Wo so viel Spaß am willkürlich Zusammengestellten zutage tritt, durfte die Wirtschaft nicht fehlen. So hat sich die Redaktion des Economist darangemacht, Wissensschnipsel aus der Welt der Wirtschaft zusammenzutragen. Nun ist das Business Miscellany in einer ergänzten und auf die hiesige Wirtschaft zugeschnittenen deutschen Fassung erschienen. "Auch das noch!", werden die Kritiker der zwischen Buchdeckel gefassten Beliebigkeit aufstöhnen. Ihnen sei entgegengehalten: Sammelsurien sind ein subversiver Reflex auf das Paradox des Wissens in der Wissensgesellschaft. Alle fünf bis sieben Jahre verdoppelt sich das weltweit verfügbare Wissen - und sprengt die menschlichen Speicherkapazitäten. Je mehr sich das Wissen aufbläht, desto weniger wissen wir. Und was wir wissen, ist notwendigerweise unvollständig, bruchstückhaft und von schnellem Verfall bedroht. Die so beliebig erscheinenden Sammelsurien sind somit nur eine - teils durchaus ironische - Reaktion auf das offensichtliche Scheitern enzyklopädischen Bemühens.
"Beiß die Wachskaulquappe".
So ist das im
Wirtschaftssammelsurium zusammengetragene Wissen zwangsläufig
bruchstückhaft und bleibt manchmal auf hanebüchene Weise
oberflächlich - da aber Kürze die Voraussetzung für die
dargebotene bunte Vielfalt ist, liegt darin gerade der Reiz:
Etwas zu lernen, aber möglichst etwas Überraschendes. Und eben
nicht zu tief in eine Materie einzutauchen. So erfährt man, dass
die Börse in New York um 9:30 Uhr öffnet und es zu dieser Zeit in
Bombay bereits 20 Uhr ist, entnimmt einer detaillierten
Statistik, dass der Dow Jones Index zwischen 1969 und 2004 eine
Wertsteigerung von 1.185,3 Prozent verbuchen konnte, dass in
Großbritannien der Mindestlohn 44 Prozent des
Durchschnittseinkommens beträgt - sucht aber auf der anderen
Seite viele wirtschaftliche Basisdaten vergeblich. Vielmehr lernt
man, dass Bertelsmann täglich 1,25 Millionen Bücher verkauft,
Coca-Cola hingegen 1,3 Milliarden Getränke und dass McDonald's in
30.000 Restaurants in 119 Ländern fast 50 Millionen Kunden
abspeist, ebenfalls pro Tag versteht sich. Fragt sich, warum man
das wissen sollte? Gegenfrage: Warum nicht? Letztlich muss der
Leser entscheiden, was für ihn wichtig ist - das ist die Realität
der Wissensgesellschaft.
So kann man sich mit dem Wirtschaftssammelsurium entspannt
zurücklehnen und den dargebotenen Daten, Fakten, Zitaten und
Statistiken einen Sinn abringen - oder eben nicht. Hätten Sie
gewusst, dass der Markenname Volvo aus dem Lateinischen stammt
und "ich rolle" bedeutet? Oder dass Nikon eine Abkürzung von
Nippon Kongaku ist, was zu Deutsch ganz banal "japanische Optik"
heißt? Oder dass Coca-Cola bei der Markteinführung der braunen
Brause in China ziemlich danebenlangte? Das Unternehmen wählte
Schriftzeichen, die phonetisch wie der englische Produktname
klangen - dummerweise aber mit "beiß die Wachskaulquappe" eine
gänzlich andere Bedeutung hatten.
Firmengründung leicht gemacht.
Viele der Wissenssplitter regen zum
Schmunzeln an, andere zum Nachdenken. Zum Beispiel dass eine
Firmenneugründung in Deutschland mit 45 Tagen länger dauert als
in Burundi, wo man mit 43 Tagen hinkommt. Am längsten muss man in
Laos warten, bis man sich Unternehmer nennen darf; 198 Tage
dauert es dort, wobei die Zahl der einzelnen Abläufe zur
Registrierung einer neuen Firma mit neun genauso hoch ist wie bei
uns. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland denn auch
ziemlich gleichauf mit Albanien, Burkina Faso, Madagaskar und
Nicaragua, wo Gründer einen vergleichbar langen Atem haben
müssen. Am schnellsten zur eigenen Firma kommt man übrigens in
Australien (2 Tage, 2 Vorgänge), in Kanada (3/3) und in Dänemark
(4/4). So schnell kann's gehen.
Dagegen ist Deutschland bei den Unternehmenssteuern spitze.
Zwar wurden diese zwischen 1998 und 2004 um 23,62 Prozent gesenkt
- aber mit einem durchschnittlichen Steuersatz von 38,29 Prozent
rangiert unser Land immer noch im internationalen Spitzenfeld.
Höher werden Unternehmen nur in den USA mit 40 und in Japan mit
42 Prozent besteuert. Unter den Ländern, die ihre Steuersätze
heruntergeschraubt haben, finden sich - wenig überraschend -
viele Globalisierungsgewinner. So hat Irland mit 12,5 Prozent den
niedrigsten Steuersatz, nach einer Senkung um satte 60,94
Prozent. Statt Gewinne besteuert man auf der Insel lieber den
Konsum. Mit einem Umsatzsteuersatz von 21 Prozent liegt das Land
in der internationalen Spitzengruppe. Führend sind Dänemark,
Ungarn und Schweden mit jeweils 25 Prozent Umsatz-
beziehungsweise Mehrwertsteuer.
Murphy's Law im Original.
So kann man aus dem Wirtschaftssammelsurium herauslesen, was einem gefällt und aufschlussreich erscheint - und lernt dabei noch eine ganze Menge an Wissenswertem über das Funktionieren von Wirtschaft. Was aber nutzt es? Statt einer Antwort hier lieber die Originalformulierung von Murphy's Law, wie sie der US-amerikanische Ingenieur Edward A. Murphy 1949 geprägt hat: "Wenn es zwei oder mehrere Arten gibt, etwas zu erledigen, und eine davon kann in einer Katastrophe enden, so wird sich jemand für diese Art entscheiden."
The Economist (Hg.):
Das wunderbare Wirtschaftssammelsurium.
Econ Verlag, Berlin 2006,
270 Seiten, 16.95 Euro,
ISBN 3-430-20004-0
www.econ-verlag.de
Winfried Kretschmer ist leitender Redakteur und Co-Geschäftsführer bei changeX.
© changeX Partnerforum [20.10.2006] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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The Economist (Hg.): Das wunderbare Wirtschaftssammelsurium. . Econ Verlag, Berlin 1900, 270 Seiten, ISBN 3-430-20004-0
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Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.