Schwarzenbart: Firmen haben mittlerweile erkannt, dass es bei ihnen eine große Vielfalt gibt - aber sie wird oft nicht gut gemanagt. Auf diese Kluft macht die Charta aufmerksam.
Hardenberg: Unsere Initiative zielt nicht nur auf Konzerne, sondern auch auf kleine und mittlere Unternehmen, auf Organisationen, Stiftungen sowie Kommunen und öffentliche Einrichtungen. Überall dort ist im Diversity Management noch viel nachzuholen. Die neu eingerichtete Regiestelle des Bundes, die die Verbreitung der Charta unterstützt, hat sich zusammen mit den Initiativunternehmen zum Ziel gesetzt, die Charta in Deutschland weiterzuverbreiten.
Hardenberg: Ich sehe viel Unsicherheit im Umgang mit dem Anderssein. Sicher sind auch die Defizite im Bereich der Bildung ein Grund für mangelnde Integration, gerade in diesem Bereich haben wir in Deutschland viel nachzuholen. Wenn wir nicht endlich unseren Worten Taten folgen lassen, wird dieses Problem noch wachsen. Dafür spricht auch die demografische Entwicklung. Deshalb engagieren sich die Unternehmen, die hier am Tisch vertreten sind, auch für Bildungsprojekte.
Jablonski: Das Problem lässt sich nicht nur auf den Ausländeranteil in der Verwaltung reduzieren. Wir müssen weiter gehend infrage stellen, was überhaupt Deutschsein heißt? Nach wie vielen Generationen, die hierzulande geboren sind, zählt jemand als Deutscher? Bedeutet "deutsch" Eisbein und Sauerkraut - oder nicht auch Pizza oder Döner? Kann ich als deutscher Muslim wahrgenommen werden? Auf Ihre Frage nach der Angst vor dem Fremden: Ich glaube, die Deutschen sind neugierig, fahren gern ins Ausland, werden Reiseweltmeister genannt; haben also keine Angst vor anderem. Aber dennoch muss man Bedrohungsgefühle ernst nehmen.
Pagel: Vielleicht hängen unsere Berührungsängste auch mit unserer Vergangenheit zusammen, insbesondere mit der Nazizeit. Dort sehe ich auch die Wurzeln eines anderen Diversity-Themas, die Frage der Kindererziehung. Immer noch tun sich Frauen schwer, Kind und Karriere miteinander zu vereinbaren, gelten Männer, die zu Hause bleiben, als "lahme Enten". Das sind Relikte aus einer Vergangenheit, die noch nicht komplett aufgearbeitet wurde.
Schwarzenbart: Deutsche sind ein bisschen verkrampfter als andere Kulturen im Umgang mit Andersartigkeit. Aufgrund unserer fremdenfeindlichen Vergangenheit gibt es einen Hang zur politischen Korrektheit. Wir versuchen, Unsicherheiten zu vermeiden. Und bevor man unsicher wird in der Begegnung mit Menschen anderer Kulturen, macht man lieber einen Bogen um sie.
Hardenberg: Dazu reicht es nicht, im Unternehmensmagazin darüber zu schreiben oder Angebote im Intranet darzustellen. Sondern wir brauchen Workshops und Trainings, und das Thema muss auch Teil solcher Maßnahmen werden. Ferner muss es in der Unternehmenskultur verankert werden.
Pagel: Das ist auch eine Führungsaufgabe aller Manager. Sie haben Vorbildfunktion. Deshalb müssen sie einen offenen, vorurteilsfreien Umgang mit andersartigen Menschen vorleben. Das Gleiche erwarte ich übrigens auch von Politikerinnen und Politikern.
Hardenberg: Genau. Man muss nicht tapfer seine Unsicherheit überspielen. Wir müssen die Menschen ermutigen, eigene Ängste, eigenes Unwohlsein wahrzunehmen, zu äußern und damit umzugehen.
Jablonski: Wir kennen das vom Change Management. Veränderungen sind immer mit Ängsten verbunden; in der Regel Verlustängste. Es bringt nichts, solche Ängste zu verdrängen, denn irgendwann machen sie sich Luft. Viel konstruktiver ist es, bewusst mit der Angst umzugehen. Wir müssen die persönliche Kompetenz schulen, Unsicherheiten auszuhalten und zu überwinden. Der direkte Kontakt mit dem, was Angst macht, ist der erste Schritt, und in der Regel wird dabei festgestellt, dass die Angst durch eigene Vorstellung beziehungsweise Stereotype hervorgerufen wurde.
Pagel: Wir wollen darauf achten, unsere Belegschaft noch stärker zu internationalisieren. Das Zweite ist Generationenmanagement, bei dem wir uns stärker als bisher mit der demografischen Entwicklung auseinandersetzen. Außerdem streben wir noch weit mehr an, zum Beispiel Frauen in Führungspositionen zu bekommen. Wir hätten gern endlich mal DAX-Unternehmen, die eine Frau im Vorstand haben.
Jablonski: Ich wünsche mir, dass die Bewusstseinswelle für Vielfalt und die Chancen von Vielfalt noch mehr Institutionen erfasst, also auch Medien und Universitäten.
Hardenberg: Obwohl wir Diversity bei der Deutschen Bank seit fast acht Jahren auf der Agenda haben, wünsche ich mir noch mehr Mitverantwortung von Führungskräften und Mitarbeitern. Jeder sollte überlegen, was er selbst beitragen kann, statt auf die Diversity-Managerin zu warten.
Schwarzenbart: Mehr Frauen in die Vorstände! Das wird echt Zeit. Und wir brauchen mehr Frauen in technischen oder Ingenieurberufen, um dort mehr Vielfalt zu bekommen. Außerdem hoffe ich, dass die Diversity Charta in den nächsten zwölf Monaten richtig durchstartet und es in Deutschland eine breite Diskussion über kulturelle Vielfalt gibt.
Deutsche BP
www.deutschebp.de/subsection.do?categoryId=2012309&contentId=2018338
DaimlerChrysler
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Deutsche Telekom
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Deutsche Bank
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Peter FelixbergerPeter Felixberger ist Publizist, Buchautor und Medienentwickler.
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Michael GleichMichael Gleich, Publizist, Stroryteller und Redner, hat 2011 "der kongress tanzt. Netzwerk für gute Veranstaltungen" initiiert. Es berät Veranstalter darin, Konferenzen und Foren als lebendige Lernorte zu gestalten.