Diese auf moralischen Werten basierenden zivilisatorischen Errungenschaften scheinen immer dann nicht mehr viel zu gelten, wenn die besagten amerikanischen Freunde aus den Consulting-Firmen oder Investmentbanken mit ihrer Effizienzfixierung in die Unternehmenswelt von "old Europe" kommen. Dabei ist es ziemlich gleichgültig, ob der amerikanische Manager aus Wisconsin oder aus Westfalen stammt, ob er in Massachusetts oder München studiert hat. Denn: "Der begeisterten Übernahme des American Way of Life in weiten Teilen des Alltags folgt nun die unreflektierte Einführung des American Way of Management in den Unternehmen", hat Ulrike Reisach beobachtet. Ihre langjährigen Erfahrungen mit Deutschen und Amerikanern in der "Amerikanisierungsfalle" hat sie nun detailliert in ihrem gleichnamigen Buch beschrieben. Die promovierte Betriebswirtin Reisach weiß, wovon sie schreibt, wenn sie die Amerikanisierung der Wirtschaft geißelt: Sie ist Direktorin der Strategieabteilung eines deutschen Großunternehmens.
Fluch des Kurzfristdenkens.
Reisach verbreitet keine
antiamerikanischen Ressentiments, wenngleich ihre Analyse des
amerikanischen Managements gnadenlos ist. Aber Fakten sprechen
nun einmal für sich - und Amerikaner lieben harte Fakten, wie
Reisach feststellt: Amerikanische Manager stützen sich auf
Kennzahlen und Statistiken, sind fixiert auf die
Effizienzsteigerung, ausschließlich an kurzfristigen Gewinnen und
schnellem persönlichem Wohlstand interessiert, sind
machtorientiert, strebsame Karrieristen, keine
verantwortungsbewussten Mitunternehmer der Firma. Der von Reisach
beschriebene Typ des amerikanischen Managers ist rein an
individuellen Zielen orientiert - und damit gleichsam eine
gesellschaftliche Pest und ein wirtschaftlicher Fluch - auch wenn
die Autorin es in dieser Deutlichkeit nicht schreibt, sondern
differenziert und sachlich argumentiert. Dennoch: Wer nur
kurzfristig mit einem Dreijahresvertrag für ein Unternehmen
arbeitet, muss in dieser Zeit für sich rausholen, was geht. Er
entwirft keine langfristige Strategie für das Unternehmen, der er
seine Planung unterwirft und nach deren Maßgabe er seine
Mitarbeiter führt. Da Amerikaner extrem mobil sind und für ihre
Karriere alle paar Jahre umziehen, entwickeln sie auch kein
nennenswertes Verantwortungsgefühl für die Umwelt oder
Gesellschaft. Soziale Ungleichheiten muss der freie Markt
ausgleichen.
Reisach zufolge wurzeln diese Mentalität und das
kurzfristige Denken des US-Managements in der Geschichte der USA.
Die USA wurden erobert, das Land wurde der Natur und den
Ureinwohnern ohne Kompromisse abgerungen. Wer nicht kämpfte, ging
unter. Der jahrhundertelange Existenzkampf war zudem durch einen
protestantischen Fundamentalismus religiös abgesichert. Denn die
Puritaner wie all ihre nachfolgenden protestantischen
Religionsgemeinschaften sehen Arbeiten und Ansammeln von Geld als
gottgefällig an. Ja, die Jagd nach Erfolg ist geradezu
kollektiver Auftrag der US-Amerikaner, wie schon die
Gründungsväter der USA in der Unabhängigkeitserklärung festgelegt
haben. Zu den von Gott gegebenen unveräußerlichen Rechten eines
jeden Amerikaners gehören demnach das Recht auf Leben, auf
Freiheit und der "pursuit of happiness" - das persönliche Streben
nach Glück.
Unter dem Primat des Shareholder-Value.
Wirtschaftlich sind die Amerikaner
mit dieser Haltung erfolgreich. Doch die Frage ist, wie lange ein
Wirtschaftssystem bestehen kann, das einzig auf Ausbeutung von
menschlichen und natürlichen Ressourcen basiert. Statt eine
naheliegende globale Antwort zu geben, zeigt Ulrike Reisach, dass
bereits einzelne Firmen unter dem kurzfristigen Handeln
amerikanischer Manager leiden. Da sie sich ausschließlich am
Kapitalmarkt orientieren, optimieren sie Unternehmen, bis deren
Aktienkurs auf höchste Höhen gestiegen ist - um dann eine
marktuntaugliche Unternehmensleiche zurückzulassen. Aber warum in
die Ferne schweifen? Erst jüngst erlebte die deutsche
Öffentlichkeit, wie amerikanische Managementmethoden die
Handy-Sparte von Siemens in die BenQ-Katastrophe schlittern
ließen. "Die langfristige Ausrichtung an einem sinn- und
identitätsstiftenden Unternehmensziel ist nur noch ein Relikt von
gestern", schreibt Ulrike Reisach - und meint damit wohl auch
ihren Arbeitgeber, der in ihrem Buch selbstverständlich nur am
Rande auftaucht.
Gerade in den großen Konzernen laufen die Manager seit
Jahren in die Amerikanisierungsfalle, übernehmen unreflektiert
die Methoden ihrer US-Kollegen und zerstören die aus der
deutschen Mentalität erwachsenen Werte. Dabei bringt das Abgucken
von fremdländischen Managementmethoden eigentlich nie langfristig
nennenswerte Erfolge. Erinnert sich noch jemand an Kaizen? Das
ist die Futon-Rolle des Managements. Japanische Manager hatten
mit dieser Methode der permanenten Verbesserung ihre Industrie
nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut. Kaizen ist dabei weniger
eine Erfindung der Japaner gewesen als vielmehr Produkt der
japanischen Mentalität und der zenbuddhistischen Geisteshaltung.
Japanische Manager und Arbeitnehmer kannten nichts anderes, für
sie ist die ständige Verbesserung so normal wie für deutsche
Handwerker die ehrbare Tradition. Amerikanische und europäische
Manager erhoben die Methode dann einige Jahre später zum Kult und
verpflanzten sie in die Fertigungshallen ihrer Fabriken - und
bekamen unternehmerische Bandscheibenvorfälle. Denn weder Kaizen
noch Futon-Matratzen passen zu den europäischen
Lebensgewohnheiten.
Das Beste aus zwei Welten.
Da die USA den Deutschen traditionell näher sind, als Japan es je sein wird, werden die amerikanischen Manager noch länger in der deutschen Wirtschaft mitreden. Wie gesagt - der amerikanische Manager kann auch aus Frankfurt stammen. Die Aufgabe für wirklich unternehmerisch denkende Führungskräfte liegt also darin, das Beste aus zwei Welten zu vereinen: Die deutsche Gründlichkeit mit dem amerikanischen Pragmatismus verbinden, die hiesige Expertenkultur mit der US-Flexibilität vereinen, das deutsche Verantwortungsbewusstsein und die amerikanische Risikofreude zusammenbringen. Deutsche Manager könnten aus einem riesigen Fundus aus Wissen und Erfahrung schöpfen, wenn sie sich von der kritiklosen Bewunderung des entfesselten Kapitalismus amerikanischer Prägung verabschieden würden. Um eine derartige eigenständige Denkleistung zu schaffen, sollten sie sich allerdings auf eine Tradition ihrer amerikanischen Freunde besinnen: den Stolz auf das eigene Land. Die Amerikaner wissen auf jeden Fall genau, was sie an Deutschland haben, wie Ulrike Reisach in ihrer lesenswerten und klaren Analyse des heutigen Managements in deutschen Konzernen schreibt. One more fact: "Zwar werden die boomenden Märkte in China und Indien hoch gelobt, faktisch aber fließen mehr als doppelt so viele amerikanische Investitionen nach Deutschland. Amerikanische Firmen haben in Deutschland mehr investiert als in irgendeinem anderen Land der Welt."
Ulrike Fokken ist freie Mitarbeiterin bei changeX.
Ulrike Reisach:
Die Amerikanisierungsfalle.
Kulturkampf in deutschen Unternehmen,
Econ Verlag, Berlin 2007,
282 Seiten, 19.95 Euro,
ISBN 978-3-430-20007-3
www.econ.de
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Ulrike Reisach: Die Amerikanisierungsfalle. Kulturkampf in deutschen Unternehmen.. Econ Verlag, Berlin 1900, 282 Seiten, ISBN 978-3-430-20007-3
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