| Folge 21: Jens Krämer über Issues Management. |
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Das muss nicht sein. Unternehmen, die solche Entwicklungen frühzeitig erkennen, können darauf reagieren und Vorkehrungen treffen. Sie können Themen selbst aufgreifen, mit den Interessengruppen in einen Dialog treten, Strategien entwickeln und so die Zukunft selbst mitgestalten. Das ist heute wichtiger denn je. Denn mit der Transparenz der globalisierten Wirtschaft steigt die Bedeutung der Stakeholder. Die Öffentlichkeit fordert mehr Nachhaltigkeit, Verbraucherrechte, mehr "Good Corporate Citizenship", mehr Corporate Governance. Reputation wird zur erfolgskritischen Schlüsselgröße. Zunehmend beeinflussen Themen, die von verschiedenen Interessengruppen der Gesellschaft aufgegriffen und debattiert werden, die Handlungsmöglichkeiten von Unternehmen. Ist Handystrahlung krebserregend? Erlebt die Atomkraft ihr Comeback? Wo liegen die Chancen des demografischen Wandels? Wer hier die richtigen Antworten kennt, ist im Vorteil: im Wettbewerb um Kunden, Investoren, beste Mitarbeiter und Wähler, kurz - um die öffentliche Meinung. Denn immer noch gilt: Nur wer künftige Entwicklungen voraussieht, kann erfolgreich agieren.
Wohldurchdachte Strategie.
Ein zentrales Instrument dafür ist
das Issues Management. Dahinter verbirgt sich mehr als modischer
Schnickschnack. Issues Management bezeichnet eine wohldurchdachte
Strategie. Sie lässt sich leicht definieren: Issues Management
ist der koordinierte Einsatz verschiedener Instrumente, die es
einem Unternehmen oder einer Institution erlauben, in einer
stetig wachsenden Flut von Informationen relevante Themen zu
erkennen, die Chancen und Risiken für das Unternehmen bergen, sie
zu analysieren und schließlich die richtigen Schlüsse für
strategische Entscheidungen und konkrete Handlungen zu ziehen.
Das Ziel: dem Unternehmen eine Zukunft geben. In jedem Fall
bewirkt es ein verbessertes Krisenmanagement, im Idealfall werden
aus Risiken Chancen. Wie kann das aussehen?
Wenn eine Firma beispielsweise vor fünf bis zehn Jahren
erkannt hätte, dass Gesundheitspflege und Krankheitsprävention
ein großes gesellschaftliches Thema werden würden, wenn sie
weiterhin erkannt hätte, dass dadurch ihr eigenes Produkt in die
Kritik geraten könnte, hätte sie Handlungs- und Produktstrategien
entwickeln können, um eine unternehmerische Krise zu vermeiden.
Indem sie sich etwa fragt: Kann ich mein Produkt so verändern,
dass es künftig nicht auf die schwarze Liste kommt? Kann ich mein
Portfolio so variieren, dass ich mich in der Öffentlichkeit
besser präsentieren kann? Indem ich etwa neue Angebote mache.
McDonald's beispielsweise wirbt längst nicht mehr nur mit fetten
Burgern, sondern auch mit leichten Salaten um seine Kunden.
Deutlich wird hier: Durch die langfristige Beobachtung einer
Entwicklung hat ein Unternehmen die Chance, sich vorausschauend
zu verändern.
Eine Entwicklung voraussehen.
Manche Unternehmen nehmen diese
Chance bereits heute wahr. Beispiel Schweizer Banken. Als vor
einigen Jahren heftige Diskussionen über verkappte Nazi-Konten in
Schweizer Banken entbrannten, entwickelte sich das für die
Kreditinstitute des Alpenlandes zu einem ernsten
Reputationsproblem. Schließlich hatten sie mit namenlosen Konten
seit jeher Anleger gelockt. Kurz nach diesem öffentlichen Disput
passierte etwas Ähnliches mit südafrikanischen Konten. Gelder von
Profiteuren der Apartheid wurden bei Schweizer Banken geparkt.
Das Kreditinstitut UBS sah im Gegensatz zu seinen Konkurrenten
diese Entwicklung voraus. Nach der Nazi-Debatte hatte es sich
systematisch überlegt: Wo könnten ähnliche Gefahren lauern? UBS
fragte sich: Wo sind wir betroffen, wie ist die rechtliche
Situation? Das Kreditinstitut nahm den Dialog zu den wichtigsten
Interessengruppen auf. Gemeinsam mit elf anderen internationalen
Großbanken entwickelte UBS die "Wolfsberg Principles", Regeln
gegen die Geldwäsche, auf die sich die beteiligten Institute
freiwillig verpflichteten. UBS war Initiator der Aktion. Danach
stand die Bank besser da als ihre Wettbewerber.
Das hört sich einfach an. Doch um gute Erfolge erzielen zu
können, bedarf es eines professionellen Issues Managements. Im
ersten Schritt sollte sich ein Unternehmen daher über den Sinn
des Issues Managements klar werden: Es geht darum, dass am Ende
des Tages dem Vorstand in regelmäßigem Rhythmus kurze, präzise
Berichte vorgelegt werden, die kommende Chancen und Risiken
analysieren und Handlungsempfehlungen geben. Issues Management
tastet dabei nicht nur die Umwelt eines Unternehmens ab, sondern
ist auch ein Resonanzraum für unternehmensinterne Störungen. Im
zweiten Schritt sollte sich eine Firma bewusst werden, dass
Issues Management nur funktionieren kann, wenn die
Unternehmenskultur entsprechend ausgerichtet ist. Es ist
unerlässlich, nicht nur externe Quellen zu nutzen, sondern auch
das Know-how der Mitarbeiter einzubinden. Dazu braucht es eine
offene Kommunikationskultur, nur dann trauen sich Mitarbeiter,
kritische, sensible Informationen weiterzugeben. Und: Es muss
sich für den Mitarbeiter lohnen, das zu tun. Das Unternehmen
sollte sich daher fragen: Wer erntet die Lorbeeren für die
Weitergabe solcher Informationen? Wie schaffe ich Anreize?
Issues Management muss überdies alle Abteilungen
integrieren. Nicht nur die Kommunikationsabteilung, auch die
strategische Unternehmensplanung, Investor Relations, Recht und
Human Resources müssen in das Netzwerk eingebunden werden. Nur
wenn es "top-down" initiiert, aber quer zu den Hierarchieebenen
organisiert und im ganzen Unternehmen verankert ist, kann es
erfolgreich sein. Sinnvoll ist es beispielsweise, eine Plattform
zum Informationsaustausch einzuführen, einen geschützten Bereich
im Intranet etwa. Dort können Berichte abgelegt und alle
Unternehmensmitglieder auf dem aktuellen Stand gehalten werden.
Schließlich braucht ein Unternehmen einen Issues Manager, der
alle Fäden in der Hand hält, die Informationen der Zuarbeiter
auswertet und schließlich für die Vorstandsmitglieder schriftlich
zusammenfasst.
Die relevanten Issues identifizieren.
Was genau aber sind Issues? Ein
Issue markiert eine Konfliktlinie zwischen mindestens zwei
gesellschaftlichen Gruppen. Es ist kein punktuelles Ereignis,
sondern hat eine Themenkarriere. Issues sind Sachverhalte, die
für die Gesellschaft relevant sind und gleichzeitig Auswirkungen
auf die Organisation des Unternehmens und dessen aktuelles oder
zukünftiges Handlungspotential haben. Ob es um Umweltschutz geht,
um Biotechnologie oder um Arbeitsbedingungen. Issues sind "Moving
Targets", sie verändern sich ständig und erfordern deshalb
Flexibilität.
Um die relevanten Issues für ein Unternehmen zu finden,
muss sich der Issues Manager mit vielen verschiedenen Abteilungen
austauschen. Aus den Informationen aus allen Unternehmensteilen
lassen sich die relevanten Issues für das jeweilige Unternehmen
identifizieren (Monitoring) und bewerten. Eine kurze
"Priority-Liste" gibt einen Überblick über die drängenden Issues,
eine "Watch List" liefert eine Übersicht über die Themen, die
vermutlich in Zukunft wichtiger werden. Mit Hilfe von Szenarien
lassen sich neue und latente Issues frühzeitig erkennen. Wenn
sich in diesem Prozess Kern-Issues herauskristallisiert haben,
müssen diese kontinuierlich beobachtet und daraus
Handlungsempfehlungen entwickelt werden. Das Unternehmen sollte
Ziele festlegen und daraus Maßnahmen ableiten, wie sich diese
Ziele erreichen lassen. Damit Issues Management erfolgreich ist,
sollten die Kampagnen und Aktionen, die daraus resultieren,
kontinuierlich evaluiert werden.
Dem Kunden die Angst nehmen.
Es ist die Aufgabe von Beratern, diesen Prozess allen Beteiligten zu vermitteln, eine externe Sicht einzubringen und den Kunden bei der Entwicklung von Handlungsoptionen zu unterstützen. Dabei müssen Berater vor allem eines: dem Kunden die Angst nehmen, nur noch mehr Arbeit, noch mehr Gremien, noch mehr Informationen aufgehalst zu bekommen und am Ende vielleicht selbst an Reputation zu verlieren. Denn Issues Management verlangt von den Beteiligten, gerade auf der zweiten Führungsebene, Macht abzugeben. Ohne ein vertrauensvolles Zusammenspiel der Abteilungen, ohne ein ineinander verzahntes Networking aller Glieder der Organisation kann es nicht gelingen. Letztlich muss allen klar sein: Beim Issues Management geht es darum, die ohnehin auf das Unternehmen einstürzenden Informationen zu filtern, zu bewerten und überlegt darauf zu reagieren. Es geht um effizientere Prozesse, relevantere Informationen, bessere Handlungsoptionen und am Ende mehr Reputation.
Europäische Zusammenarbeit.
Seit mehr als zwei Jahren beschäftigt sich Pleon Kohtes Klewes in Deutschland mit Issues Management und berät Unternehmen, die sich mit diesen Fragen auseinander setzen möchten. An allen deutschen Standorten von Pleon Kohtes Klewes gibt es reichlich Know-how zu diesem Thema, Know-how, das wir bündeln und in regelmäßigen Treffen systematisch weiterentwickeln. Im November 2004 gab es ein erstes europaweites Meeting. Diese Zusammenarbeit werden wir ausbauen. Denn auf europäischer Ebene gilt einmal mehr, was auf nationaler Ebene enorm an Bedeutung gewonnen hat: Issues Management gehört zu den wichtigsten Herausforderungen der Zukunft. Der amerikanische Unternehmensberater J. F. Coates hat es auf den Punkt gebracht: "What is social today is political tomorrow and economic in costs and consequences the day after."
English version: [ PDF... ]
Jens Krämer ist Partner bei Pleon Kohtes Klewes und Leiter der Practice Crisis Communication & Issues Management. Pleon ist ein in Europa führendes PR-Beratungsunternehmen und eine Tochter von BBDO Europe.
Weitere Informationen:
www.pleon.com
© changeX [22.02. 2005] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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