| Folge 20: Elise Bulger, Account Managerin bei Pleon London. |
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Entspannt lässt sich Elise in das abgewetzte, braune Ledersofa im Café Nero fallen - gleich um die Ecke der Londoner Pleon-Filiale - und bestellt einen "Americano". Klassischer Filterkaffee statt modischem Latte Macchiato und, nein, nein, ohne Zucker und schwarz, bitte. Keine Sperenzchen.
Ob mit Fanschal und Trikot auf der Stadiontribüne oder mit Kostüm und Aktentasche beim Kundengespräch, für die richtige Mannschaft zu spielen ist wichtig für Elise Bulger. Dass sie bei Pleon im richtigen Team spielen würde, war ihr schnell klar. "In dem Moment, als ich zum ersten Vorstellungsgespräch durch die Tür kam, wusste ich: Du willst diesen Job", sagt sie und legt ihr Handy auf den Tisch. "Was mich besonders beeindruckt hat, waren die vier verschiedenen Gespräche, die ich überstehen musste, um den Job zu bekommen." Zuerst stand ein Treffen mit dem Personalmanager auf dem Programm. Danach ein Gespräch mit dem direkten Vorgesetzten. "Aber am interessantesten war die Runde mit meinen zukünftigen Kollegen", berichtet Elise. "Hier konnten wir uns beschnuppern: Die anderen konnten herausfinden, ob ich ins Team passen würde, und ich konnte sehen, ob mir meine zukünftigen Kollegen sympathisch sein würden." Erst ganz am Schluss stand das Gespräch mit dem Managing Director.
Ein Start als Beamtin.
Seit vier Monaten ist Elise Bulger
Teil des 33-köpfigen Teams bei Pleon in der britischen
Hauptstadt. Sie ist für drei Kunden verantwortlich, ihren
größten, COLT Telecom, betreut sie verantwortlich als Senior
Account Manager. Sie hat den Schritt nicht bereut. "Sie geben dir
hier alle Freiheiten, dich zu entwickeln, in andere Bereiche
reinzuschauen. Ich war noch nie in einem Unternehmen, wo man so
stark spürt, dass man alles erreichen kann."
Die 32-Jährige hat durchaus andere Erfahrungen gemacht auf
ihrem bisherigen Berufsweg. Gleich nach der Schule beginnt sie
eine Beamtenlaufbahn bei der Bezirksstaatsanwaltschaft in
Bournemouth. Ihre Eltern, eigentlich "Liverpudlians", waren in
das südenglische Hafenstädtchen gezogen, weil der Vater hier
einen Job bei der Justizverwaltung angenommen hatte. Dass ihr
Vater bei Gericht arbeitete, hat die kleine Elise damals schwer
beeindruckt. "Als Kind wollte ich immer Staatsanwältin werden",
gesteht sie lachend, "die bösen Jungs hinter Schloss und Riegel
bringen." Mit 17 tritt sie in Vaters Fußstapfen. Als
Justizangestellte unterstützt sie die Ankläger bei ihrer Arbeit,
arbeitet sich in Kriminalakten ein, organisiert Prozessakten,
betreut Zeugen.
Doch es wird ihr schnell zu eng im beschaulichen
Bournemouth. Als im Hauptquartier des Crown Prosecution Service
(Generalstaatsanwaltschaft) in London eine Stelle frei wird,
zögert sie keine Sekunde und macht sich auf den Weg in die
Hauptstadt. "Meine Eltern verstehen bis heute nicht, wie ich in
einer Großstadt leben kann", sagt sie. "Ich liebe London einfach,
diese Hektik, das vibrierende Leben, das fasziniert mich!" Seit
zwölf Jahren ist sie jetzt hier.
Von Terroristenprozessen zu Medienstrategien.
Am ersten Tag im neuen Job meldet
sich eine Kollegin krank. Elise springt ein und damit ins kalte
Wasser eines großen IRA-Prozesses. Sie hat Angst. "Das war schon
unheimlich", erinnert sie sich, "diese Leute hatten geplant,
Bomben in London hochgehen zu lassen. Du hast plötzlich mit den
Leuten von MI5 und MI6 zu tun, musst Geheimhaltung schwören,
hörst die Zeugenaussagen, die Geheimcodes, die geheimen
Überwachungsberichte." Es folgen weitere spannende Verfahren;
Entführungen, fremdenfeindliche Übergriffe und große Mordprozesse
werden ihr tägliches Geschäft.
Wie kommt man aus dem Gerichtssaal in eine PR-Agentur? Es
wurde ihr einfach zu eng in den Fluren und Amtsstuben des
düsteren "Old Bailey", Englands höchstem Kriminalgericht. Eine
Behörde ist kein Ort für eine Frau wie Elise Bulger, das wird
nach wenigen Minuten klar. Selbst jetzt, als wir uns beim Kaffee
gegenübersitzen, spürt man die Begeisterung und Dynamik, die
Elise Bulger antreiben. "Diese Beamtenmentalität ging mir
zunehmend auf die Nerven", gibt sie zu und streicht sich eine
blonde Haarsträhne aus dem Gesicht.
Ihre Offenheit und Kontaktfreude laufen im Behördenalltag
weitgehend ins Leere. Sie hat andere Ambitionen, und der Schritt
in Richtung PR erschien ihr folgerichtig, denn bei Gericht hatte
sie immer wieder mit Journalisten zu tun. Sie organisierte
Pressekonferenzen und war am Ende sogar Sprecherin der
Staatsanwaltschaft. Trotzdem war sie reif für den Wechsel. Ein
Kollege vermittelt ihr einen ersten Job in einer Werbeagentur im
vornehmen Knightsbridge. Sie arbeitet auf verschiedenen Accounts,
kümmert sich um die Eigen-PR der Agentur, lernt die Grundlagen
des Berufs.
Hat sie jemals bereut, die sichere Beamtenkarriere
aufgegeben zu haben? Sie überprüft kurz ihr Handy auf neue
Mitteilungen. "Niemals", sagt sie. "Ich gehöre sowieso nicht zu
den Leuten, die Entscheidungen bereuen. Du triffst eine
Entscheidung, und dann lebst du damit - so einfach ist das." Es
folgen Jobs bei zwei weiteren Agenturen, sie arbeitet auf
Accounts von Heineken bis Microsoft, bis sie schließlich, im
Oktober letzten Jahres, bei Pleon landet. Und angekommen ist. "Es
hört sich vielleicht wie ein Klischee an, aber das ist der beste
Job, den ich je hatte. Das Team ist großartig", schwärmt sie,
"wir denken alle in die gleiche Richtung, und die Loyalität
untereinander ist fantastisch."
Ein gutes Team und gute Kunden.
Wir sind zurück im Büro. Der große
Raum mit gelb gestrichenen Wänden ist übersät mit akkurat
gerahmten Zeitungsausschnitten, die Schreibtische stehen in
Vierergruppen beieinander, nur halbhohe Trennwände grenzen die
Arbeitsbereiche ab. Das ist Programm: Hier sitzt der Praktikant
direkt neben dem Geschäftsführer, Einzelbüros gibt es auch für
die Führungsetage nicht. Das fördert Kommunikation und Teamgeist.
In einem kleinen Raum mit Ledersofas findet das Team zu
Gruppensitzungen zusammen, "unser Gemütlich-Raum", grinst Elise,
"hier kommen die besten Ideen zustande". Die Atmosphäre ist
locker, familiär. Elises Schreibtisch ist sehr aufgeräumt, was
nicht zu ihr zu passen scheint.
Das Telefon klingelt, ein Journalist, es geht um ein großes
Event in München. "Wir machen einen paneuropäischen
Simultan-Launch für ein neues Produkt eines meiner großen
Kunden", flüstert sie zwischen zwei Sätzen am Hörer vorbei, "in
zwei Wochen muss die Sache stehen."
Sie nimmt das persönlich. Neben der guten Stimmung im Team
ist es besonders die Zusammenarbeit mit den Kunden, die sie
motiviert. Elise berichtet von dem indischen Softwareunternehmen,
das eine sehr große Summe für die Opfer des Tsunami im Indischen
Ozean gespendet hat. "Der Vorstandsvorsitzende dieses
Unternehmens gönnt sich nur ein Jahresgehalt von 50.000 Dollar",
sagt sie, "um allen Mitarbeitern zu verdeutlichen, dass es nicht
nur ums Geldverdienen geht." Ihre Augen leuchten. "Das inspiriert
mich wirklich. Es macht einfach Spaß, für solche Kunden arbeiten
zu können."
Typisch britisch, typisch europäisch.
Elise Bulger steht für eine neue
Generation von erfolgreichen Frauen in der PR-Branche. Sie
profitiert von einem reichen Schatz an Erfahrungen aus anderen
Bereichen, sie kennt die Welt außerhalb von Meetings und
Marketing, Präsentationen und Portfolios. Und manchmal stört sie
"diese Wahrnehmung, dass PR-Frauen blond seien, Partys
organisieren, dort dann Champagner trinken und sonst nicht viel
tun." Ihr Verständnis ihres Berufs reicht viel weiter. Zu
erfolgreicher PR gehöre heute auch der Mut, zu eigenen
Überzeugungen zu stehen. Ihre Philosophie: den Kunden zu
ermutigen, das Richtige zu tun, die Scheuklappen abzunehmen und
nicht nur über sich selbst nachzudenken. "Es geht heute nicht
mehr nur darum, wie unser Auftraggeber sich in der Öffentlichkeit
selber sehen will. Es geht auch darum, was dessen Kunden
erreichen wollen, und wie unser Auftraggeber seinen Kunden helfen
kann, das zu erreichen."
Vor einer Woche erst ist sie aus den USA zurückgekommen,
internationale Strategieplanung in Seattle, für einen ihrer
großen Kunden. Intensive Gespräche mit ihren Kollegen aus
Deutschland und den USA standen auf dem Programm. Sie ist froh,
die Kollegen, die sie nur als Telefonstimmen kannte, endlich
kennen gelernt zu haben. "Die Kollegin aus Amerika hatte sich
mich immer als ältere Dame vorgestellt, weil sie meinen
britischen Akzent so kultiviert fand", lacht Elise. "Die war
richtig erleichtert, als sie feststellte, dass wir gleichaltrig
sind. Wir hatten eine Menge Spaß zusammen."
Aber es sind nicht nur die persönlichen Kontakte, die die
Arbeit erleichtern. Durch den engen Kontakt mit den Kollegen im
Ausland gewinnt sie eine Menge Einblicke, auch über sich selbst.
Das Arbeiten in einer europäischen Agentur schärft den Blick auf
die eigene nationale Identität. "Ich gehe freitags gern in den
Pub, liebe Fußball - sicher bin ich typisch britisch!", sagt sie
und lacht. "Es mag nur ein kurzer Trip über den Kanal sein nach
Kontinentaleuropa, aber es gibt immer noch große kulturelle
Unterschiede. Wenn wir über eine Kampagne nachdenken, lerne ich
sehr schnell: Wie würde das in Frankreich wahrgenommen? Muss man
ein Event in Deutschland anders machen? Wie sehen Produkttests in
Holland aus?"
Schneller Wandel.
Das Londoner Wetter hat sich
inzwischen dazu entschlossen, sich heute von seiner schlechten
Seite zu zeigen. Es nieselt leise, als wir in der beginnenden
Dämmerung auf die Old Marylebone Road treten, vorbei am
libanesischen Café, der schmucklosen Backsteinkirche von St. Mark
Marylebone und den edlen, rot gestrichenen viktorianischen
Wohnhäusern der Hyde Park Mansions. Wir reden über die
Notwendigkeit, über das aktuelle Tagesgeschehen auf dem Laufenden
zu sein. "Wir alle wissen ja, wie schnell sich Wirtschaft und
Gesellschaft verändern", sagt sie. "Ich habe meinen Job bei
Brodeur angetreten, und eine Woche später arbeitete ich für
Pleon!" Ihre Kunden verändern sich genauso schnell. "Da muss man
schon flink auf den Beinen sein und gelegentlich einen Gang
hochschalten, um da nicht nur mithalten zu können, sondern vorne
dabei zu sein und seine Kunden bei diesen Prozessen aktiv
begleiten und beraten zu können."
Sie bleibt kurz stehen und betrachtet nachdenklich die
Auslage eines Modegeschäfts, als sie ein überraschendes
Geständnis macht. "Ich werde dafür häufig von meinen Freunden
kritisiert", sagt sie, "aber ich stehe dazu: Ich hab in meinem
Leben noch nie bei Parlamentswahlen gewählt." Passt das zu einer
Frau mit starken Überzeugungen? "Absolut. Ich müsste mich für das
kleinere von zwei Übeln entscheiden. Das liegt mir nicht", sagt
sie und lächelt.
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Elise Bulger ist Senior Account Manager bei Pleon London.
Gerhard Elfers ist freier Journalist und lebt in London.
Weitere Informationen: www.pleon.com
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