Die hohe Kunst des digitalen Beziehungsmarketings.
Mangelhaft angewandtes Beziehungsmarketing kann zum Bumerang werden. Viel wichtiger ist es, dass man die menschlichen Aspekte der Kundenbindung nicht vernachlässigt.
Wie man Kunden auf seine Website lockt, hat sich inzwischen herumgesprochen. Sie zu halten und zu Stammkunden zu machen, ist weit weniger einfach. "Kaum zu glauben, wie viel Geld für mangelhaft gestaltete Chatrooms, witzlose E-Mails, 40-Fragen-Profile sowie an Punkteprogramme verschwendet wird, die so reich mit Belohnungen ausgestattet sind, dass sie die Websitebetreiber in den Ruin treiben", spottet Ellen Reid Smith. Sie entwickelte im Auftrag von IBM eines der ersten Kundenbindungsprogramme und hält heute Vorträge und Workshops über das Thema. Ihre Diagnose: Viele Unternehmen verwenden ein Durcheinander von digitalen Kundenbindungstechniken, ohne ein schlüssiges Konzept zu haben. Falsch angewandt, können diese Techniken zum Bumerang werden: So soll es schon Chatrooms gegeben haben, in denen sich erboste User über Produktmängel austauschten und sich dann geschlossen bei der Firma beschwerten. Und ein Chatroom bei einer Firma, deren Dienstleistung nicht genug Stoff für eine Web-Plauderei bietet (Wer will schon über Ketchup reden?) wird eine Geisterstadt bleiben. Smiths Tipp: Lieber keine Chatrooms und Pinboards anbieten, außer man hat eine klare Beziehungsmarketingstrategie, die Themendiskussionen mit Experten umfasst.
Menschliche Faktoren: Nach wie vor wichtig.
Andere Unternehmen führen zwar
originelle Punktesysteme ein, zeigen aber nicht die
Rücksichtnahme und Ehrlichkeit, die nötig sind, um eine
Kundenbeziehung zu den Surfern aufzubauen. Ellen Reid Smith
betont den menschlichen Aspekt digitaler Kundenbindung: Das beste
Rezept ist immer noch, Menschen das Gefühl zu geben, dass man sie
mag und dass man sie respektiert. Vertrauen weckt man im Web,
indem man beispielsweise offen legt, wie man die Kundendaten
verwendet und wie man es mit dem Datenschutz hält.
"Sprechen Sie die Sprache Ihrer Kunden", empfiehlt Smith
und rät dringend dazu, den Unternehmensjargon abzulegen. Einen
intelligenten Dialog, der dem Kunden den Besuch auf der Website
angenehm macht, erreicht man am besten, wenn man die
Informationen personalisiert und gezielt dann anbietet, wenn es
den Wünschen des Kunden entspricht. Beispiel: ein Einkaufskorb,
der schon mit den zuletzt gekauften Produkten gefüllt ist, so
dass man sie mit einem Klick nachkaufen kann. Auch eine Website,
deren Navigation der Surfer nach seinen Wünschen anpassen kann,
damit er schneller zu seinen Lieblingsinhalten gelangt, wird
geschätzt.
Doch so, wie es auch im realen Leben normale Kunden und
"Key Accounts" gibt, so ist auch das Internet keine klassenlose
Gesellschaft. Reid Smiths Tipp: Man sollte seine Website
entsprechend den Bedürfnissen seiner besten Kunden entwickeln.
Richtet man sie auf die Durchschnittskunden aus, erreicht man nur
eines: Man zieht Durchschnittskunden an. Schritt für Schritt
zeigt die Autorin, wie man seine besten Kunden identifiziert,
eine Kundenbindungsstrategie samt Kundenkontaktplan entwickelt,
die existierende Offline-Programme miteinbeziehen, und das ganze
implementiert. Dann bleibt nur noch das Zuhören und Optimieren,
das heißt die Serverlogdaten auszuwerten und den Service immer
besser zu machen. Zum Optimieren gehört natürlich auch, die
Ladezeiten Ihrer Site zu verkürzen. Wie Sie merken, ob sie zu
lang ist? Dafür hat Reid Smith eine nette Faustformel parat:
"Klicken Sie auf die URL und halten Sie den Atem an. Wenn die
Site immer noch lädt, während Sie nach Luft schnappen müssen, ist
die Site zu groß."
Ellen Reid Smith:
Der e-loyale Kunde. Beziehungsmarketing im Internet. Wie Sie
Websurfer zu Stammkunden machen,
Financial Times Prentice Hall 2001, 317 Seiten, 79,95
Mark.
Sylvia Englert, Journalistin und Buchautorin, ist Redakteurin bei changeX.
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